Liebe Leserin, lieber Leser,
die parlamentarische Sommerpause steht vor der Tür, in NRW haben schon die Ferien angefangen und es gibt viele Gründe, die Atempause zum gründlichen Nachdenken zu nutzen. Wir leben in einer Zeit miteinander verschränkter Krisen und haben auf viele Fragen noch keine überzeugenden Antworten, auch wenn wir wissen, dass diese Krisen mit unserem Wirtschaftssystem zu tun haben, das auf der Ausbeutung von Mensch und Natur beruht und den Krieg in sich trägt, wie die Wolke den Regen.
Aber wie kann der Kapitalismus, der unser Leben an so vielen Stellen durchdrungen hat, überwunden werden? Wie kann eine Gesellschaft aussehen, die mit den Schätzen unserer Erde sorgsam umgeht und ihren Reichtum so verteilt, dass alle Menschen ein gutes Leben haben können?
Mit Schrecken erleben wir, dass immer mehr Menschen in diesen Krisen nicht mehr nach vorne und nach oben schauen, sondern zurück und nach unten. Nicht nur, dass die AfD im Umfragehoch ist und gerade zwei kommunale Wahlbeamte in Thüringen und Sachsen-Anhalt erhalten hat, nein, auch die Unionsparteien, die Freien Wähler und Teile der FDP argumentieren zunehmend ganz ähnlich wie die Rechtsextremisten. Dabei ist es altbekannt und vielfach belegt, dass Wähler:innen meistens nicht die Nachahmer wählen, sondern das Original, so dass die Volte nach rechts der Union nicht helfen wird, ihre Wähler:innen von der AfD zurückzuholen.
Und in der Bundesregierung machen eine SPD-Innenministerin und eine grüne Außenministerin einen „Asylkompromiss“ mit der EU, der die Ideen von Horst Seehofer noch rechts überholt. Mit Abschiebeknästen an den EU-Außengrenzen, auch für Familien mit Kindern, mit einer Ausweitung „sicherer Herkunftsländer“ auf Staaten, die zunehmend autoritär beherrscht werden und in denen Oppositionelle und Gewerkschafter:innen, Journalist:innen und queere Menschen absolut nicht sicher sind und mit einer weiteren Militarisierung der Flüchtlingsabwehr - würde eine solche Politik nicht von Grünen und SPD gemacht, sondern von CDU/CSU, dann wären gleich Hunderttausende auf der Straße und Frau Baerbock und Frau Faeser wahrscheinlich ganz vorne am Auftakttransparent.
Apropos Baerbock: War es nicht die Annalena (Baerbock), die auf dem grünen Parteitag sagte, leider, leider, müsste man jetzt Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien genehmigen, damit „die Lisa“ (Paus) Geld „für die Kinder“ bekomme? Na, dann hat man wohl nicht genug Waffenlieferungen an die Saudi-Diktatur bewilligt, denn „die Lisa“ bekommt nicht etwa 12 Milliarden Euro, die sie für die Kindergrundsicherung mindestens bräuchte, sondern nur lächerliche zwei Milliarden. Aber natürlich hatten die Grünen da auch ganz arge Bauchschmerzen, wegen der Panzer für die Saudis genauso wie bei der Zerstörung des Asylrechts. Bei all den Arzneimittelengpässen, die wir derzeit haben, sollte es mich nicht wundern, wenn demnächst Bauchschmerzmittel knapp werden, vor allem in Berlin.
Der Finanzminister fordert Einsparungen bei Sozialem, Gesundheit und Familien - und die Koalitionspartner gehorchen. Am härtesten trifft es das Gesundheitsministerium, dessen Haushalt um mehr als ein Drittel schrumpfen soll und damit auf dem Niveau von 2011 landet. In realen Werten ist das eine dramatische Kürzung. Deswegen wird auch 2024 das zweite Jahr in Folge der Zusatzbeitrag für die Krankenkassen wieder steigen: Weil die FDP auch die kleinste Belastung für Höchstverdienende ablehnt, müssen halt alle draufzahlen, die sowieso am Monatsende schon jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Gerecht ist das nicht. Nachhaltig ist es auch nicht. Und Minister Lauterbach wird im nächsten Jahr für keines seiner Reformprojekte eigenes Geld einsetzen können: Krankenhausreform, Pflegeausbildung, Sprachmittlung im Gesundheitswesen, Gesundheitskioske und Digitalisierung - alles werden die Versicherten über ihre Beiträge stemmen müssen.
Die Austeritätspolitik ist also zurück in Deutschland und erfordert lautstarken und wirksamen Protest. Im Bundestag übernimmt DIE LINKE den Job, aber in der Gesellschaft und auf der Straße werden wir breite Bündnisse für ein Umsteuern brauchen. Erholt euch gut in diesem Sommer und werdet Teil davon!
Solidarische Grüße
Eure Kathrin
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