Diese außenpolitische »Neuausrichtung« folgt nur geopolitischen Machtinteressen

Diese außenpolitische "Neuausrichtung" folgt nur geopolitischen Machtinteressen

Rede im Bundestag

Die CDU/CSU-Fraktion fordert eine neue Politik im Nahen/Mittleren Osten und Nordafrika". Wie anmaßend ist es, neue Kooperationen zu fordern aus nur zwei Perspektiven: Erstens, was ist drin für die deutsche Wirtschaft und zweitens die Konkurrenz zu Russland und China? Deswegen sind die Vorschläge der CDU/CSU auch entweder banal oder gefährlich.

Kathrin Voglers Rede im Wortlaut:

Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Uli Lechte, ich höre es sehr wohl, dass du die Verantwortung Deutschlands für viele Konflikte und Probleme auch in Ländern des Nahen und Mittleren Osten benennst und anerkennst. Dafür herzlichen Dank! Ihr seid in der Bundesregierung: Tut etwas dafür, dass wir dieser Verantwortung nachkommen!

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Lechte (FDP): Täglich!)

Die Unionsfraktion beglückt uns in ihrer noch ungewohnten Oppositionsrolle in letzter Zeit immer wieder mit einer ganzen Reihe außenpolitischer Anträge. Die folgen alle einem gewissen Muster: Es wird eine Weltregion benannt, deren strategische Bedeutung für Deutschland herausgehoben, die im Übrigen gar nicht strittig ist, und die Bundesregierung wird aufgefordert, die interessengeleiteten Beziehungen zu der jeweiligen Region zu vertiefen. Letzte Woche Lateinamerika und die Karibik, diese Woche der Nahe und Mittlere Osten und die nordafrikanischen Mittelmeerländer.

(Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Systematisch!)

Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um eine Vielzahl verschiedener Länder handelt - gerade forderte die Kollegin Leikert das Gleiche für Afrika ‑, dafür, dass es sich bei der jeweiligen Region um eine Vielzahl verschiedener Länder

(Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU): Man nennt es „Außenpolitik“, Frau Kollegin!)

mit unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen, kulturellen Traditionen und einer Vielzahl von Chancen und Problemen handelt, ist es schon ziemlich anmaßend, all das unter einen Hut zu bringen und dem auf knapp vier Seiten gerecht werden zu wollen. Na gut!

Ihre Situationsbeschreibung und Ihr Maßnahmenkatalog sind ebenso oberflächlich wie schematisch. Auch hier wieder dasselbe Muster! Sie wollen mit Ländern des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas kooperieren, nicht weil Sie deren reiche Kultur und die Gastfreundschaft der Menschen so schätzen, sondern weil Sie jede Region in dieser Welt nur unter zwei Aspekten betrachten: Erstens. Was ist drin für die deutsche Wirtschaft? Zweitens. Wie ist es um die Konkurrenz zu Russland und China bestellt? Deswegen sind Ihre Vorschläge entweder banal oder gefährlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Gefährlich finde ich es, eine neue strategische Blockbildung zu forcieren, bei der heute noch ungebundene Staaten vor die Wahl gestellt werden sollen, ob sie gute Beziehungen zu uns, zum Westen, oder eher zum Osten, zu Russland oder China, haben wollen. Ich sage Ihnen eines: Angesichts der vielen Konflikte in der Welt werden wir Staaten, die in alle Richtungen belastbare Beziehungen unterhalten, wahrscheinlich irgendwann dringend brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was fehlt bei der Union? Auch Klimaschutz kommt bei Ihnen nur unter zwei Aspekten vor, nämlich als Klimaanpassung für die Länder des Südens und als billige erneuerbare Energie für uns. Da springen Sie viel zu kurz. Menschenrechte, Demokratie, Freiheitsrechte kommen bestenfalls am Rande vor. Weder für die mutige Revolution im Iran noch für die massiven Proteste in Israel gegen die Zerschlagung rechtsstaatlicher Institutionen finden Sie ein ermutigendes, freundliches Wort. Auch wenn der Antrag schon aus Juli 2022 stammt, wenigstens das hätten Sie aktualisieren können und müssen, wenn wir dem hätten zustimmen sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Die ganze Debatte zu TOP 13 "Neuausrichtung der deutschen Politik im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika" am 27.04.2023 auf bundestag.de