Antworten auf die Argumente der PID-Befürworter


Einige WissenschaftlerInnen, FortpflanzungsmedizinerInnen und PolitikerInnen wollen auch in Deutschland  die PID zulassen und machen gegenüber besorgten Eltern und Angehörigen große Heilsversprechen.

Kathrin Vogler geht auf die Argumente der PID-BefürworterInnen ein:


„Die PID verhilft Eltern zu gesunden Kindern und verhindert die Geburt schwer kranker Kinder.“

Das trifft nicht zu. Die meisten Eltern äußern wohl den verständlichen Wunsch. "Egal ob Junge oder Mädchen, Hauptsache gesund!" Doch die PID kann das Heilsversprechen nicht einlösen. Behinde­run­gen sind zu 95% nicht angeboren. Und nur ein geringer Teil der Kinder, die mit Behinderungen zur Welt kommen, hat eine genetische Abweichung, die durch PID entdeckt werden könnte.

Zudem ist die Erfolgsquote recht gering: Nur jeder 7. Befruchtungszyklus und jeder 8. Embryo, der nach PID implantiert wird, führt zur Geburt eines Kindes.


„Würde die Zulassung der PID würde den betroffenen Frauen nicht viel Leid ersparen?“

Es ist es falsch, das Leben mit Behinderungen immer mit Leid gleichzusetzen! Außerdem sind viele der mit PID diagnostizierten Erkrankungen bereits heute gut behandelbar oder erlauben eine (fast) normale Lebenserwartung.

Zudem müssen Paare mit genetischen Erbkrankheiten, um eine PID durchführen zu können, eine künstliche Befruchtung (IVF) auf sich nehmen, obwohl sie auf natürliche Weise fortpflanzungsfähig sind. Die IVF ist aber für die betroffenen Frauen (z.B. durch die Hormonstimulation) mit erheblichen körperlichen und seelischen Belastungen verbunden. Durch IVF erzeugte Kinder haben ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko und oft ein niedriges Geburtsgewicht, da 37 Prozent der nach PID geborenen Kinder Mehrlingskinder sind.


„Hilft PID, Fehl- oder Totgeburten bzw. Spätabbrüche nach einer PND zu vermeiden?“

Nein, nach einer Erhebung in den Ländern, in denen die PID angewandt wird, fand in 42 Prozent der überprüften Fälle zur Absicherung der PID nachträglich eine invasive pränatale Diagnostik (PND). Die Methode PID stellt eben keine sichere Methode dar, weswegen weitere Untersuchungen während der Schwangerschaft durchgeführt werden müssen und ggf. auch Spätabbrüche erfolgen.


„PID hilft den betroffenen Frauen oder Eltern, aber ein Verbot der PID richtet sich gegen sie.“

Das sehe ich anders: Das Nichtdiskriminierungsgebot von Menschen mit Behinderungen (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) verbietet jede Benachteiligung von behinderten Menschen. Darum setze ich mich gemeinsam mit Abgeordneten aller Parteien für ein Verbot der PID ein. Die Behinder­ten­organisa­tionen und -verbände unterstützen unsere Position. Das zeigt, dass wir auf ihrer Seite stehen.

Dagegen stellt die Befürwortung der PID – also eines Verfahrens, auf Probe erzeugte Em­bry­onen mit einer bestimmten Erkrankung oder Behinderung aussortieren zu können – einen An­griff auf die Würde eines jeden Menschen mit diesen Erkrankungen oder Behinderungen dar.


„Sprechen sich die Spitzen der deutschen Wissenschaft nicht für die Zulassung der PID aus?“

Von den acht Präsidenten der deutschen Akademien der Wissenschaften haben sich nur fünf für eine begrenzte Zulassung der PID ausgesprochen. Das Mitte Januar 2011 von der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ veröffentlichte Pro-PID-Papier ist keine Stellungnahme der Akademien. Anstelle der 13 WissenschaftlerInnen, die in dem Papier ihre Zustimmung zur PID äußern dürfen, hätte
man genauso 13 hochrangige Wissen­schaftlerInnen mit einer Gegenmeinung finden können.


„Die PID soll doch nur für ganz wenige Fälle in sehr begrenztem Maße erlaubt werden.“

Das ist unrealistisch. Nach internationalen Erfahrungen kann eine strenge Begrenzung der PID auf bestimmte medizinische Ausnahmefälle auf Dauer nicht aufrecht erhalten. In Frankreich, das von den BefürworterInnen der PID oft als Vorbild genannt wird, ist Anfang Februar das erste „Helper-Baby“ geboren worden. „Helper-Babies“ sind Rettungsgeschwister, die künstlich erzeugt und gezielt ausgewählt werden, um später ihren älteren Geschwistern als Gewebespender zu dienen.

