Die Waffen nieder - Diplomatie statt Kampfpanzer! Ostermarsch Hamm

Frieden

"Wir brauchen mehr Diplomatie und mehr Mut, auf zivile Lösungen zu setzen!" Kathrin Voglers Rede beim Ostermarsch in Hamm, am 10. April 2023.

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

was sind das für Zeiten, in denen wir leben!

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der schlimmste Krieg in Europa seit dem zweiten Weltkrieg, auch wenn wir nicht vergessen haben, dass es den NATO-Krieg gegen Jugoslawien gab und dass mit der mehr oder weniger offenen Beteiligung Deutschlands eine ganze Reihe von Kriegen geführt wurden und werden: im Irak, in Afghanistan oder im Sahel. Wir sind heute hier und an vielen anderen Orten auf der Straße, um ein Zeichen zu setzen: Beendet das Morden, stoppt den Krieg in der Ukraine! Und stoppt auch all die anderen Kriege, von denen so viele auch mit deutschen Waffen und mit deutschem Geld geführt werden!

Die Bundesregierung reagiert auf diesen Angriffskrieg mit einer nie dagewesenen Aufrüstung. Die Bundeswehr bekommt aktuell ohnehin schon über 50 Milliarden jährlich. Warum sie damit nicht in der Lage sein soll, die Landesverteidigung sicherzustellen, versteht kein Mensch. Stattdessen werden ihr noch 100 Milliarden Schulden hinterhergeworfen, von denen unter anderem neue Atombomber gekauft werden.

Aber für die Kindergrundsicherung wird jetzt über maximal 12 Milliarden jährlich gestritten. Kinder aus der Armut zu holen, hat für die Ampel-Koalition eben weniger Priorität, als die Profite von Rheinmetall und Co. zu sichern und das nehmen wir nicht hin.

Um den Ukraine-Krieg zu beenden, hat die Bundesregierung eigentlich nur zwei Ideen: Erstens Waffenlieferungen und zweitens noch mehr Waffenlieferungen. Im neuen Rüstungsexportkontrollgesetz soll sogar stehen, dass die Bundesrepublik Länder bei ihrer militärischen Selbstverteidigung mit Waffenlieferungen unterstützen kann, wenn das zu den sonstigen Interessen der Bundesrepublik passt. Die Minimalforderung "Keine Waffen in Krisengebiete!" wurde aufgegeben. Ich bin ja der Meinung, die Bundesrepublik sollte gar keine Waffen liefern, nirgendwohin.

Warum haben eigentlich die Grünen sich so von ihrem Wahlprogramm abgewendet? Ging es vielleicht früher nur um Krisengebiete, die sie einfach nicht interessiert haben?

Fakt ist, dass die Bundesregierung mit einem grünen Wirtschaftsminister und einer grünen Außenministerin Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien genehmigt, also in ein Land, das am mörderischen Krieg im Jemen beteiligt ist. Und ein Land, in dem Oppositionelle, Feministinnen und Homosexuelle täglich um ihre Freiheit und ihr Leben fürchten müssen. Den Jemen-Krieg bezeichnet die UNO als „größte humanitäre Katastrophe unseres Jahrhunderts“. Wo bleibt da die „wertebasierte“ oder gar „feministische“ Außenpolitik? Das ist doch alles nur Heuchelei und Greenwashing!

Die Militarisierung ist die zwar vorhersehbare, aber doch völlig falsche Antwort auf den russischen Angriffskrieg.

Der größte Fehler der Bundesregierung ist doch, dass sie scheinbar gar nicht über die Zeit nach diesem Krieg nachdenkt. Das, was die Friedensbewegung seit fast 150 Jahren fordert, wird auch dann noch richtig sein. Die Grundlagen für eine stabile Friedensordnung bleiben Abrüstung und Rüstungskontrolle, Entspannung und die Stärkung des internationalen Rechts. Das hört sich gerade vielleicht nicht so realistisch an, aber auf der Basis von Drohgebärden, Aufrüstung und Gewalt ist eine stabile Friedensordnung doch erst recht unrealistisch.

