Newsletter MdB Kathrin Vogler
Februar 2023 | Nr. 119

 

Inhaltsverzeichnis

 
  1. Aktuelles
  2. Gesundheitspolitik und mehr
  3. Queeres
  4. NRW vor Ort
  5. Termine

Editorial

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Si vis pacem - para bellum. Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor. Dieses alte römische Sprichwort, das Cicero in seiner 7. Philippika benutzte, um den römischen Senat zum Krieg gegen Markus Antonius zu motivieren, wird heute leider wieder als brauchbare Grundlage der Außenpolitik betrachtet. Kritische Stimmen, die nach dem Sinn von Aufrüstung und Waffenlieferungen fragen und stattdessen mehr Anstrengungen auf dem Feld der Diplomatie einfordern, gelten bestenfalls als naiv, im schlimmsten Fall aber als fünfte Kolonne Putins, als Verräter an der gerechten Sache der Ukrainer oder gar des gesamten „Westens“. Man muss die Frage aber umdrehen: Sind nicht eher diejenigen naiv, die glauben, dass die Ukraine ohne direkte militärische Unterstützung durch NATO-Truppen diesen Stellungs- und Abnutzungskrieg am Ende militärisch gewinnen, vielleicht sogar Russland besiegen kann? Ist es nicht fürchterlich naiv, davon auszugehen, dass eine direkte Beteiligung am Krieg um die Ukraine nicht zu einer Ausweitung der Kriegshandlungen führen würde, wo immerhin fast täglich im russischen Fernsehen darüber diskutiert wird, wie lange es brauchen würde, um Berlin einzunehmen? Ist es nicht naiv zu erwarten, dass die EU- und NATO-Staaten willens und in der Lage sein werden, über Jahre hinweg die finanzielle, politische, logistische und waffentechnische Unterstützung der Ukraine auf dem heutigen Niveau durchzuhalten oder gar auszuweiten - möglicherweise unter Gefährdung ihrer eigenen Fähigkeiten und auf Kosten ihrer Steuerzahlenden?

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor über einem Jahr sind schon hunderttausende Menschen getötet oder verkrüppelt worden, 8 Millionen Ukrainer*innen wurden vertrieben, Hunderte ukrainischer Kinder nach Russland entführt. Männliche Ukrainer unter 60 Jahren dürfen das Land nicht mehr verlassen, in Russland wird die Zwangsrekrutierung von Studenten für den Krieg in Erwägung gezogen - was bei der derzeitigen Todesrate unter den Soldaten ein weiteres intellektuelles Ausbluten bedeutete. Hunderttausende, meist besser Ausgebildete,  haben Russland bereits verlassen und sitzen ohne sicheren Aufenthalt in Nachbarländern fest. Die versprochene Unterstützung für russische Deserteure und Anti-Kriegs-Aktivist*innen ist die Bundesregierung bisher schuldig geblieben. Humanitäre Visa sind die absolute Ausnahme.

Als Pazifistin finde ich mich in einer Situation, die ein schweres Dilemma mit sich bringt. Egal, was man tut oder unterlässt, man übernimmt damit die Verantwortung für die möglichen Folgen, obwohl man die Folgen nur sehr begrenzt absehen kann. Mich macht besorgt, wie manche Politiker*innen (insbesondere von FDP und Grünen) und manche Journalist*innen das Waffenliefern quasi zum Leistungssport erhoben haben. Im neckischen Leopardentop lässt es sich im warmen und trockenen Abgeordnetenbüro hervorragend feiern, dass jetzt auch Leo-2-Kampfpanzer in die Ukraine rollen sollen. Aber selbst da tun sich Fragen auf. Rheinmetall-Chef Armin Papperger behauptet, die Ukraine brauche noch 600 bis 800 Panzer, um den Krieg zu gewinnen. Er will in dem Land jetzt eine Panzerfabrik aufbauen, die frühestens ab 2025 jährlich bis zu 400 Kampfpanzer vom Typ Panter produzieren könnte. Der strategisch denkende Unternehmensboss geht also davon aus, dass auch in drei Jahren noch hinreichend Bedarf besteht - und auch, dass dann noch genügend Menschen übrig sind, die diese Panzer bedienen können.

Fast zeitgleich mit dem Aufstieg der Düsseldorfer Waffenschmiede in den DAX hat Jürgen Grässlin von der „Aktion Aufschrei - stoppt den Waffenhandel“ Strafanzeigen gegen Verantwortliche des Konzerns gestellt, denen er unerlaubte Waffenlieferungen in die am Jemenkrieg beteiligten Vereinigten Arabischen Emirate vorwirft.

Wie schrieb noch der olle Marx: „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren.“ Das gilt heute noch ebenso wie im 19. Jahrhundert.

