Liebe Leserin, lieber Leser,
was für ein Jahr, das da zuende geht! Für mich war es turbulent und traurig, angespannt und aufregend in vielerlei Hinsicht. Das fing schon an im Januar, als ich die Räumung von Lützerath als parlamentarische Beobachterin begleiten durfte. Zu Beginn eines Jahres, das wieder mal als das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung in die Geschichte eingehen würde, machte die schwarz-grüne Koalition in NRW den Weg frei für den Kohlenbagger von RWE, damit der Konzern mehr Kohle fördern darf, als vernünftigerweise noch verbrannt werden dürfte.
Und es endete mit einer Regierungskrise in Berlin, ausgelöst durch die fatale Schuldenbremse im Grundgesetz, die wir Linken von Anfang an als Zukunftsbremse und Privatisierungsturbo kritisiert haben. Nun hat die Bundesregierung sich verständigt: auf weitere Kürzungen und Verbrauchssteuern, die vor allem die normal und gering Verdienenden belasten werden. Obwohl ich schon so lange Abgeordnete bin, schaue ich mit zunehmendem Entsetzen auf die Arroganz und die ideologische Verbohrtheit des Politikbetriebs gegenüber den Bedürfnissen der arbeitenden Menschen, der Rentner:innen und Erwerbslosen. Um 500 Euro mehr wird die vierköpfige Durchschnittsfamilie im kommenden Jahr zur Kasse gebeten und Multimilliardäre werden weiter gepampert. Da fehlt mir die weihnachtliche Milde und Gelassenheit komplett.
Zwischen diesen Ereignissen lagen noch viele andere, die erwähnenswert wären, aber ich will nur noch einmal kurz auf eines eingehen, um auch dieses Kapitel mit der Jahreswende abschließen zu können.
In dieser Sitzungswoche musste ich zum ersten Mal die Erfahrung machen, dem Bundestag als fraktionslose Abgeordnete anzugehören. Die Linksfraktion, der ich seit 2009 angehört habe, musste sich auflösen, nachdem zehn MdB unsere Partei verlassen haben.
Nun sind Trennungen im eigentlichen Sinne nie schön. Was aber sehr schön war, war die große Solidarität, die ich in dieser schwierigen Zeit von vielen Weggefährten:innen und auch von Menschen erleben durfte, die ich gar nicht so gut kenne. Ich wurde gefragt, ob ich denn jetzt noch Abgeordnete bin (ja!), ob wir denn als Linke jetzt weiter wirksam sein können (ja!) und ob es mir trotz der Verluste gut geht (auch ja, muss). Sogar nach meinen Rentenansprüchen wurde ich gefragt, aber da konnte ich nur sagen: Wenn die Linke schwach ist, dann muss man sich nicht um die Rentenansprüche von ein paar Abgeordneten sorgen, sondern um die Renten von Millionen arbeitender Menschen. Denn immerhin haben wir im Bundestag die anderen Parteien immer wieder herausgefordert für Verbesserungen für heutige und künftige Rentner:innen zu sorgen. Wir wären gerne stärker, um noch mehr herauszuholen zu können, aber einiges ist uns da schon gelungen, ob bei der Erwerbsminderungsrente oder bei den Doppelverbeitragungen und sehr viel davon verdanken wir der beharrlichen, kompetenten und engagierten Arbeit unseres Rentenexperten Matthias W. Birkwald.
Ich bin froh, dass er seine Expertise mit in unsere Gruppe Die Linke einbringen wird, die wir gegründet haben und die hoffentlich bald auch die offizielle Anerkennung des Bundestages bekommen wird. So lange bleiben wir fraktionslos, aber nicht kraftlos.
In diesem Jahr musste ich auch Abschied nehmen von mehreren Menschen, die mein Leben und meinen politischen Weg begleitet haben, einige länger, andere kürzer.
Zwei möchte ich gerne besonders erwähnen: Da wäre zunächst mein Freund, Mentor und Skatbruder Axel Troost, der im Januar 2023 nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben ist. Axel, der ganze Generationen von Linken und Gewerkschafter:innen dem unterzogen hat, was er „ökonomische Alphabetisierung“ nannte, war übrigens auch derjenige, dem wir die Ausnahmeregelung bei der Schuldenbremse zu verdanken haben, die sich gerade in der Corona-Pandemie bewährt hat. Er wäre sicher entsetzt zu erfahren, dass sie von der Ampelkoalition nun zur Kriegsfinanzierung genutzt werden soll.
Der andere Genosse, den wir verloren haben, ist Heinz Hillebrand, der in NRW ganz maßgeblich am Aufbau der WASG und später der Linken beteiligt war. Ohne Heinz wäre ich nie auf die Idee gekommen, für den Bundestag zu kandidieren. Er war ein Lehrer und ein Förderer, der vielen Menschen geholfen hat, ihr politisches Potenzial zu entwickeln. In einer Zeit, in der so viele neue Menschen in unsere Partei kommen, könnten wir seinen Rat und seine Erfahrungen in der Bildungsarbeit sehr gut gebrauchen.
Ich bin dankbar, sie gekannt zu haben und traurig, dass wir sie verloren haben.
Um aber nicht nur mit Wut, Ärger und Trauer zu schließen, will ich auch noch etwas Positives über 2023 sagen: Es war ein Jahr, das mich herausgefordert und hart an meine Grenzen geführt hat, aber auch eines, in dem ich immer wieder aufgefangen wurde. Durch meine Familie, meine Freund:innen, meine Genoss:innen und manchmal auch einfach durch die große Herzenswärme irgendeiner unbekannten Person. Und das ist es, was ich euch für 2024 wünsche, weil ihr es brauchen werdet: Herzenswärme in euch selbst und um euch herum.
Bleibt empfindsam für eure Bedürfnisse und für die eurer Mitmenschen, dann könnt ihr fast jede Widrigkeit überwinden. Ich wünsche euch ein paar schöne Feiertage, am besten mit lieben Menschen und einen sicheren und erfreulichen Rutsch ins neue Jahr!
Mit solidarische Grüßen
Eure Kathrin
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