Liebe Leserin, lieber Leser,
ich bin ja viel unterwegs, meistens mit Bus und Bahn. Und mehr und mehr fällt mir auf, wie heruntergekommen unsere Bahninfrastruktur ist. Man kann die Durchsagen ja schon fast auswendig: „Wegen eines Schadens an der Lok“, „Verspätung eines vorausfahrenden Zuges“, „Signalstörung“, „Türstörung“, „Weichenstörung“, „Warten auf Lokführer“, „fällt heute aus“, „wir bitten um Verständnis“.
Manche Zugführer:innen bemühen sich, die Fahrgäste mit witzigen, manchmal sarkastischen Sprüchen aufzumuntern, während diese verzweifelt in der Bahn-App nach einer Alternative für ihren nächsten Anschlusszug suchen.
Aber es ist kein Witz: Mit diesem heruntergefahrenen Betrieb ist keine Verkehrswende zu machen. Wie seine Vorgänger ist auch der aktuelle Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein Automobil-Minister, keiner für diejenigen, die jeden Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren. Der Streckenausbau stockt, die Wartung ist ungenügend und das Personal überlastet. So, dass ein flächendeckender Verkehrsstreik von den meisten Reisenden eher achselzuckend hingenommen wird: „Wenn alles ausfällt, dann weiß ich wenigstens vorher Bescheid.“
Das 49-Euro-Ticket ist für Viele unerschwinglich und dadurch, dass es nur im digitalen Abo erhältlich ist, für Manche schwer zugänglich. Der Deutschland-Takt ist auf 2070(!) verschoben. Da werden die allermeisten von uns nicht mehr in der Lage sein, Zug zu fahren.
Wie gut, dass sich DIE LINKE in NRW auf dem Landesparteitag eine ambitionierte Verkehrswende nach links vorgenommen hat: Mit radikalem Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr und klaren sozialen Leitplanken, damit Mobilität für alle verfügbar und bezahlbar wird.
Wenn all jene, die sich heute über die Klebe-Aktionen der Letzten Generation ereifern, sich nur halb so engagiert für einen barrierefreien, bezahlbaren und gut getakteten ÖPNV einsetzen würden, dann hätten wir auch gute Chancen, in diesem Bereich voranzukommen. Das bedeutet auch neue Arbeitsplätze etwa im Fahrzeug- und Schienenbau, für Busfahrer:innen und Lokführer:innen usw.
Dass diese gut bezahlt und tariflich abgesichert sein müssen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Deswegen hatten wir auf unserem Parteitag nicht nur den Verkehrsexperten Winfried Wolf und eine Vertreterin der Letzten Generation zu Gast, sondern auch einen Kollegen von der Eisenbahner-Gewerkschaft EVG. Von den Tarifverhandlungen mit der DB AG hatte er leider noch keine Erfolge zu vermelden, was für uns alle heißt, dass wir uns wieder auf Streiks bei der Bahn einstellen müssen. 12% für die Beschäftigten, das ist zu viel für einen Bahnchef, dessen eigenes Gehalt mal eben um 112% erhöht wurde - in Worten: Einhundertzwölf!
Auch wenn es im Alltag nervt: streikende Beschäftigte brauchen unsere Solidarität.
Und wenn ihr mich fragt: gegen eine Bundesregierung, die ihre eigenen, international vereinbarten und gesetzlich verankerten Klimaziele im Verkehrsbereich nicht mal ansatzweise umsetzt, ist auch ziviler Ungehorsam gerechtfertigt. Auch, wenn man über die konkreten Aktionsformen immer diskutieren kann: Wie die Aktivist:innen der Letzten Generation in Medien und Politik inzwischen als „Kriminelle“ oder „Terroristen“ gebrandmarkt werden, ist brandgefährlich. Mich erinnert das an die BILD-Kampagne gegen Rudi Dutschke und da wissen wir, wie das endete.
Protest, der nicht nervt, bewirkt meistens wenig. Das gilt auch für gewerkschaftliche Aktionen und Streiks. Schon melden sich die ersten Politiker zu Wort, die eine Einschränkung des Strekrechts für Beschäftigte im öffentlichen Dienst fordern. Da sage ich ganz klar: Wehret den Anfängen!
Euch allen, wo immer ihr hinwollt, eine gute Fahrt und sicheres Ankommen!
Solidarische Grüße
Eure Kathrin
|