Ganz gleich, wer den Krieg in der Ukraine gewinnen wird - ein Gewinner steht schon heute fest: die Rüstungsindustrie, die nicht nur einen gigantischen neuen Absatzmarkt bekommt, sondern auch die Chance, neue Produkte wie den Panter unter realistischen Bedingungen zu erproben und zu bewerben. Und auch einige Verlierer sind schon erkennbar: neben all dem Toten, Verletzten und Vertriebenen sind alle Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle, um gemeinsame Sicherheit und eine Stärkung des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen auf der Strecke geblieben.

Wenn Solidarität mit dem angegriffenen und bombardierten Volk der Ukraine nur noch denen abgenommen wird, die maximale „Ertüchtigung“ zur Kriegsführung fordern und diejenigen, die mehr Anstrengungen auf diplomatischem Gebiet fordern, als Verräter*innen an der gerechten ukrainischen Sache dargestellt werden, kriegen wir ein gesellschaftliches Problem. Ich muss mich dem Dilemma stellen, dass das, was ich für richtig halte, nämlich Diplomatie statt Waffen, vielleicht Menschenleben rettet um den Preis, dass ein autoritär regiertes und imperialistisch agierendes Russland seinen Machtbereich ausweitet und Menschen in der Ukraine ihre Freiheit verlieren. Ehrlicherweise kann ich nicht so tun, als gäbe es diese Gefahr nicht. Ich würde mir wünschen, dass auch diejenigen, die für mehr Waffenlieferungen argumentieren und behaupten, Verhandlungen mit der russischen Seite wären nicht möglich, zumindest anerkennen, dass sie damit den Krieg verlängern und am Ende vielleicht viele Opfer in Kauf nehmen, die nicht hätten sterben müssen, wenn man eine andere Politik verfolgt hätte.

Was mich ebenfalls verstört, ist die wiederholte Gleichsetzung von Putin und Hitler. Nicht, dass Russlands Innenpolitik nicht Züge einer zunehmend faschistischen Autokratie tragen würde. Aber mein Eindruck ist, dass diese Gleichsetzung nicht nur zur Beförderung der Kriegsbegeisterung hierzulande dienen soll, sondern auch immer Züge der Reinwaschung von der eigenen historischen Schuld trägt. Wenn Putin wie Hitler ist, dann kann Deutschland ja endlich ein „ganz normales“ Land werden, wieder Großmachtansprüche anmelden und gegebenenfalls auch militärisch durchsetzen. Wer Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem Vernichtungskrieg der Naziwehrmacht gegen Völker Osteuropas gleichsetzt ist, der relativiert zugleich das Menschheitsverbrechen der Vernichtung der europäischen Juden, Sinti und Roma und anderen Minderheiten. Wir kennen all diese Argumente aus früheren Angriffskriegen. Der irakische Diktator Saddam Hussein, Libyiens Gaddafi, Slobodan Milosevic - alle wurden von der  Kriegspropaganda zu neuen Hitlers gemacht, ebenso wie die russische Kriegspropaganda damit operiert, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen. Genau betrachtet ist das jedesmal eine schändliche Verharmlosung des deutschen Faschismus - ganz abgesehen davon, dass gerade Putin nationalistische und rechtsextreme Parteien in ganz Europa hofiert und finanziert.

Wir brauchen eine ernsthafte Debatte darüber, wie dieser Krieg schnellstmöglich beendet werden kann. Vorschläge wie der des brasilianischen Präsidenten Lula zu einer Friedensinitiative nicht europäischer Länder gehören ebenso dazu wie die Frage, warum eigentlich die EU-Sanktionen nicht mit konkreten Zielen wie einem Waffenstillstand oder Truppenrückzug verbunden werden.

Wenn wir uns nicht mit einem langfristigen Kriegsgeschehen und einer ungebremsten Aufrüstungspolitik abfinden wollen, müssen wir der Bundesregierung abtrotzen, konstruktive Vorschläge aufzugreifen und nicht weiter vom Tisch zu wischen.

Die Friedensbewegung hat hier eine wichtige Aufgabe als Gegengewicht zur Kriegsbegeisterung in Politik und Medien, wenn sie es schafft, immer wieder Alternativen zur militärischen Logik zu formulieren und auf die Straße zu bringen. In diesem Sinne sehen wir uns hoffentlich bei den Ostermärschen 2023!

Solidarische Grüße

Eure Kathrin

 
 

Aktuelles

 

FAQs: Was ist los am "Pharmastandort Deutschland"?

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) meldet seit Monaten dramatische Lieferengpässe; derzeit fehlen 400 rezeptpflichtige Medikamente. Das wirft Fragen auf und Kathrin Vogler antwortet: Was läuft in Deutschland, der ehemaligen "Apotheke der Welt", falsch und was muss dringend anders werden, damit es besser wird?

