Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlich Willkommen zu meinem Newsletter. Ich könnte jetzt eine Menge schreiben zum Rechtsruck in diesem Land, zu den interessanten Austritten aus Bündnis 90/Die Grünen, zu Friedrich Merz oder Olaf Scholz oder Robert Habeck … aber ich denke, diese Themen werden gerade andernorts fleißig durchgehechelt und deswegen möchte ich euch heute ein bisschen fachpolitisch auf den Stand bringen.
Fleißig ist sie ja, die Ampel und da auch insbesondere das Gesundheitsministerium. Wir hatten diese Woche die 121. Sitzung des Gesundheitsausschusses, inklusive aller Anhörungen und Sondersitzungen, seit der Bundestagswahl. Und schlaue Menschen haben ausgerechnet, dass wir ab sofort in jeder Sitzungswoche eineinhalb Gesetze beraten müssen, um bis zur Bundestagswahl noch alles fertig zu bekommen, was Karl Lauterbach noch in der Pipeline hat. Dass wir einen Reformstau im Gesundheitswesen haben, stelle ich überhaupt nicht in Abrede. Aber Karl Lauterbach macht eine Reform nach der anderen, ohne die wirklichen Probleme im Gesundheitswesen anzugehen: Personalmangel, Zwei-Klassen-Medizin und Profitorientierung – all das hat der Minister, der als „linker Sozialdemokrat“ gelesen wird, nicht angepackt. Stattdessen eine kleinteilige Reform nach der nächsten, die alle eine große Gemeinsamkeit haben: bezahlen sollen sie ausschließlich oder fast ausschließlich die gesetzlich Versicherten. Großverdiener, Beamte oder Selbstständige, die privat versichert sind, sind fein raus. Nur die Arbeiter:innen, Angestellten und Rentner:innen, die in der gesetzlichen Pflichtversicherung sind, werden zur Kasse gebeten. Ob Pharmaförderung oder Krankenhausreform – alles sollen AOK, BKK, IKK, Ersatzkassen und Knappschaft beziehungsweise deren Versicherte blechen und auch deswegen explodieren die Beiträge für unsere Krankenkassen.
Das ist übrigens keine Spezialität von Herrn Lauterbach. Seit ich im Bundestag bin, hat jede Bundesregierung vorzugsweise staatliche Aufgaben aus den Versichertengeldern finanziert. Kein Wunder, dass die Beiträge pro Versichertem in der GKV seit 2005 um 4 % gestiegen sind, in der PKV hingegen nur um 3,1 %. Dazu kommt, dass wohlhabende Menschen, wie es privat Versicherte häufig sind, länger gesund bleiben und weniger chronische Krankheiten entwickeln als Ärmere. Das ist wissenschaftlich gut belegt. Was wir also erleben, ist eine drastische Umverteilung von unten nach oben bei der Finanzierung des Gesundheitswesens.
Und nun kommt auch noch Herr Lindner dazu und blockiert in der Ampel die reguläre Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen. Das heißt: die Einkommenssteigerungen in der obersten Einkommensgruppe sollen ein weiteres Jahr nicht auf die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung angerechnet werden. Da allerdings neben Lauterbachs Reformen auch die Kosten im Gesundheitswesen weiter steigen, heißt das, dass die Beitragssätze steigen müssen und das geht vor allem zu Lasten der Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Gleichzeitig machen viele Menschen die Erfahrung, dass es immer schwieriger wird, im Gesundheitssystem wirklich zeit- und wohnortnahe Behandlungen zu bekommen. Fachärzt:innen und Psychotherapeut:innen haben dermaßen epische Wartezeiten, dass manche Patient:innen schon aufgeben, bevor sie überhaupt eine Praxis gefunden haben. Das erzeugt aber nicht nur unnötiges Leid, sondern langfristig auch zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten.
Gleichzeitig klagen Kliniken, Apotheken und Arztpraxen über zeit- und motivationsfressende Bürokratie und Krankenkassen, die bei jedem noch so kleinen Formfehler Gelder zurückfordern – kein Wunder, denn angesichts des Beitragswettbewerbs sind die Kassen ja gehalten, keinen Cent auszugeben, den sie irgendwie vermeiden können. Und so sammeln Menschen auf Spendenplattformen im Internet Geld – für dringend benötigte Rollstühle, Inkontinenzhilfen oder Behandlungen, die ihnen die Kasse nicht zahlen will.
Ich glaube, es ist höchste Zeit, unser Gesundheitswesen wieder von einem Markt in eine Gemeinwohlaufgabe umzuwandeln und allen Beteiligten den Spielraum zu geben, den sie brauchen, um Menschen optimal zu helfen. Menschen sind keine Crashtest-Dummies und keine Abrechnungsziffern. Und zwar auf jeder Seite des Praxistresens. Menschlichkeit braucht Zeit und Vertrauen. Geben wir es ihnen!
Solidarische Grüße
Eure Kathrin
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