Gerade in einer Zeit, in der die wesentlichen Herausforderungen für die Menschheit nur global und gemeinsam bewältigt werden können, gefährdet eine Weltordnung, die auf wirtschaftlicher Macht und militärischer Gewalt errichtet ist, das Überleben der Menschheit an sich.

Wir brauchen die Rüstungsmilliarden dringend an anderer Stelle: für wirksamen Klimaschutz, zur Überwindung des Hungers und für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das sind übrigens keine neuen Erkenntnisse, das sind eigentlich Binsenweisheiten. Globale Probleme lassen sich nicht mit Nationalismus und Militarismus lösen sondern nur mit internationaler Zusammenarbeit. Deswegen gehört auch die Friedensbewegung an die Seite derjenigen, die für Klimagerechtigkeit und globale Gerechtigkeit streiten. Globale Solidarität gegen nationalen Größenwahn und kapitalistische Ausbeutung - das ist unsere Waffe!

Im Sinne dieser Solidarität und um des Lebens der Menschen in der Ukraine willen, auch für die ukrainischen und russischen Soldaten, wegen der unzähligen Opfer, der Verstümmelten und Traumatisierten, wegen der Verwüstung der Städte und der Verminung der Äcker, wegen der Ernteausfälle, die den Hunger in den Ländern des globalen Südens verstärken - aus all diesen Gründen muss dieser mörderische Krieg so schnell wie möglich beendet werden.

Die Waffenlieferungen müssen aufhören, und es muss endlich mehr unternommen werden für eine diplomatische Lösung. Wenn die Bundesregierung den Vorschlag des brasilianischen Präsidenten Lula für unzureichend hält, warum tritt sie nicht in Gespräche mit ihm ein, um den Plan weiterzuentwickeln? Ich verstehe nicht, warum die Bundesregierung den chinesischen Friedensplan nicht aufgreift und mit China über die Punkte spricht, die sie anders angehen würde. Der französische Präsident Macron ist nach China gereist und hat mit Präsident Xi wichtige Gespräche geführt - wo bleibt Kanzler Scholz?

Er wartet wieder mal ab, wahrscheinlich darauf, ob die angekündigte Frühjahrsoffensive der ukrainischen Armee erfolgreich sein wird. Aber was wäre eigentlich unter diesen Bedingungen eigentlich ein Erfolg?

Es ist doch so, dass immer diejenige Kriegspartei einen Waffenstillstand ablehnt, die sich gerade militärisch im Vorteil sieht und auch deswegen die meisten Kriege so lange weitergehen, bis entweder eine Seite vollständig verloren hat oder beide Seiten so erschöpft sind, dass ein Weiterkämpfen nicht mehr möglich ist. Im aktuellen Fall würde das heißen, dass das Schießen und Bombardieren noch jahrelang weitergehen kann, ohne dass eine Seite ihre Kriegsziele vollständig erreichen kann.

Besser für die Menschen in der Ukraine, für die Sicherheit in Europa und für die Zukunft der Menschheit insgesamt wäre es aber, wenn die Waffen so schnell wie möglich schweigen.

Allerdings müssen wir auch festhalten, dass die russische Regierung im Moment weder zu einem Waffenstillstand noch zu Verhandlungen bereit ist. Außenminister Lawrow hat gerade erst das Angebot der chinesischen Regierung zur Vermittlung zurückgewiesen und erneut mit einer Aufkündigung des Getreideabkommens gedroht. Und Dmitri Medwedew, der Vorsitzende von Putins Partei Einiges Russland hat gestern in einer Twitter-Nachricht seinen Hass und seine Verachtung gegenüber der Ukraine und ihren Menschen dokumentiert: Er meint, die Ukraine soll verschwinden. Was aus den Menschen wird, ist ihm egal. Aber uns, uns ist das nicht egal!

Deswegen müssen wir auch die Frage stellen, wie Russland an den Verhandlungstisch gebracht werden kann. Bei der Ukraine wäre es relativ einfach: der Westen müsste nur seine finanzielle Unterstützung an die Verhandlungsbereitschaft knüpfen. Bei Russland sehen wir, dass weder die Waffenlieferungen an die Ukraine noch die bisherigen EU-Sanktionen bisher etwas in Richtung Verhandlungsbereitschaft bewegt hat.