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Gesundheitspolitik und mehr

 

Patientenrechte nicht auf die lange Bank schieben

27. Februar 2023
Pressemitteilung

 

Kathrin Vogler stimmt den Forderungen des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), zu, der sagt: Opfer von Behandlungsfehlern brauchen mehr Unterstützung. Weiterlesen

 

Solidarische Gesundheitsversicherung statt "Selbstbeteiligung" im Krankheitsfall!

23. Februar 2023
Pressemitteilung

 

Bernd Raffelhüschen, profilierter Lobbyist der Gesundheitswirtschaft, fordert 2.000 Euro und mehr Selbstbeteiligung für gesetzlich Versicherte, um das Defizit der Gesetzlichen Krankenkassen zu stopfen. Kathrin Vogler kommentierte den Vorstoß mit angemessener Empörung. Weiterlesen

 

Parlamentarier*innen-Gruppe in Panama, Honduras und Costa Rica

20. Februar 2023
Reisebericht

 

Als Vorsitzende der Deutsch-Mittelamerikanischen Parlamentarier*innen-Gruppe besuchte Kathrin Vogler mit ihren MdB-Kolleg*innen vom 12. bis 22. Februar 2023 mehrere Länder in Mittelamerika. Weiterlesen

 

 
 

Queeres

 

Gefährliche Zeiten für queere Menschen

7. März 2023
Medien-Echo

 

Nach dem neuesten Bericht der queeren Menschenrechtsorganisation ILGA Europe sind im Jahr 2022 die Fälle von Gewalt gegenüber LGBTIQ*-Personen so stark gestiegen wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Kathrin Vogler kommentiert die Entwicklung mit anderen Expert*innen in BuzzFeed. Weiterlesen

 

 
 

NRW vor Ort

 

Kathrin Vogler zu Besuch in Klimakommune Saerbeck

7. März 2023

 

Kathrin Vogler im Gespräch mit Dr. Tobias Lehberg, Bürgermeister von Saerbeck.

Am 7. März 2023 besuchte Kathrin Vogler, MdB, Saerbeck im Kreis Steinfurt. Im Gespräch mit dem Bürgermeister Dr. Tobias Lehberg informierte sich die Bundestagsabgeordnete unter anderem über Saerbecks Rolle als Klimakommune NRW. Weiterlesen

 

 

Nachgefragt!

Kathrin Vogler im Gespräch mit...

 

Mit wechselnden Gesprächspartnern widmet sich DIE LINKE Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler aktuellen Themen. Der Podcast wird als Online-Sprechstunde alle 14 Tage montags von 19 bis 20.00 Uhr als Livestream auf der Facebookseite aufgezeichnet. Alle Bürger*Innen sind herzlich eingeladen, sich mit Fragen, Kommentaren und Anregungen am Gespräch zu beteiligen, entweder live in der Facebook-Kommentarspalte oder auch vorab per E-Mail: via kathrin.vogler.wk03@bundestag.de. Den Podcast gibt es bei spotifyApple-Podcasts und Google-Podcasts

 

Ampel-Koalition und Minister Lauterbach - eine gesundheitspolitische Bilanz

28. Februar 2023

 

Kathrin Vogler im Gespräch mit Ates Gürpinar, Bundestagsabgeordneter DIE LINKE und Mitglied im Gesundheitsausschuss "Hat der einst von einer Welle der Sympathie in breiten Bevölkerungsschichten ins Ministeramt getragene Karl Lauterbach den Rollenwechsel vom Mahner zum Macher geschafft?" fragt Kathrin Vogler ihren Fraktionskollegen Ates Gürpinar, in… Weiterlesen

 

Die nächste Folge live am 13. März 2023 19:00 Uhr

 

Nachgefragt: Kathrin Vogler im Gespräch mit...

Dr. Christiane Tennhardt, Ärzt:innenvereinigung Doctors for Choice Germany e.V., zum Thema "Selbstbestimmt? Reproduktion, Familienplanung und Sexualität". Mehr dazu hier.

 
 

Termine

 

Sitzungswoche Deutscher Bundestag    Sitzungswoche
22. - 26. April 2024

 

 

Frieden durch Abschreckung? Alternativen zur Zeitenwende
23. April 2024, 19:00 - 21:00 Uhr, Kopenhagener Str. 9, 10437 Berlin, Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin

 

 

Sitzungswoche Deutscher Bundestag    Sitzungswoche
13. - 17. Mai 2024

 

 

Sitzungswoche Deutscher Bundestag    Sitzungswoche
3. - 7. Juni 2024

 

 

Sitzungswoche Deutscher Bundestag    Sitzungswoche
10. - 14. Juni 2024

 

 

Sitzungswoche Deutscher Bundestag    Sitzungswoche
24. - 28. Juni 2024

 

 

 
 

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