Abgeordnete gegen Arzneimittel-Gesetzentwurf des Bundesministeriums – Können Verschlechterungen des Probandenschutzes noch verhindert werden?

Die Bundesregierung will mit einem Gesetzentwurf den Schutz von nicht-einwilligungsfähigen Versuchspersonen und die Rolle der Ethikkommissionen bei Arzneimittelstudien beschneiden. Auf Druck der LINKEN, der Grünen und vieler Abgeordnete aus den Reihen von CDU/CSU (sowie wenigen SPD-lerInnen) wurde die für letzten Donnerstag vorgesehene Abstimmung im Bundestag jedoch gestrichen. In neuen Verhandlungen wird nun nach einer Lösung gesucht.

Im vergangenen Newsletter von Kathrin Vogler wurde schon kurz berichtet: Die Bundesregierung will mit einem Gesetzentwurf – unter dem nichtssagenden Titel „4. AMG-Novelle“ – den Schutz von nicht-einwilligungsfähigen Versuchspersonen und die Rolle der Ethikkommissionen bei Arzneimittelstudien beschneiden. Auf Druck der LINKEN, der Grünen und vieler Abgeordnete aus den Reihen von CDU/CSU (sowie wenigen SPD-lerInnen) wurde die für letzten Donnerstag vorgesehene Endabstimmung im Bundestag jedoch gestrichen. In neuen Verhandlungen wird nun nach einer Lösung gesucht.

LINKE kündigt Änderungsanträge an

Kathrin Vogler hat für DIE LINKE Änderungsanträge angekündigt, mit denen Arzneimitteltests bei Nicht-Einwilligungsfähigen generell untersagt werden sollen, wenn diese nicht auch dem Eigennutzen der Probandinnen und Probanden dienen können. Zudem soll das positive Votum einer Ethikkommission verbindlich für die Zulassung von Studien bleiben. Vogler will damit den Kritikerinnen und Kritikern in den Reihen von Union und SPD den Rücken stärken, damit diese sich doch noch durchsetzen können. Sie kann sich ggf. auch vorstellen dass, eine Abstimmung ohne Fraktionszwang einen Ausweg aus dem Dilemma darstellen könnte.

Gröhe und SPD wollen Blanko-Vollmacht für Forschung

Derzeit sind es vor allem Bundesgesundheitsminister Gröhe und Bundesgesundheitsministerin Wanka sowie weite Teile der SPD, die es ermöglichen wollen, dass sich Menschen vorab pauschal per Blanko-Erlaubnis in einer Patientenverfügung der Forschung zur Verfügung stellen, auch wenn sie von dieser Forschung selbst nicht profitieren und weder über Ziele noch über Risiken dieser Tests aufgeklärt werden können.

Industrie benötigt keine Tests an Nicht-Einwilligungsfähigen, die lediglich gruppennützig sind

Angeblich wären solche Studien unerlässlich für die Entwicklung neuer Therapien gegen Demenz. Doch die Pharmaindustrie winkt ab: Die Konzerne benötigten für ihre Entwicklungsarbeit keine Gesetzesänderung, so erklärte der Verband forschender Arzneimittelunternehmen (vfa). Auch acht Mitglieder der Ethik-Kommission des Landes Berlin halten es für unzulässig, solch eine Vorab-Erlaubnis per Patientenverfügung zugeben, da Patientenverfügungen auf ärztliche Heilbehandlungen am Lebensende zielen und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt per Arzneimittelstudien.

Patientenrecht auf informierte Einwilligung in Gefahr

Warum aber bleiben zwei Ministerien und SPD dennoch derart hartnäckig, obwohl doch die Industrie diese Tests gar nicht braucht? Darüber kann nur spekuliert werden. Eines ist klar: Ein solcher Tabubruch würde auch für andere Bereiche der Forschung neue Tatsachen schaffen. Das lang erkämpfte Recht auf informierte Einwilligung nach erfolgter Aufklärung (informed consent) würde ausgehebelt. Wenn dies erst einmal an einer Stelle durchgesetzt wäre, könne es nach und nach gänzlich geschliffen werden.

Fraktionsübergreifender Widerstand notwendig

Darum bleibt es nach wie vor wichtig, fraktionsübergreifend auf Änderung zu drängen. Insbesondere bei bioethischen Fragen kommt es im Bundestag gelegentlich zu Allianzen über die Fraktionsgrenzen und die politischen Lager hinaus. Dass die Novellierung des Arzneimittelgesetzes zur Übernahme europarechtlicher Regelungen überhaupt einen solchen Streit auslöste, liegt an Bundesgesundheitsminister Gröhe: Noch vor drei Jahren wurde die Bundesregierung von sämtlichen Fraktionen aufgefordert, im Rahmen der EU-Verordnung keine Verschlechterungen bei diesen Fragen zuzulassen.