Öffentliche Gesundheit fördern, nicht Wissenschaft ignorieren
25.09.2024 - Kathrin Vogler: Gesundheitsminister Lauterbachs Gesetzentwurf zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit missachtet wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten 50 Jahre. Geboten wird nur ein veralteter und ineffektiver Fokus auf medizinische Aufklärung. Wenn arme Menschen häufiger und schwerer krank sind und bis zu acht Jahre früher sterben, dann müsste das Gesetz an den gesellschaftlichen Ursachen von Krankheit ansetzen. Dafür fehlt der Ampel der Mut.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Baradari, in Ihrer Rede war viel Kluges.
(Heike Engelhardt [SPD]: Ja, das stimmt!)
Ich freue mich schon auf Ihre Zustimmung zum Antrag der Linken für ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder in Schulen und Kitas.
(Beifall bei der Linken – Heike Baehrens [SPD]: Das machen die Bundesländer, oder?)
Herr Professor Lauterbach, Sie inszenieren sich ja gerne als Verfechter einer wissenschaftsbasierten Politik. Aber mit diesem Gesetzentwurf werfen Sie einfach alle Erkenntnisse der letzten 50 Jahre über Bord. Öffentliche Gesundheitsförderung ist eben kein rein medizinisch-naturwissenschaftliches Problem, sondern eine soziale Frage, wie die Kollegin ja auch richtig ausgeführt hat.
Dass Männer aus der untersten Einkommensgruppe in Deutschland durchschnittlich 8,6 Jahre früher sterben als diejenigen aus der höchsten Einkommensgruppe, ist lange bekannt und wird viel zu wenig angegangen.
(Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Aber jetzt gehen wir es an!)
Schon bei Kindern und Jugendlichen finden sich deutliche Unterschiede im Gesundheitszustand. Die Ärmeren leiden deutlich mehr an Unter-, Über- und Fehlernährung, unter psychischen Belastungen und Bewegungsmangel.
Die Lebensverhältnisse haben also massiven Einfluss auf die Gesundheit der Menschen. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Aber die Lebensverhältnisse spielen in diesem Gesetz überhaupt keine Rolle. Herr Minister, warum hören Sie nicht auf die Wissenschaft?
(Carolin Bachmann [AfD]: Das wäre ja das erste Mal!)
Sie wollen das Robert-Koch-Institut aufspalten, und zwar in der völlig irrelevanten Frage, ob Krankheiten ansteckend sind oder nicht. Haben Sie nicht mal durch die Pandemie verstanden, dass Menschen mit chronischen Krankheiten durch übertragbare Krankheiten besonders gefährdet sind
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dass umgekehrt Infektionskrankheiten langfristige chronische Folgen für die Gesundheit haben können, wie wir bei Long Covid, ME/CFS und anderen Krankheiten sehen?
Nicht mal der Name des geplanten Instituts ist geglückt. „Medizinische Aufklärung“: Das ist so dermaßen letztes Jahrhundert! Da war man ja schon in den 1980er-Jahren bei der Anti-Aids-Kampagne viel fortschrittlicher.
(Beifall bei der Linken)
Ein Gesundheitsminister, der zwar dauernd Studien zitiert, aber wenn es ernst wird, die Erkenntnisse aus der Gesundheitsforschung ignoriert, ist wirklich eine Fehlbesetzung.
(Beifall bei der Linken)