Auch die Erfahrungen mit der Pränataldiagnostik zeigen: Aus einer anfänglichen Ausnahme für Risikopaare ist eine fast selbstverständliche Untersuchungsabfolge geworden.


„Erfolgt die Zulassung der PID nicht nur im Interesse besorgter und notleidender Eltern?“

Nein: Wer das Tor für die PID aufmacht, unterstützt nicht zuletzt die mächtigen Interessen von Reproduktionsmedizin, Forschern und der Industrie. Das Leben von Menschen soll aus der Perspektive von Wissenschaft und Profitlogik bewertet und Nützlichkeitskriterien unterworfen.

Um die PID durchzuführen, müssen viele „überschüssige“ Embryos erzeugt werden. Gerade angesichts der Bestrebungen, menschliche Embryonen patentieren zu lassen, Stammzellforschung auszuweiten sowie erweiterte Möglichkeiten für Organ- und Gewebespende und damit auch für deren kommerzielle Verwertung zu schaffen, muss die PID verboten bleiben.


„Ein PID-Verbot richtet sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau und öffnet den Weg zu einer Verschärfung der gesetzlichen Bestimmung für Schwangerschaftsabbrüche im §218 StGB.“

Das ist falsch: Bei PID im Rahmen von IVF gibt es im Gegensatz zur natürlich gezeugten Schwan­ger­schaft keinen Konflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensrecht des Embryos, da die Schwangerschaft noch nicht besteht. Selbstbestimmung findet ihre Grenzen an den eigenen Körpergrenzen, sie kann nicht "präemptiv" wahr­genommen werden. Außerdem hat die Frau selbst den Vorgang und die Bewertungskriterien nicht in der Hand, sie wird selbst zum Objekt der Reproduktionsmedizin.

Der von Abgeordneten aller Fraktionen getragene Entwurf für ein PID-Verbot rüttelt nicht am § 218, sondern untersagt durch eine Regelung im Gendiagnostikgesetz eine Untersuchungs­methode, die bis zum BHG-Urteil für die überwiegende Mehrheit in Politik und Wissenschaft ohnehin als verboten angesehen wurde. Die Frauen oder Eltern, die eine PID dennoch durch­führen lassen, sollen nach unserem Entwurf straffrei bleiben.

Übrigens wird gesamte IVF-Zyklus selbst von Frauen, die sich auf diesem Weg ein Kind wünschen, häufig als fremdbestimmt und belastend wahrgenommen.


„Ist es nicht widersprüchlich PID abzulehnen, aber PND und Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben?“

Nein, das Verbot der PID würde vielmehr zu einer einheitlichen Rechtslage führen. Auch bei Embryonen im Mutterleib ist ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer Behinderung oder Erkrankung des Kindes nicht erlaubt. Daher besteht zwischen der Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen oder der Verwendung von Nida­tionshemmern und einem Verbot der PID kein Wertungswiderspruch.

Schwangerschafts­abbrüche in den ersten 12 Wochen stellen ebenso wie die Verwendung dieser Nidations­hemmer nicht gezielt auf eine Behinderung des Kindes ab. Sie haben damit keinen selektiven Charakter. Auch bei Spätabbrüchen aufgrund einer medizinischen Indikation ist eine solche Aussortierung allein aufgrund einer Behinderung ausdrücklich nicht mehr zulässig.

Bei der Feststellung der Disposition zu einer Behinderung oder schweren Erkrankung liegt bei der PND, also einer Untersuchung während des Bestehens der Schwangerschaft, in der Tat ein Konflikt vor: Die Mutter entscheidet sich auch bei einem nicht ersehnten Untersuchungsergebnis oft für das (behinderte) Kind. Bei der PID existiert – anders als bei der PND und bei der Entscheidung über einen Spätabbruch – eben kein existentieller Konflikt. Bei der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik liegt eine Laborsituation vor und es besteht keine Bindung zwischen Mutter und Embryo (der ja noch in der Petrischale ist).

Daher gibt es bei der PID einen Automatismus, diesen Embryo zu verwerfen. Bei der PID steht der Abbruch am Anfang. Die Durchführung dieser Methode erfolgt nicht mit dem therapeutischen Ziel, zu heilen, sondern dient nur der Aussortierung von Embryonen, die als nicht lebenswert deklariert werden.

Die PND hingegen wurde ursprünglich mit dem Ziel eingeführt, therapeutisch schon vor der Geburt eingreifen zu können, nicht nur – wie bei der PID - mit dem Ziel, bei einer möglicherweise ungünstig ausfallenden Diagnose einen Abbruch vorzunehmen.

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