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Liebe Leserin, Lieber Leser, Wir leben in verrückten Zeiten. Eine selbsternannte „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP liefert Waffen nach Saudi-Arabien, lässt Atomkraftwerke länger laufen und Lützerath abbaggern und räumt nach und nach nicht nur ihre Wahlversprechen, sondern sogar die Vereinbarungen aus dem eigenen Koalitionsvertrag ab, während die Menschen im Land in Angst erstarren vor Inflation, Arbeitsplatzverlust und sogar vor der Ausweitung des russischen Angriffskriegs. Die Union sucht nach einem Jahr noch immer ihre Rolle in der Opposition: Will man DIE LINKE links überholen etwa mit Vorschlägen zur Entlastung der Krankenversicherten oder die rechte Erzählung vom „Sozialtourismus“ nachplappern und Stimmung gegen Kriegsflüchlinge aus der Ukraine machen? Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Sepp Müller, der in der Presse den wegweisenden Vorschlag machte, die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung anzuheben, wurde rasch wieder zurückgepfiffen. Aber wenigstens ruderte auch Friedrich Merz zurück, wissend, dass das alte Motto lautet: „Irgendwas bleibt immer hängen.“
Viele Bürger*innen haben nur noch wenig Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Politik. Vor allem in Ostdeutschland zweifeln sogar viele an der parlamentarischen Demokratie als solcher.
Und die Zweifel sind ja berechtigt. Erleben wir nicht seit langem, dass diejenigen, die über wirtschaftliche Macht verfügen, ihre Interessen viel besser durchsetzen können, als diejenigen, die jeden Tag schwer arbeiten müssen, um das Land am Laufen zu halten und sich und ihre Familien zu ernähren? Nehmen wir mal das Beispiel Krankenkassenfinanzierung: Da haben im Gesetzgebungsverfahren die Lobbyisten der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie Änderungen zugunsten ihrer Klientel durchsetzen können, während die gesetzlich Versicherten letzten Endes den größten Teil der Finanzlücke stopfen müssen: durch höhere Beiträge, Verbrauch von Rücklagen und ein Zwangsdarlehen aus der Steuerkasse, das weitere Beitragserhöhungen in der Zukunft vorprogrammiert. Die Finanzmisere der Krankenkassen wird aber nicht nur zu höheren Beiträgen führen, sondern auch die Genehmigungspraxis von Krankenkassen zu Lasten der Patient*innen beeinflussen. Wenn die Liquidität sinkt, steigt der Druck auf die Kassen, eigentlich nötige Leistungen wie Hilfsmittel oder Reha möglichst lange nicht zu bewilligen. Dass das in vielen Fällen auch wirtschaftlich kurzsichtig ist, weil es dazu führt, dass sich Krankheiten verschlimmern oder chronisch werden, wird ausgeblendet.
Ich habe wirklich den Eindruck, dass die Gesundheitspolitik in diesem Land federführend im Finanzministerium von Christian Lindner und, in Sachen Corona, vom FDP-geführten Justizministerium gemacht wird und das ist eine Katastrophe.
Apropos Corona: Die Lage spitzt sich zu, Lauterbach wiederholt das Mantra „wir sind gut vorbereitet“, dabei klappen die ersten Krankenhäuser schon wieder die Zufahrt für Krankentransporter zu und viele Beschäftigte in Betrieben und Verwaltungen schieben Überstunden, weil ein erheblicher Teil der Belegschaft an COVID19 erkrankt ist. Grund dafür ist die Milchmädchenrechnung, dass die Omikron-Varianten des Virus’ ja nicht so schlimm seien, weil sie im Durchschnitt weniger dramatische und letztlich intensivpflichtige Erkrankungsfälle produzieren und man deswegen im öffentlichen Raum jetzt auf Vorsichtsmaßnahmen wie Masken und Abstand verzichten könnte. Diese Rechnung geht aber nicht auf, weil die neuen Varianten zugleich auch viel ansteckender sind und die Immunität durch Impfungen oder Infektionen viel leichter umgehen können. So werden die Vorteile der leichteren Krankheitsverläufe durch eine viel größere Zahl von Infektionen und Erkrankungen mehr als zunichte gemacht. Und die Bundesregierung hat mit der letzten Änderung des Infektionsschutzgesetzes da nahezu alle Einflussmöglichkeiten aufgegeben und den schwarzen Peter an die Länder weitergereicht. So sind wir keineswegs „gut vorbereitet“. Ich weiß, dass es gar nicht so einfach ist, sich individuell zu schützen. Das mit der „Eigenverantwortung“ funktioniert eben nicht, weil wir uns als soziale Wesen immer an dem orientieren, was die anderen machen, selbst wenn wir bei rationaler Abwägung aller Argumente es eigentlich anders machen würden. Ich merke das ja an mir. Es fühlt sich seltsam an, als Einzige in geschlossenen Räumen mit vielen Personen weiter Masken zu tragen. Mein Kopf muss dann den emotionalen Widerstand überwinden, der mich dazu bringen will, möglichst nicht aufzufallen und mich der angenommenen Schwarmintelligenz zu überlassen. Wenn es denn schon keine Regeln gibt, dann wären zumindest klare Empfehlungen und eine Informationskampagne über die Wirkung von nicht-pharmakologischen Mitteln zur Infektionsvorbeugung sinnvoll. Aber für solche Aufklärungsarbeit hat die Ampel kein Geld im Haushalt 2023 bereitgestellt. Mir bleibt an dieser Stelle nur, euch einen in jeder Hinsicht milden Herbst und Winter zu wünschen und weiter dafür zu streiten, dass Gesundheitspolitik nicht mehr nach Kassenlage und im Interesse von privaten Investoren gemacht wird, sondern sich am Interesse der Menschen an Gesunderhaltung, Vorsorge und guter, wohnortnaher Versorgung orientiert. Bleibt massig viel zu tun. Solidarische Grüße Eure Kathrin
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