Bundeswehr-Aufrüstung in Zeiten der Pandemie: Wo bleibt das organisierte Aufbegehren?

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"Millionen Menschen in aller Welt erfahren, dass das stärkste Militär der Welt machtlos ist gegen ein winziges Stückchen Protein, ein Virus." Kathrin Vogler über die aktuelle Chance für abrüstungspolitische Initiativen. Vorabdruck eines Gastbeitrags in der aktuellen Ausgabe der ZivilCourage, dem Mitgliedermagazin der DFG-VK.

Die Frage nach den Rüstungsausgaben wird dringender denn je

Der Bundeswehr geht der Arsch auf Grundeis. In der Corona-Krise hat sie ihre Rolle nicht gefunden: Ob bei der Beschaffung von Schutzmaterial, beim Aufbau von provisorischen Krankenpflegeeinrichtungen oder als Hilfssheriff bei der Überwachung von Corona-Auflagen - immer stand sie so ein bisschen neben sich und den zivilen Kräften oft eher im Wege. Gleichzeitig haben Millionen Menschen in aller Welt erfahren, dass das stärkste Militär der Welt machtlos ist gegen ein winziges Stückchen Protein, ein Virus. Darauf antwortet das Militär mit einer strategischen Offensive, die darauf abzielt, so schnell wie möglich Pflöcke zu setzen und Entscheidungen herbeizuführen, die die Politik auf lange Zeit binden: zum Beispiel die Beschaffung von Kampfdrohnen, die Erneuerung der Kampfjet-Flotte, der Kauf von US-Atombombenfliegern und eine massive Werbekampagne in der Zielgruppe der Sechzehnjährigen, die die Unsicherheit der Corona-Zeit nutzt, um junge Menschen mit dem Versprechen eines sicheren Arbeitsplatzes zu den Waffen zu locken.

Dem haben wir materiell nicht viel entgegenzusetzen. Dass die Verteidigungsministerin die Zeit der tiefsten ökonomischen und sozialen Verunsicherung nutzt, um eine hunderte von Milliarden Euro teure Shoppingtour zu unternehmen, sorgt zwar für kurzatmige Empörung in den diversen Internet-Medien, aber nicht zu organisiertem Aufbegehren.

Es ist absurd: Die Bundesregierung ballert Milliarden raus für die Autoindustrie und die Rüstungskonzerne und weswegen rennen die Menschen zu Tausenden auf die Straßen? Wegen einer Masken- und Abstandspflicht, die, nüchtern betrachtet, eher zurückhaltend durchgesetzt wird, die sie aber als schlimmeren Eingriff in die Menschen- und Grundrechte empfinden als heimliche Drohnenmorde oder das tägliche Verrecken in unterfinanzierten Kranken- und Pflegeanstalten.

Tausende Menschen demonstrieren dafür, möglichst schnell wieder in den kapitalistischen Produktions- und Konsumbetrieb eingegliedert zu werden und empfinden das als Freiheit, anstatt sich darüber zu ereifern, dass die Lockdown-Maßnahmen umso härter sein müssen, je schwächer und privatisierter die Gesundheitsdienste sind und sich zu empören, dass der Bundeswehretat weiter und weiter steigen soll, anstatt diese lebensnotwendigen Bereiche (ich hasse das Wort „systemrelevant“) angemessen auszustatten.

Auch wenn wir in der DFG-VK seit über 30 Jahren darauf hinweisen, dass die wirklich großen Gefahren für Leben und Sicherheit der Menschheit nicht militärisch zu bekämpfen sind, standen auch wir in dieser Situation etwas neben uns, aber zumindest nicht im Weg herum.

Da die alltägliche Bewältigung der Krise die Menschen schwer belastet und eingespannt hat, gab es wenig Kraft, über die Krisenzeit hinaus zu schauen und sich auf die anstehenden Verteilungskämpfe vorzubereiten.

Aber jetzt sollten wir nicht mehr lange fackeln. Die Frage nach den Rüstungsausgaben wird dringender denn je und wir haben für die Forderung einer Verringerung der Rüstungsausgaben eine gesellschaftliche Mehrheit, ebenso wie für den Abzug der Atomwaffen und den Verzicht auf Kampfdrohen. Diese zu materialisieren und dabei neue Bündnisse, zum Beispiel mit Pflegekräften, zu suchen, das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.

Die komplette Ausgabe der ZivilCourage gibt's hier.
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