Kathrin Vogler: Friedliche, gerechte und sichere Zukunft für Mali und die Sahelregion geht nur ohne Militär

Kathrin Vogler

21.03.2018 - Der Deutsche Bundestag debattiert in erster Lesung die Verlängerung des Bundeswehrmandats in Mali um ein weiteres Jahr. Offiziell heißt es, das Ziel der Mission sei „die Schaffung einer stabilen Sicherheitslage in Mali mit positiven Auswirkungen für die gesamte Sahelregion.“ In Wirklichkeit ist die Bundeswehr dort aktiver Teil der EU-Abwehr gegen Flüchtlinge - Menschen, die aus Kriegen fliehen, für die auch Deutschland die Waffen liefert. Mali braucht eine friedliche, gerechte und sichere Perspektive, aber das geht nur ohne Militär!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Die Bundesregierung beantragt heute, das Mandat für den Bundeswehreinsatz in Mali zu verlängern und aufzustocken. Mali gilt als gefährlichster unter den 16 Auslandseinsätzen. Auch wir trauern um die zwei Männer, die im letzten Jahr bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen sind.

Demnächst sollen nach dem Willen der Bundesregierung in Mali bis zu 1 100 Soldaten und Soldatinnen stationiert werden. Weil wir hier im Bundestag verantwortlich sind, diesen Einsatz zu beschließen, sollten wir uns, wie ich finde, einigen kritischen Fragen stellen. Was macht denn die Bundeswehr eigentlich in Mali?

In aller Kürze kann man sagen, dass die Mission MINUSMA das Chaos eindämmen soll, das die NATO mit ihrem militärischen Eingreifen in Libyen 2011 ausgelöst hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Damals war nach dem Sturz des libyschen Diktators Gaddafi die Sahelregion quasi mit Waffen und versprengten Milizen aus Libyen geflutet worden. Auch militante Islamisten breiteten sich aus, besonders im Norden Malis, und schließlich gab es eine brutale Militärintervention der früheren Kolonialmacht Frankreich. Man muss schon einmal sagen: Das geschah nicht nur aus Verbundenheit mit Mali, sondern auch aus Sorge um den Zugang zu den Uranminen im benachbarten Niger, die das Atomprogramm Frankreichs speisen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das unterstellen Sie!)

Wir sehen hier einen Dominoeffekt: Der Westen greift irgendwo militärisch ein, um ein unliebsames Regime zu beseitigen, und wie die Dominosteine in einer langen Reihe fallen, so breiten sich der Konflikt, die Waffen, die Milizen und die Islamisten in der ganzen Region aus.

Wie es jetzt gelingen soll, die Probleme, die durch den Einsatz eines falschen Mittels geschaffen wurden, durch noch mehr von demselben Mittel zu beseitigen, erschließt sich uns von der Linken nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die aktuelle Entwicklung – die Konflikte sind keineswegs mehr auf den Norden beschränkt, vielmehr kommt es immer häufiger auch in Zentralmali zu Anschlägen und Kämpfen – zeugt doch nicht gerade von der Wirksamkeit dieser militärischen Mittel. Eines sage ich Ihnen: Solange die Mehrheit der Bevölkerung in Armut und Perspektivlosigkeit leben muss, solange es keine wirklichen Fortschritte im politischen Friedensprozess gibt, werden auch noch so starke und noch so gut ausgerüstete Militärmissionen den Sahel nicht nachhaltig stabilisieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Möglicherweise werden Sie noch ein paar weitere Dominosteine umwerfen, ohne zu wissen, wie viele andere damit auch umgeworfen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gerne, Herr Kollege.

Herr Präsident! Frau Kollegin Vogler, Sie gestatten, dass ich nachfrage, ob ich Sie richtig verstanden habe: Die Franzosen haben ja in Mali eingegriffen, weil man verhindern wollte, dass Islamisten und Rebellen vor Ort diesen Staat übernehmen können. Dieser Einsatz hat nicht, wie Sie gerade angedeutet haben, zu einer Destabilisierung des Staates geführt. Der Eingriff und der folgende Bundeswehreinsatz dienten ja gerade dazu, die malische Regierung zu stabilisieren. Das wurde bei Ihnen nicht deutlich.

Herr Kollege, da haben Sie mich offensichtlich falsch verstanden oder hinsichtlich der Reihenfolge nicht genau aufgepasst. Ich habe gesagt: Auslöser war der Sturz Gaddafis in Libyen, verbunden mit einer Militärintervention des Westens. Dies hat dazu geführt hat, dass sich die versprengten Truppenteile mit Stämmen der Tuareg verbündet haben. Sie sind mit den ganzen schweren Waffen, mit denen sie ausgerüstet waren, nach Mali geflohen, weil sie aus Libyen verdrängt worden sind. Das war der erste Dominostein, der gefallen ist. Dieser Dominostein hat dann die Krise im Norden Malis ausgelöst. Dann haben die Franzosen interveniert. Das hat dann weitere Dominosteine zum Umfallen gebracht. Das können wir heute in Zentralmali und in den Nachbarländern beobachten. Ich sehe nicht, dass die Bundesregierung eine Antwort auf diese Krise, auf diese Fragen, auf diese Entwicklung hat. Im Grunde laufen wir der Entwicklung immer nur hinterher. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Grunde kennt auch die Bundesregierung den Dominosteineffekt. Sie verweist in ihrer Mandatsbegründung auch auf Maßnahmen der humanitären Hilfe, der Konfliktbearbeitung, der Stabilisierung und der Entwicklungszusammenarbeit, die sie in Mali ebenfalls unterstützt. Aber so gut das alles auch ist – einige der Projekte finden wir richtig überzeugend –: Die Maßnahmen der Krisenprävention und Stabilisierung fördert die Bundesregierung mit 27 Millionen Euro, während der Bundeswehreinsatz das Zehnfache kostet.

Es gibt natürlich auch nicht nur edle Motive für einen so großen, gefährlichen und teuren Militäreinsatz. Er ist für Deutschland und Frankreich auch das Testfeld für die Militarisierung der EU, auf die sowohl Merkel als auch Macron drängen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Was für eine Verschwörung!)

Das bedeutet weitere Aufrüstung. Dazu sagen wir als Linke ganz klar Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Investieren Sie die vielen Hundert Millionen Euro besser darin, allen Menschen auf diesem Planeten ein lebenswürdiges Leben und eine Perspektive für sich und ihre Familien zu geben. Bekämpfen Sie nicht die Flüchtenden – was ja dieser Militäreinsatz auch tut –, sondern die Ursachen, die die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Damit täten Sie nicht nur etwas für Stabilität und auch nicht nur in Mali, sondern Sie täten auch etwas für den Frieden.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Da haben Sie aber was durcheinandergebracht!)

Holen Sie, Frau von der Leyen, die Soldaten aus diesem gefährlichen Einsatz zurück!

(Beifall bei der LINKEN)