Von linken "Chaoten" und Antifaschismus - Ein Bericht von den Demonstrationen in Essen

Wie viele von euch auch, war ich am Wochenende in Essen um die Proteste gegen den AfD Parteitag als parlamentarische Beobachterin zu begleiten und die Organisator:innen des antirassistischen Camps zu unterstützen.

Im Vorfeld der Demonstration wurde unter anderem von NRW Innenminister Reul vor "linksextremen Ausschreitungen" gewarnt und bereits am Freitag war eine sehr hohe Polizeipräsenz in Essen sichtbar. Gleichzeitig wurde unsere Anmeldung für das Protestcamp zahlreiche Steine in den Weg gelegt, so dass wir am Ende 11 Kilometer entfernt von der Essener Innenstadt übernachten musste. All den Menschen, die sich um den Aufbau, Abbau, die Logistik und Organisation des Camps gekümmert haben, möchte ich mein tiefsten Dank aussprechen. Ich habe in meinem Leben viele Protestcamps erlebt, was hier innerhalb kürzester Zeit entstanden ist, hat mich beeindruckt und ich bin froh, dass der Fraktionsverein der Bundestagsabgeordneten der Linken das Camp mit einer Spende von 1000 € unterstützt hat. 

Doch gab es eigentlich Ausschreitungen, Chaos und Gewalt durch Demonstrant:innen? Oder war eigentlich doch alles anders, als es in den Medien teilweise dargestellt wurde? 

Nach einer kurzen Nacht bin ich am Samstag morgen um vier Uhr aufgebrochen und habe im Laufe des Vormittags verschiedene Blockaden und Proteste rund um die Grugahalle gesehen. Was ich erlebt habe, waren tausende Menschen, die friedlich aber entschlossen dafür sorgten, dass es für die Delegierten der AfD nicht ganz einfach war, die Grugahalle, in der der Parteitag stattfand, zu erreichen. Wie im Aktionskonsens von Widersetzen und Gemeinsam Laut beschlossen, waren die Proteste und Blockaden vielfältig, bunt und kreativ. 

Ich konnte an keiner Stelle beobachten, dass Gewalt von den Demonstrierenden ausgegangen wäre.

Auch die Essener Feuerwehr berichtet, dass das Einsatzgeschehen am Samstag weit unter den Erwartungen geblieben ist, Brandmeldungen gab es gar keine. 

Was jedoch durchaus zu sehen war, war Gewalt gegen die Demonstrierenden. Das Video des AfD Delegierten Hrichy, der wie ein tollwütiger Hund einem Demonstranten ins Bein beißt, dürfte inzwischen bekannt sein. Doch auch durch die Polizei gab es zahlreiche Verletzte nach Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken oder durch Faustschläge ins Gesicht. Es gab auch ein Video, in dem deutlich zu sehen war, wie ein Beamter vom Dach eines Einsatzfahrzeuges reichlich Pfefferspray versprüht - direkt über den Köpfen seiner Kolleg:innen. Diesen Einsatz von Gewalt durch die Polizei gegenüber Demonstrierenden sehe ich sehr kritisch und ich fordere die Abgeordneten des Landtag NRW auf, diese Geschehnisse gründlich aufzuarbeiten. Die Berichte über Behinderung von Journalist:innen durch Protestierende kann ich zwar nicht durch eigene Beobachtungen bestätigen, aber ich nehme auch das sehr ernst, vor allem in diesem Zusammenhang. Schließlich ist es vor allem die AfD, die beständig gegen die "Systemmedien" hetzt und Journalist:innen angreift, die sich kritisch mit dieser Partei auseinandersetzen. Freie Medien sind ein Grundpfeiler der Demokratie, sie zu verteidigen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. 

Während einer kurzen Kaffeepause hatte ich das große Vergnügen mit einigen Essener:innen ins Gespräch zu kommen, die durchweg begeistert von den Protesten und den Demonstrierenden waren. Sie haben ausdrücklich bestätigt, dass für rechte Hetze in Essen kein Platz ist und sich darüber gefreut, wie freundlich die Demonstrant:innen aufgetreten sind. 

Wahnsinnig beeindruckend war auch die Zahl 70.000 Menschen bei der Großdemonstration von "Essen stellt sich quer". An diesem Tag hat der Pott den menschenfeindlichen Positionen der AfD wirklich die rote Karte gezeigt! 

Ich bedanke mich bei allen, die sich für unsere Demokratie einsetzen und sich gegen die faschistischen Kräfte in unserem Land wehren. Eine demokratische Gesellschaft ist nur so stark, wie die Demokrat:innen, die sich in ihr organisieren und einbringen - und ihr wart richtig stark! All jenen, die verletzt wurden wünsche ich gute und schnelle Genesung. 

Jetzt ist es wichtig, sich nicht auf dem einen Wochenende auszuruhen, sondern daran zu arbeiten, dass unsere Gesellschaft nicht weiter nach rechts abgleitet. Wir dürfen nicht zulassen, dass Rassismus, Frauenverachtung, Queer- und Behindertenfeindlichkeit als ganz normale Meinungen betrachtet werden. Dafür ist es sehr wichtig, dass wir nicht nur gegen etwas auf die Straße gehen, sondern für etwas: für gute Löhne und bezahlbare Mieten, für Bildung und Gesundheit für alle, kurz für eine bessere Welt, die wir nur gemeinsam schaffen.