Schwarz-Gelb patzt bei Beitragsschulden-Erlass und Krankenhausfinanzierung

Rede im Bundestag

Seit Jahren fordert DIE LINKE Entlastung für säumige Beitragszahler und für die Krankenhäuser mehr Geld, besonders für Investitionen, mehr Personal und zur Refinanzierung von Lohnsteigerungen. Darum müssten wir uns freuen, dass nun endlich etwas erfolgt. Doch die Pläne von CDU/CSU und FDP sind halb-gar, unzureichend und ungerecht.

Positiv an dem Gesetz: Ein Jahr nach Bekanntwerden des Transplantationsskandals soll die Manipulation von Wartelisten strafbar werden. Diese Regelung haben alle Fraktion gemeinsam auf den Weg gebracht. Kathrin Vogler erläutert in ihrer Rede die Haltung der LINKEN.

Lesen Sie hier die gesamte Rede oder sehen Sie das Video:


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Fast 150 000 Menschen in Deutschland sind heute nicht krankenversichert, und weitere ungefähr 50 000 haben hohe Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dazu kommen noch die Privatversicherten. Das ist nicht so, weil sie nicht zahlen wollen, sondern die allermeisten dieser Menschen können sich den Versicherungsbeitrag einfach nicht leisten. Deshalb verzichten sie auf diese wichtige Absicherung.

Es waren Union und SPD, die vor Jahren gemeinsam die Krankenversicherungspflicht eingeführt und damit Hunderttausende in eine Schuldenfalle gelockt haben. Denn auch wer nicht versichert ist, ist verpflichtet, nachzuzahlen, und zwar mit Säumniszuschlägen von sagenhaften 5 Prozent im Monat, 60 Prozent im Jahr. Auf diese Problematik hat die Linke übrigens immer wieder hingewiesen. Deshalb ist es positiv, dass wir heute hier über Veränderungen reden können.

Leider ist die Lösung, die Sie von Schwarz-Gelb jetzt vorschlagen, nicht wirklich gerecht. Denn wer trotz seiner Versicherungspflicht seit 2007 nicht bei einer Krankenkasse angemeldet war, soll das jetzt ohne Säumnisgebühr und ohne Beitragsschulden nachholen dürfen. Wer sich hingegen gesetzeskonform verhalten hat, aber nicht zahlen konnte, muss gegebenenfalls über 20 000 Euro an Beiträgen und Zinsen für die letzten zehn Jahre nachzahlen. Das geht so nicht.

Jetzt argumentieren Sie, dass die bisher nicht Versicherten ja auch keine Leistungen erhalten hätten. Aber das gilt doch auch für jemanden, der sich erst Anfang dieses Jahres oder Ende letzten Jahres bei einer Krankenkasse angemeldet hat. Auch er hat von 2007 bis 2012 keine Leistungen in Anspruch genommen, muss aber dennoch für den gesamten Zeitraum nachzahlen. Gerecht geht anders.

Für die Linke ist es nicht hinnehmbar, dass Menschen medizinische Behandlungen verweigert werden, weil ihr Einkommen zu gering ist. Aber genau das bleibt weiterhin der Fall für die Privatversicherten mit Zahlungsschwierigkeiten. Für diese Menschen schaffen Sie jetzt einen Notlagentarif für etwa 100 Euro im Monat mit minimalen Leistungen. Diese Menschen haben dann nur noch Anspruch auf Akutbehandlungen bei Schmerzen und auf Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt.

Dazu kommt: Diese Menschen werden leider auch kaum eine Chance haben, jemals wieder in einen regulären Tarif zu wechseln. Denn im Notlagentarif werden keine Altersrückstellungen gebildet, sondern verbraucht. Das bedeutet, dass die regulären Prämien mit dem Alter schlicht immer unbezahlbarer werden. Schwarz-Gelb schützt damit lieber wieder die Versicherungskonzerne ‑ die so eine Menge Außenstände aus ihren Bilanzen streichen können ‑ als die Versicherten.

Unsere Alternative lautet: die PKV als Vollversicherung abschaffen.

Wenn Sie - damit spreche ich direkt den Kollegen Lauterbach an - unserem Antrag heute zustimmen, dann braucht es keine solch komplizierten Sonderregelungen.

Wenn alle solidarisch gesetzlich versichert sind, haben alle einen bezahlbaren umfassenden Krankenversicherungsschutz.

Nun zu den Krankenhäusern. Sie haben die Mittel für die Krankenhäuser 2010 um rund 1,4 Milliarden Euro gekürzt. Jetzt sollen sie 1,1 Milliarden Euro davon zurückbekommen. Das ist doch, als würde man sich heftig aufs Knie hämmern und sich dann freuen, wenn der Schmerz nachlässt.

Den real existierenden Pflegenotstand werden Sie damit nicht beheben; diese Erhöhung ist nämlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Diesen Teilen des Gesetzentwurfs können wir also nicht zustimmen. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über das Gesamtpaket enthalten.

Den Antrag der SPD unterstützen wir.

Jetzt aber zu dem Teil des Gesetzentwurfs, der unsere Zustimmung erhält. Vorgestern ist es uns in einer gemeinsamen Bemühung aller Fraktionen gelungen, erste Änderungen am Transplantationsgesetz zu vereinbaren. Vor einem Jahr wurden die Manipulationen an den Wartelisten für Lebertransplantationen bekannt; doch noch immer gehen viele Staatsanwälte und Operateure davon aus, dass eine solche Manipulation lediglich eine schriftliche Lüge sei und damit nicht strafbar. Mit der nun vorliegenden Gesetzesänderung wird klar: Eine Manipulation von Patientendaten mit der Absicht, die Warteliste zu beeinflussen, ist künftig auf jeden Fall strafbar.

Das ist ein gutes Ergebnis der intensiven Beratungen unter den Fraktionen und mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen des Gesundheitsausschusses und beim Bundesgesundheitsministerium, namentlich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin Widmann-Mauz. Ich freue mich wirklich, dass diese Gesetzesänderung hier gemeinsam auf den Weg gebracht werden kann. Wir setzen damit ein deutliches Zeichen für mehr Transparenz und Kontrolle in diesem sensiblen Bereich.

Über weitere Schritte auf diesem Weg werden wir in der übernächsten Woche noch diskutieren. Ich bin sicher, dieses Thema wird uns auch in der nächsten Wahlperiode beschäftigen.

Ich bedanke mich.