Liebe Leserin, lieber Leser,
auch wenn das Jahr 2020 gerade erst begonnen hat, ist schon wieder so viel passiert! In der ersten Sitzungswoche hat der Bundestag über das hoch emotionale Thema der Organspende entschieden. Bis zum letzten Tag habe ich mit Kolleginnen und Kollegen aus fast allen anderen Fraktionen für ein Gesetz geworben, das die Entscheidungsbereitschaft erhöhen und die Möglichkeiten zur Information und Beratung verbessern soll. Wir wollen es potenziellen Organspendern so leicht wie möglich machen, sich auf der Basis sachlicher Informationen für oder gegen die Organspende zu entscheiden. Dabei haben wir auch darauf hingewiesen, dass es auf viele andere Faktoren ankommt, wenn man die Zahl der transplantierten Organe erhöhen will. Entscheidend ist einerseits das Vertrauen ins Gesundheitssystem und seine Uneigennützigkeit, die in Deutschland natürlich mit der Privatisierung und Profitorientierung der Kliniken schwer gelitten hat. Andererseits müssen die Strukturen und Abläufe in den Krankenhäusern verbessert werden, denn solange nicht einmal jeder zehnte Patient, bei dem ein Hirntod wahrscheinlich ist, an die zuständigen Stellen gemeldet wird, können wir auch nicht mit mehr Organspenden rechnen. Grundsätzlich war uns wichtig, dass die Organspende eine freiwillige Entscheidung bleibt und nicht eine Pflicht von Staats wegen wird. Die Hirntod-Diagnostik ist ein Eingriff in den Sterbeprozess, der meiner Ansicht nach die aktive Zustimmung zu Lebzeiten benötigt um mit der Menschenwürde und dem Selbstbestimmungsrecht vereinbar zu sein. Ich war sehr erleichtert, dass der Bundestag mit deutlicher Mehrheit den Gesetzentwurf von Jens Spahn, Karl Lauterbach u.a. zur Einführung einer Widerspruchsregelung abgelehnt hat und auch ein bisschen gerührt, dass unser Gesetzentwurf, in dem über ein Jahr harte Arbeit steckt, mit noch größerer Mehrheit angenommen wurde. Es war eine tolle, kollegiale Zusammenarbeit, bei der viele verschiedene Ideen eingebracht, geprüft, verworfen und neu geprüft wurden. Und viele Kolleginnen und Kollegen, die wesentlich daran beteiligt waren, haben sich überhaupt nicht in den Vordergrund gedrängt, sondern um der Sache willen die eigene Eitelkeit zurückgestellt. Vielleicht war das das eigentliche Erfolgsrezept unserer Gruppe: Auch bei unfairen Angriffen sachlich zu bleiben, systematisch Aufklärung gegen Emotionalisierung und falsche Fakten zu stellen und dabei die besonderen Stärken jedes und jeder Einzelnen für das gemeinsame Ziel zu nutzen. Sollte das nicht viel öfter so sein? Besonders möchte ich hier einen Kollegen loben, ohne den wir als Gruppe wahrscheinlich nicht zusammengefunden hätten: Stephan Pilsinger von der CSU, ein junger Arzt aus München und Parlamentsneuling, der vor über einem Jahr die Initiative ergriffen hat. Aber auch Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen, Hilde Mattheis von der SPD, Karin Maag von der CDU und Otto Fricke von der FDP haben großen Anteil an diesem Erfolg. Besonders vertrauensvoll war natürlich die Zusammenarbeit mit Katja Kipping, die sich immer eng mit mir abgestimmt hat. Es war nicht immer einfach, in einer so gemischten Gruppe gemeinsame Positionen zu erarbeiten, aber es hat Spaß gemacht, auch weil es absolut offen war, wie es ausgehen würde. Mehr zu der Debatte und zu den Ergebnissen findet ihr hinten im Newsletter.
Noch vor dieser großen Entscheidung stand die Welt am Rande eines großen Krieges. Als Anfang Januar der höchste Militär des Iran und ein irakischer General von einer US-amerikanischen Drohne ermordet wurden, stand es einige Zeit "spitz auf Knopf". Mord - sagte ich Mord? Ja! Bis heute hat die US-Administration keinen einzigen Beweis vorgelegt, dass von Qassem Soleimani eine unmittelbare Gefahr für die Vereinigten Staaten ausging. Der öffentlich als "Terrorist" bezeichnete General war vielmehr in diplomatischer Mission, mit Zustimmung der irakischen Regierung, in Bagdad, um dort Gespräche mit der saudi-arabischen Regierung anzubahnen. Die US-Regierung wusste davon und hat ihn trotzdem ermorden lassen. Für mich ein klarer Fall für den Internationalen Gerichtshof. Und kurze Zeit später legt der Auftraggeber dieses Mordes ein 500-Seiten-Dokument vor, in dem alle Ergebnisse der israelischen Besatzungspolitik anerkannt und auf Dauer festgeschrieben werden sollen, und hat noch die Chuzpe, das als "Friedensplan" oder "Zwei-Staaten-Lösung" zu bezeichnen. Ich habe sofort den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags beauftragt, dieses Dokument aus völkerrechtlicher Sicht zu bewerten und bin schon sehr gespannt auf das Ergebnis. Mehr zum Nahen Osten, zum Iran und zu anderen Friedensfragen findet ihr auch in diesem Newsletter. Mein Team und ich wünschen euch eine spannende Lektüre und freuen uns auf eure Kommentare.
Mit solidarischen Grüßen
Eure Kathrin
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