Schulden oder Vermögen? Sowohl als auch!

Am selben Tag, an dem der neue FDP-Vorsitzende Philipp Rösler verkündet, die schwarz-gelbe Bundesregierung werde sich jetzt ernsthaft ans Steuersenken begeben, kann man in der Zeitung lesen, dass die Geldvermögen der Deutschen schon wieder gewachsen sind: 4,93 Billionen Euro gammeln da auf irgendwelchen Konten herum und bohren sich vor Langeweile in der Nase.

Runter gerechnet pro Kopf müsste also jede und jeder von uns etwa 60.268,95 Euro auf der Kante haben. Eine dreiköpfige Familie wie meine also 180.806,85 Euro. Irgendwas muss ich in meinem Leben wohl doch falsch gemacht haben.

Demgegenüber machen sich die Schulden der öffentlichen Haushalte von knapp zwei Billiarden Euro fast bescheiden aus.

Noch eine Zahl: die reichsten zehn Prozent verfügen über 60% des Vermögens. Das sind im Augenblick 2,6 Billionen Euro. Moment mal: Wenn wir also nur dieses reichste Zehntel von seinem Barvermögen die Schulden der öffentlichen Haushalte begleichen ließen, dann bliebe jedem von ihnen, vom Baby bis zum Greis noch 125.000 Euro übrig – und damit knapp 6.000 Euro weniger, als der Durchschnittsreiche 1991 besaß.

Aber die FDP wird es natürlich umgekehrt machen. Die richtig Reichen, die Wohlhabenden und die besser Verdienenden werden mit Steuergeschenken beglückt, die das faul auf der Bank herumlungernde Vermögen noch erhöhen. Und die normal verdienenden, die Menschen mit geringem Einkommen und TransferempfängerInnen werden die Chose bezahlen.

Wenn ich nämlich  60.000 Euro auf der Kante habe, ist es mir relativ egal, ob das Schwimmbad oder die Bibliotheksausleihe um - sagen wir zehn Prozent - teurer wird. Wenn ich aber gar keine Einkommensteuer bezahle, weil ich zum Beispiel weniger als 8.004 Euro im Jahr verdiene, weil ich Rentnerin oder Student oder Empfängerin von ALG II bin, dann bin ich auf bezahlbare Kultur- und Sporteinrichtungen in meiner Kommune angewiesen. Und auch, wenn mein Einkommen eher im Mittelfeld liegt, wird mir eine Steuerentlastung á la Rösler weniger einbringen, als sie mich hinterher in Form von Gebührenerhöhungen oder Leistungskürzungen wieder kosten wird. Kostenlose Kitas oder Schulmahlzeiten, mehr Lehrerinnen und Lehrer oder gar eine energetische Sanierung öffentlicher Gebäude – all das wird auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben, wenn die Steuern dafür nicht fließen.

Das haben aber leider noch längst nicht alle begriffen, die es angeht. Immer noch gibt es Leute, die Steuern für etwas Schlechtes und Steuersenkungen für unbedingt wünschenswert halten. Wenn man sie dann aber fragt, ob es sie ärgert, wenn in Schulen der Putz von der Decke fällt und wenn öffentliche Grünanlagen von den Anwohnern gepflegt werden müssen, dann ist ihnen das auch nicht recht. Eben. Weil wir funktionierende Länder und Kommunen brauchen, können wir uns Steuersenkungen überhaupt nicht leisten. Wer gute Bildung, gute Infrastruktur und bezahlbare Kultur- und Freizeiteinrichtungen will, kann Steuersenkungen nicht wollen.

Und wer eine erneute Finanzkrise verhindern will, kann auch keine übergroßen Privatvermögen dulden. Denn mit Geld ist es wie mit manchen Jugendlichen. Wenn es nicht gebraucht wird und nichts zu tun hat, fängt es riskante Spielchen an. Es rast im Sportwagen über den Dorfplatz, bis der Motor heiß läuft. Es geht für vage Gewinnaussichten jedes Risiko ein. Das Ende ist vorprogrammiert: die nächste Blase, ein lauter Knall an den Finanzmärkten und ein erneutes Umverteilen aus den Staatshaushalten in die Kassen der privaten Banken und Geldbesitzer. Soll das immer so weitergehen? Nein! Deswegen brauchen wir mehr statt weniger Steuern. Wir müssen die großen Vermögen und Einkommen wieder zur Finanzierung des Gemeinwesens heranziehen. Staatsverschuldung an sich ist kein Problem, dass sie aber im gleichen Maße wächst wie die Privatvermögen, lässt doch den Schluss zu, dass es da irgendeinen Zusammenhang geben muss. Wer also wie die FDP behauptet, die Staatsfinanzen sanieren zu wollen und gleichzeitig das private Vermögen Einzelner fördert, kann eines von beidem nicht ernst meinen.

Infografik Staatsverschuldung: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Staatsverschuldung5.png&filetimestamp=20100326010729

Infografik Vermögensverteilung: http://knol.google.com/k/-/-/8bgikaqot3ts/xw2kqz/anteil-des-individualvermgens-am-gesamtvermgen.jpg

Infografik Entwicklung Vermögen und Staatsverschuldung http://www.dgb.de/++co++75afccf2-1fe7-11e0-509a-00188b4dc422/scaled/size/400

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