Krankenkassen sind keine x-beliebigen Wirtschaftsunternehmen – Gesundheit ist keine Ware!

Rede

Kathrin Vogler kritisiert in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag den Entwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dieser ist nicht geeignet ist, die VerbraucherInnen vor der Marktmacht der Großkonzerne zu schützen, die mit Preisabsprachen Milliarden verdienen

Dafür birgt das Gesetz eine Tretmine: Schwarz-Gelb will das Kartellrecht jetzt noch mehr über die Krankenkassen stülpen. Die Unterwerfung der gesetzlichen Krankenkassen unter den Wettbewerb birgt die Gefahr der völligen Privatisierung der Krankenkassen und letztlich des gesamten Gesundheitswesens durch die Hintertür, da der Europäische Gerichtshof die Regelungen im GWB zum Anlass nehmen könnte, die Kassen zu ganz normalen Versicherungsunternehmen zu erklären.


Rede im Wortlaut:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir reden hier und heute über die immerhin achte Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wenn es dabei darum ginge, die Verbraucherinnen und Verbraucher und die kleinen und mittleren Unternehmen vor der Marktmacht der Großkonzerne zu schützen, dann würde die Linke ihr gerne zustimmen. Aber dazu ist sie leider völlig unzureichend.

Illegale Preisabsprachen schädigen die Verbraucherinnen und Verbraucher in Millionen- oder sogar Milliardenhöhe. Beim sogenannten Badezimmerkartell zum Beispiel schätzt man, dass es um einen Betrag von 7 Milliarden Euro ging. Die Linke fordert deshalb erstens deutliche Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Klageverfahren. Zweitens wollen wir, dass die Geschädigten ihr zu viel gezahltes Geld unbürokratisch zurückbekommen, etwa durch einfachere Sammelklagen. Und: Ein Fünftel der Bußgelder soll der unabhängigen Verbraucherarbeit zufließen.

Das leistet Ihr Gesetzentwurf leider nicht. Dabei könnten Sie hier wirklich etwas Gutes für die Verbraucherinnen und Verbraucher tun. Stattdessen verfolgt die schwarz-gelbe Bundesregierung die absurde Idee, das Kartellrecht jetzt noch mehr über die gesetzlichen Krankenkassen zu stülpen. Das ist aber völlig neben der Spur. Die gesetzlichen Krankenkassen sind keine Wirtschaftsunternehmen. Sie haben einen gesetzlichen Auftrag, der nahezu das gesamte Leistungsspektrum regelt. Ihre Versicherten sind keine Kunden, sondern Mitglieder; sie zahlen keine Versicherungsprämien, sondern Beiträge, und die Kassen dürfen keine Gewinne machen.

Die Linke sagt: So soll es bleiben. Wir wollen eine solidarische gesetzliche Krankenversicherung erhalten und sie zu einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung weiterentwickeln.

Aber für die FDP und leider auch für große Teile der Union ist dies ein kaum erträglicher Fremdkörper im neoliberalen Weltbild.

Sie predigen Ihren Glaubenssatz vom Wettbewerb der Kassen. Dazu gehört dann eben auch, dass Kassen nicht mehr zusammenarbeiten dürfen, wenn sie dadurch eine große Marktmacht erringen.

Dabei wäre genau diese Zusammenarbeit im Interesse der Versicherten.


Zwischenfrage von Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):

Vielen Dank.  Liebe Frau Kollegin Vogler, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass wir mit der vorliegenden GWB-Novelle eine entsprechende Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts anordnen, eben keine unmittelbare? Ist Ihnen bewusst, dass mit der juristischen Formulierung „entsprechend“ dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Krankenkassen keine Unternehmen sind?

Ist Ihnen weiterhin bewusst, dass bereits seit 2007 Vorschriften des Kartellrechts im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer ebenfalls entsprechend angewendet werden und dass niemand, auch nicht der EuGH, deswegen auf die Idee kommt, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, eine Einordnung der Krankenkassen als Unternehmen vorzunehmen?

Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass im EU-Kartellrecht ein funktionaler Unternehmensbegriff vorherrscht, das heißt, dass die Einführung der wettbewerblichen Elemente nicht dazu führt, dass die Krankenkassen künftig als Unternehmen einzuordnen sind? Ich frage mich, was zutrifft: Wissen Sie das, sagen aber etwas anderes, oder wissen Sie das nicht? In diesem Fall sollten Sie vielleicht Ihre Rede umschreiben.

Antwort von Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Liebe Frau Kollegin, ich bedanke mich sehr für diese Frage, weil mir das ermöglicht, noch ein bisschen mehr auf Details einzugehen.

Tatsächlich haben Sie offensichtlich auch gemerkt, welche Schwierigkeiten mit dieser GWB-Novelle ins Haus stehen, wenn Sie nicht nachbessern. Deshalb haben Sie uns gestern im Ausschuss ja auch noch einen Änderungsantrag vorgelegt, der den Kassen zumindest teilweise weiter gemeinsames Handeln erlaubt. Liebe Kollegin Aschenberg-Dugnus, das macht den gesamten Gesetzentwurf aber nicht besser, sondern allenfalls komplizierter.

Meine Prognose ist, dass wir erleben werden, wie sich Heerscharen hochdotierter Consulting-Unternehmer, Berater, Juristen und Fachreferenten damit auseinandersetzen werden, wo jetzt die Grenze zwischen der von Ihnen mit diesem Gesetzentwurf erlaubten und der unerlaubten, weil kartellrechtlich zu kontrollierenden, Zusammenarbeit liegt. Das heißt, die Versicherten, die Patientinnen und Patienten, haben davon gar nichts, aber es gibt eine ganze Schar von Leuten, die dadurch wieder sehr gutes Geld verdienen werden.

Vielen Dank.


Im Übrigen gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass Ihre Art von Wettbewerb den Versicherten nutzt. Im Gegenteil: Er führt zur Konkurrenz der Kassen um junge und gesunde Mitglieder und zu Kostendrückerei zulasten Kranker. Der Versicherte wird im Krankheitsfall zum Kostenfaktor. Dieses Welt- und Menschenbild lehnt die Linke ab. Gesundheit ist für uns keine Ware.

Jetzt kurz noch einmal zur SPD. Herr Kollege Egloff, Sie gebärden sich hier ja sehr schön populistisch als Retter der Krankenkassen vor dem Wettbewerbsrecht.

Erinnern Sie sich nicht mehr daran, dass Sie es waren, die die Krankenkassen mit den Wahltarifen, den Selektivverträgen, den Zusatzbeiträgen, den Prämien und anderen unternehmerischen Elementen in den ökonomischen Wettbewerb geschickt haben? Jetzt stellen Sie ganz überrascht fest, dass Sie mit dem Wettbewerb, den Sie wollten und den Sie gesät haben, Wettbewerbsrecht ernten.

Die Linke sagt kategorisch: Im Gesundheitswesen darf es Wettbewerb nur und ausschließlich um die beste Versorgung von Patientinnen und Patienten geben.

Darum müssen wir uns bei Ihrem Entschließungsantrag leider auch enthalten.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, die gesetzliche Krankenversicherung ernsthaft als soziales Umlagesystem erhalten wollen und zu einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung für alle ausbauen, dann schreiten wir gerne mit Ihnen Seit‘ an Seit‘.