Sind Sanktionen deswegen grundsätzlich falsch? Ich glaube, nicht. Denn wenn wir militärische Unterstützung und Waffenlieferungen ablehnen, dann müssen wir überlegen, mit welchen Mitteln die Welt einem Aggressor entgegentreten soll. Völkerrechtsbrüche einfach so hinzunehmen, kann ja nicht richtig sein. Und klar, wir müssen da auch über andere Völkerrechtsbrecher sprechen.

Dass in den USA nun zum ersten Mal ein Ex-Präsident vor Gericht steht wegen irgendeiner Schweigegeld-Sache mit einem Pornostar, ist natürlich im Angesicht der Verbrechen der USA in Vietnam, in Afghanistan oder im Irak, wegen der Drohnenmorde und des Agierens der US-Geheimdienste in Lateinamerika vollkommen absurd. Man hätte diesen Präsidenten wegen so viel mehr vor Gericht stellen müssen - und auch seine Vorgänger. Aber stattdessen werden von der US-Justiz Menschen wie Julian Assange verfolgt, der US-Kriegsverbrechen im Irak aufgedeckt hat.

Trotzdem darf es nicht sein, dass das schlechte Beispiel der USA in der Welt Schule macht und das Recht des Stärkeren zum Regelfall in den internationalen Beziehungen wird. Denn so werden wir weder die Klimakatastrophe stoppen, noch die Hungerpandemie.

Beschränkungen für den kulturellen und den wissenschaftlichen Austausch mit Russland sind falsch. Wir brauchen mehr Begegnungen zwischen den Menschen, nicht weniger. Als Friedensbewegung haben wir uns im Kalten Krieg für Städtepartnerschaften und Jugendbegegnungen eingesetzt und die müssen wir jetzt verteidigen.

Im Finanzbereich gibt es Sanktionen, die nicht den militärisch-industriellen Komplex Russlands treffen, sondern eher diejenigen, die vor diesem Krieg und den Repressionen ins Ausland geflohen sind. Und die meisten Sanktionen im Energiebereich treffen durch die Verteuerung von Energierohstoffen weniger die russische Wirtschaft als die Länder des globalen Südens: Solche Sanktionen müssen sofort aufgehoben werden.

Es ist aber unfassbar peinlich, dass die Bundesregierung bisher kaum Vermögen der Milliardäre beschlagnahmt hat, weil Superreiche ihren obszönen Reichtum in Deutschland ganz einfach verstecken können. Wir brauchen ganz grundsätzlich mehr Kontrolle von großen Vermögen - auch von unseren eigenen Oligarchen.

Es ist außerdem grundfalsch, dass die Sanktionen nicht mit klaren Bedingungen versehen werden, unter denen sie auch wieder aufgehoben werden.

Wenn die russischen Eliten davon ausgehen müssen, dass sie gar keinen Einfluss darauf haben, wann die Sanktionspakete zurückgenommen werden, wo ist denn da der Anreiz zur kurzfristigen Verhaltensänderung?

Ich finde es bemerkenswert, dass die Friedensbewegung immer wieder als naiv und weltfremd hingestellt wird. Dabei sind wir doch im Gegenteil die gesellschaftliche Kraft, die für politische Vernunft steht, weil wir darauf bestehen, dass man alle Maßnahmen von ihrem Ende her denken muss. Und diejenigen, die keine Alternativen zulassen wollen als Aufrüstung, müssten doch erklären, wie weit sie eigentlich gehen wollen und welcher Preis in Menschenleben für sie akzeptabel ist, um das politische Ziel zu erreichen.

Wir brauchen doch mehr Anstrengungen, um diesen Krieg zu beenden, nicht um ihn zu verlängern. Wir brauchen mehr Diplomatie und mehr Mut, auf zivile Lösungen zu setzen.

Wir bleiben dabei:

  • Die Waffen nieder!
  • Verhandeln statt schießen!
  • Diplomatie statt Kampfpanzer!

Vielen Dank.