Antikorruptionsgesetz von CDU/CSU und SPD ist nicht mehr als ein Feigenblatt

Kathrin Vogler

Seit Jahren kämpft DIE LINKE. im Bundestag dafür, Korruption im Gesundheitswesen unter Strafe zu stellen. Kathrin Vogler erklärt in Ihrer Rede vor dem Bundestag am 14. April 2016, warum DIE LINKE das längst überfällige, aber schlecht gemachte und ausgehöhlte „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ ablehnen musste, weil so nur der wirtschaftliche Wettbewerb geschützt wird, aber nicht die Patientinnen und Patienten. Zudem stellt sie die Vorschläge der LINKEN vor, wie eine effektive Bekämpfung von Schmiergeldzahlungen der Pharmakonzerne aussehen könnte und die Einflussnahme der Industrie auf das Verordnungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten unterbunden werden kann.

Rede von Kathrin Vogler, MdB (DIE LINKE) im Bundestag am 14.04.2016 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen"; BT-Drs. 18/6446, 18/8106

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ein Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist in der Tat längst überfällig. Bisher wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Es ist unerträglich, dass sich ein angestellter Arzt in einer Klinik strafbar macht, wenn er sich von einer Pharmafirma bestechen lässt, eine niedergelassene Ärztin aber nicht. Bislang ist es nicht strafbar, wenn ein Pharmaunternehmen einem Hausarzt Prämien für die gezielte Verschreibung von Medikamenten zahlt oder wenn sich eine Ohrenärztin für die Überweisung von Patienten vom Hörgeräteakustiker schmieren lässt. Das muss dringend geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Gesundheitswesen geht es ja um sehr viel Geld. Wir haben die Verantwortung, dass diese Milliarden nicht durch Korruption verschwendet werden. Aber es geht um noch etwas Wichtigeres: Korruption gefährdet die Unabhängigkeit der Heilberufe und damit das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Therapieentscheidung ihres Arztes oder ihrer Ärztin. Deswegen kämpft die Linke seit Jahren für eine Schließung dieser Lücke im Strafrecht.

(Beifall bei der LINKEN)

In der letzten Wahlperiode scheiterte das am Widerstand aus Union und FDP. Heute sind sich alle Parteien zumindest darin einig, dass Korruption im Gesundheitswesen strafbar sein soll.

(Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jau!)

Der Gesetzentwurf der Koalition allerdings leidet unter einem Geburtsfehler. Sie haben die Regelung ins Wirtschaftsstrafrecht gelegt statt etwa bei den Amtsdelikten. Damit haben Sie sich in eine Falle begeben, aus der Sie nicht mehr herauskommen. Im Ergebnis wird nun vor allem der Wettbewerb geschützt, also konkurrierende Anbieter auf dem Gesundheitsmarkt, und weniger die Patientinnen und Patienten, Herr Lange.

Im ursprünglichen Entwurf war noch ein Absatz enthalten, mit dem die Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Unabhängigkeit aufgrund von Bestechung ebenfalls unter Strafe gestellt werden sollte. Damit wären dann zumindest auch die Fälle erfasst worden, in denen überhaupt kein Wettbewerb existiert, weil es etwa für ein Produkt keine Konkurrenz gibt. Allerdings gab es kritische Stimmen, die darauf hinwiesen, dass das Berufsrecht ja von den Heilberuflern selbst festgelegt wird, und zwar auf Länderebene. Damit könnten die Ärzte selbst festlegen, welches Verhalten von Strafe bedroht ist, und zwar in Mannheim anders als in Ludwigshafen.

Um diese Bedenken auszuräumen, hat die Koalition den Absatz zu den Berufspflichten einfach gestrichen und damit aus unserer Sicht dem Gesetz seinen wesentlichen Sinn genommen, nämlich den Schutz des Vertrauens. Dies ist auch den Gesundheitspolitikern und -politikerinnen von der SPD aufgefallen. Was konnte man dazu in den letzten Tagen nicht alles für starke Sprüche lesen! Herr Lauterbach zum Beispiel

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist er denn?)

- wo ist er überhaupt? - hat bezweifelt, dass es sich überhaupt noch lohne, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden. Sie wollten nachverhandeln. Auf das Ergebnis haben wir dann ganz gespannt gewartet. Als die neue Version am Dienstagabend kam, habe ich sie wirklich Wort für Wort durchgelesen - und ich war erstaunt: Bis auf einen einzigen Satz in der Begründung hat sich gar nichts getan.

(Dr. Johannes Fechner (SPD): Genau! Aus guten Gründen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, damit können Sie nicht wirklich zufrieden sein. Das ist wirklich enttäuschend. Wenn Sie dem jetzt zustimmen, dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass der ganze Protest von Ihnen wohl nur Theaterdonner gewesen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir aber nehmen Ihre Kritik ernst, und wir nehmen sie auf. Deswegen werden wir gegen diesen Gesetzentwurf stimmen. Dabei hat die Linke ja auch konkrete Vorschläge gemacht, wie es anders hätte gehen können. Wir wollten, ähnlich wie bei den Beamten, jegliche Form von Vorteilsnahme und ‑gewährung unter Strafe stellen. Damit wäre ein viel größerer Teil von Korruption abgedeckt.

Des Weiteren bleibt noch eine ganze Liste von Aufgaben ungelöst.

Erstens. Weil sich Korruption meistens im Geheimen abspielt, sind die Staatsanwälte darauf angewiesen, dass Insider ihnen Informationen und Hinweise auf mögliche Straftaten geben. Darum werden wir weiter für einen umfassenden Schutz für Hinweisgeber streiten und diese Forderung hier auf die Tagesordnung setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Auch die Grünen haben in ihrem Entschließungsantrag sinnvolle Punkte aufgezeigt, zum Beispiel die Veröffentlichungspflicht von allen Zahlungen an die Ärztinnen und Ärzte durch die Industrie. In den USA geht das; das kann auch bei uns gehen. Das unterstützen wir.

Drittens. Auch die sogenannten Anwendungsbeobachtungen müssen wir auf die Tagesordnung setzen. Hierbei bezahlen Pharmafirmen Ärzte für angebliche Medikamentenstudien, die sehr oft keinen wissenschaftlichen Nutzen haben. Diese Zahlungen sind also Provisionen für die Verschreibung bestimmter Mittel: zulasten der Patienten und auf Kosten der Versicherten. Hier fließen jährlich bis zu 100 Millionen Euro von der Industrie in die Ärzteschaft. Erschreckend, dass die Bundesregierung in zwei Jahren Dialog mit der Pharmaindustrie dieses Thema noch nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat, nichts dazu sagt und in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage keinerlei Handlungsbedarf signalisiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier werden wir Sie weiter treiben. Versprochen.

(Beifall bei der LINKEN)