Soldat*in sein ist kein cooles Abenteuer und Krieg ist keine Kirmes!

Der „Tag der Bundeswehr 2019“ in Münster wurde, wie an vielen anderen Standorten auch, begleitet von vielfältigen Protestaktionen der Friedensbewegung. In ihrer Rede begründet Kathrin Vogler, warum dieses bundesweite Spektakel kein Unterhaltungsangebot sind, sondern Werbung für den Krieg.

 


 

Ja, liebe Freundinnen und Freunde, lieber Besucherinnen und Besucher,

„Kriegsschiffe spazieren fahren lassen – das ist eine der besten Kriegsreklamen, die es gibt.“ Was der Schriftsteller und Pazifist Kurt Tucholsky im Juni 1927 feststellte, gilt dem deutschen Militär einen Weltkrieg und 65 Auslandseinsätze später wieder als Marketing-Motto: Seit 2015 soll der „Tag der Bundeswehr“ Kinder und Jugendliche mit viel Hightech und Brimborium an das Kriegshandwerk heranführen. 

Aber Soldat*in sein ist kein cooles Abenteuer und Krieg ist keine Kirmes. Deswegen warnen wir davor, auf die Werbestrategien von Frau von der Leyen reinzufallen. 

Der Tag der Bundeswehr ist die unterhaltsame Abkopplung von der Realität, dass Deutschland ein Krieg schürender und Krieg führender Staat ist, der seine Bevölkerung glauben machen will, es sei ganz anders. Die Jugendlichen, die hier heute das Kriegsgerät anfassen dürfen, sollen glauben, die Bundeswehr sei ein faszinierender und attraktiver Arbeitgeber, der eine sichere Zukunft garantiert. 

Die Realität sieht anders aus.

In den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind bisher 110 Soldaten gestorben, darunter sind auch einsatzbedingte Unglücksfälle, Krankheit und Selbstmorde. Im Kampf getötet worden sind 37 Soldaten, davon 35 in Afghanistan.

Seit 2011 wurden insgesamt 2311 einsatzbedingte psychische Neuerkrankungen diagnostiziert. Die tatsächliche Zahl der unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidenden Soldaten dürfte aber viel höher sein.

Die Zahl der Behandlungen von Soldaten durch zivile Psychiater hat sich von 1564 im Jahr 2011 auf 7836 im vergangenen Jahr mehr als verfünffacht. Das sehen die Gäste beim Tag der Bundeswehr natürlich nicht. 

Was bekommen sie hier stattdessen zu sehen?:

Zum Beispiel die Panzerhaubitze 2000. Sie wird von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall produziert. Die Bundeswehr hat sie zum Beispiel schon 2010 in Afghanistan eingesetzt und Menschen damit getötet. 

Der Raketenwerfer MARS II kann zwölf Flugkörper hunderte Kilometer weit abfeuern, gegen „Bodenziele“, wie es heißt.Bodenziele, das sind etwa Fahrzeuge und Gebäude. Und in denen sitzen Menschen. Menschen, die genauso leben wollen, wie wir.

Schließlich der Kampfpanzer Leopard II. Das ist der deutsche Exportschlager für Kriege in aller Welt. Im Schutz dieser Panzer fiel das türkischen Militär 2018 im kurdischen Afrin ein und terrorisierte die kurdische Zivilbevölkerung, sie werden auch im Syrienkrieg genutzt und im Alptraum des Jemenkrieges. Krauss-Maffei Wegmann hat mit Genehmigung der Bundesregierung Leopard II-Panzer nach Saudi-Arabien und andere Golfstaaten geliefert, Rheinmetall lieferte die Munition, die Feuerleitanlage und das Führungssystem. 

Hey, Leute, das sind keine Spielzeuge! Hier geht es nicht um einen „Abenteuertag“ mit Kinderbelustigung. 

Hier geht es um Krieg, um Mord an Zivilist*innen in aller Welt und darum, dafür neues „Menschenmaterial“ zu rekrutieren. Das lehnen wir ab!

Man muss ja auch immer fragen, wem nutzt es? Rüstungskonzerne verdienen jährlich Milliarden an dem Geschäft mit dem Tod. Der deutsche Rüstungshaushalt beträgt in diesem Jahr 43 Milliarden Euro - und er soll jährlich weiterwachsen, mit dem Ziel, zwei Prozent des deutschen Inlandsprodukts zu erreichen, das wären bis zu 30 Milliarden Euro mehr. 

