Lieferengpässe: Politik muss Pharmaindustrie in die Pflicht nehmen!

Rede im Bundestag
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Der Umsatz mit Medikamenten hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt und trotzdem kommt es immer wieder zu Versorgungsproblemen. Deshalb fordert DIE LINKE eine Arzneimittelproduktion und -forschung, die sich an den Bedarfen der Menschen orientiert, und nicht am Profitstreben der Pharmaindustrie!

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Der TOP "Streit über Liefer­engpässe bei Arzneimitteln" mit allen Debattenbeiträgen auf Bundestag.de

 

Lieferengpässe bei Arzneimitteln:
Politik muss Pharmaindustrie endlich in die Pflicht nehmen!

 

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seit 13 Jahren bin ich jetzt Abgeordnete, und seither sprechen wir hier immer wieder über Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten. Das Problem wird immer größer, aber kein Gesundheitsminister hat sich ernsthaft darum gekümmert, es zu lösen.

Im letzten Sommer betrachteten einer Umfrage zufolge 92 Prozent der Apotheker/-innen die Lieferengpässe als große Beeinträchtigung. Und im Dezember versuchten dann verzweifelte Eltern mit Briefwaage und Fruchtsaft, aus den Medikamenten für Erwachsene Fiebersenker für ihre Kinder herzustellen; oder sie sind gleich in die Nachbarländer gefahren, um sich dort einzudecken. Dass Antibiotika, Schmerzmittel, Krebsmedikamente, Schilddrüsenhormone, Insulin oder Arzneimittel gegen Epilepsie immer wieder fehlen, daran haben sich Apotheken, Krankenhäuser und Patientinnen und Patienten ja fast schon gewöhnt, aber wir dürfen das doch nicht hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die aktuelle Bundesregierung nichts getan hat, um diese Situation zu vermeiden, ist tatsächlich ein Skandal. Und dass die CDU/CSU nach acht Jahren, in denen sie die Gesundheitsminister gestellt hat, jetzt einen Beschaffungsgipfel und ein nationales Frühwarnsystem fordert und hier so einen dünnen Antrag vorlegt, das ist wirklich ein Treppenwitz.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu Ihrer Information: Das nationale Frühwarnsystem und die Datenbank gibt es schon:

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn. In seiner Datenbank sind aktuell 385 Arzneimittel mit Lieferengpässen aufgeführt. Seit 2010 gibt es – oft vergessen – in § 52b Arzneimittelgesetz einen Versorgungsauftrag für die Industrie und den Großhandel und entsprechende Informationspflichten. Allerdings muss sich kein Unternehmen, das dagegen verstößt, vor Sanktionen fürchten; das wollen Sie natürlich auch nicht.

Deutschland ist doch der viertgrößte Arzneimittelmarkt weltweit. Dafür eine Einkaufsoffensive in den Nachbarländern zu starten: Ehrlich, das kommt mir vor, wie wenn man eine zu kurz gewordene Decke noch ein bisschen abschneidet in der Hoffnung, dass sie länger wird. Aber das wird nicht stattfinden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur zu Erinnerung: Die pharmazeutische Grundlagenforschung wird größtenteils durch Steuergelder finanziert, die kommerzielle Forschung weitgehend aus den Beiträgen der gesetzlich Krankenversicherten. Wenn es einen Unternehmensbereich gibt, in dem das unternehmerische Risiko von der Gesellschaft getragen wird, während die Gewinne privatisiert werden, dann ist das die Pharmaindustrie. Die Unternehmen haben ein gigantisches Erpressungspotenzial, und das nutzen sie auch. Bei sinkenden Gewinnmargen drohen sie mit Marktrücknahme und Lieferstopps, um höhere Preise durchzusetzen.

Dieses System funktioniert für die Aktionärinnen und Aktionäre hervorragend, für die Krankenkassen und die Patientinnen und Patienten immer weniger. Der Umsatz mit Medikamenten hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt, und trotzdem haben wir Versorgungsprobleme. Sie alle haben es jetzt schon viel zu lange mit freundlichen Ermahnungen versucht, es nützt einfach nichts. Wir brauchen sanktionsbewehrte Verpflichtungen für die Unternehmen zur Vorratshaltung bei unersetzlichen Medikamenten und keine Stuhlkreise, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gleichzeitig werden durch die Rabattverträge, die die Krankenkassen mit einzelnen Herstellern abschließen, die Zentralisierung der Produktion verstärkt und die Bildung von Monopolen gefördert; darauf weisen wir schon sehr lange hin. Kurzfristig wird Geld gespart, aber mittelfristig führt die Konzentration zu steigenden Preisen und Versorgungsuntersicherheit. Deswegen brauchen wir ein anderes System der Preisbildung. Also: Weiter labern bringt überhaupt nichts, es muss endlich gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)