Viele Kinder und Jugendliche machen sich zu Recht große Sorgen um ihre Zukunft, wenn es nicht gelingt, die Klimakatastrophe aufzuhalten. Dafür müssten wir in Deutschland unsere Industrie, unsere Energieproduktion und unseren Verkehr sehr umfassend umbauen. Mit 30 Milliarden Euro könnte man etwa für alle Menschen den öffentlichen Nahverkehr kostenlos machen und so ausbauen, dass Millionen privater Autos überflüssig würden. Das wäre mal ein Beitrag zur Zukunftssicherung und zur sozialen Gerechtigkeit, denn dann wäre Mobilität nicht mehr allein vom Geldbeutel abhängig!  

Die Bundeswehr inszeniert sich hier allerdings als Umweltschützer. Deshalb wird hier heute der Naturschutzbund sogar als „Projekt-Partner der Bundeswehr“ vorgestellt. „Bundeswehr und Umweltschutz sind ein unzertrennliches Paar“, verbreitet die  Bundeswehr-Propaganda.

Und, dass sie  “aktiv heimische Biotope und bedrohte Tier- und Pflanzenarten schützt”.

Das ist ein schlechter Witz.

Die Militärs sind nicht nur große Ressourcenverschwender, sondern sind auch Umweltzerstörer: Fluglärm, Manöverschäden, die Verseuchung von Truppenübungsplätzen mit Munitionsresten, PCB, Öl und Benzin werden nicht dadurch ausgeglichen, dass man ein paar Lurche in den Tümpeln der Truppenübungsplätze schützt! 

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI machte schon in den 80er Jahren das Militär für 25% Prozent der weltweiten Umweltverschmutzung verantwortlich.

Wie drastisch die Bundeswehr in das Ökosystem eingreift, konnte man letztes Jahr bei dem Moorbrand auf der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr in 

Meppen sehen. Da hat der gleiche NABU, der heute hier für die Bundeswehr Werbung macht, gewarnt,  es könnten hunderttausende Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt werden. Wahrscheinlich waren es 1,4 Millionen Tonnen CO2, so viel, wie 144.000 Menschen in Deutschland pro Jahr verursachen, außerdem Feinstaub, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und Stickoxide.

Ein einzelner Leopard-2-Panzer verbraucht auf 100 km 530 Liter Diesel - etwa so viel wie 100 Kleinwagen. 

Und der Tornado-Kampfjet, den die Bundeswehr etwa in Afghanistan einsetzt, verbraucht pro Flugstunde durchschnittlich 4000 Kilogramm Kerosin und stößt dabei etwa 13.000 Tonnen CO2 aus, das hat die Bundesregierung schon 2006 auf eine Anfrage der Linksfraktion geantwortet. 

Mich würde mal interessieren, ob die ziemlich schlauen Kids von der Naturschutzjugend, die gestern wieder bei Fridays. For Future waren, eigentlich wissen, mit wem ihr Mutterverband hier eine Partnerschaft eingegangen ist. 

Und noch ein Argument für die Eltern: 

Bildung ist zentral, um allen Kindern einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen. 

Das Spektakel, das Sie hier heute mit ihren Kindern besuchen, ist mit dafür verantwortlich, dass es mit der Bildung bei uns hapert. Das glauben Sie nicht? Dann hören Sie sich mal das hier an: 

In der letzten Legislaturperiode genehmigte der Bundestag Rüstungsprojekte für rund 32 Milliarden Euro; also für durchschnittlich acht Milliarden Euro pro Jahr.

Das ist in etwa auch die Summe, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau als Investitionsbedarf an den maroden Schulen in NRW veranschlagt wird! 

Oder: Wenn die Bundesregierung nur auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr verzichten würde, dann könnten mit den eingesparten 800 Millionen Euro über 16.000 neue Vollzeitstellen für Erzieher*innen geschaffen werden. Eine gute Personalausstattung in den Kitas ist eine Voraussetzung dafür, dass Kinder einen guten Start auf ihrem Lernweg haben.

Mir jedenfalls ist eine Bundeswehr ohne Auslandseinsätze lieber als ein Land mit kaputten Schulen und erschöpften Erzieher*innen.

 

Foto & Video der Rede Kathrin Voglers:Münster Tube - Münster von unten

Weiterführend: „Bundesregierung: Aufrüstung statt Zukunft.“ Kathrin Voglers Text vom 17. Juni 2019 in einem aktuellen Flyer der Friedenskooperative Münster, s.u. als pdf-Dokument:

 

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