Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen dramatisch – Kathrin Vogler fragt nach zur Entlastung für Versicherte

Für Millionen von gesetzlich Versicherten steigen die Zusatzbeiträge für Krankenkassen, die ohne Arbeitgeberanteil von den Versicherten alleine bezahlt werden müssen, z.T. auf 1,5 Prozent. Kathrin Vogler hakt bei der Bundesregierung nach, ob hier eine Entlastung für die Versicherten noch vor der nächsten Bundestagswahl geplant sei und ob die Bundesregierung die Ursachen für die steigenden Beiträge beseitigen werde.

Für Millionen von gesetzlich Versicherten steigen die Zusatzbeiträge für Krankenkassen, die ohne Arbeitgeberanteil von den Versicherten alleine bezahlt werden müssen, z.T. auf 1,5 Prozent. Kathrin Vogler hakt bei der Bundesregierung nach, ob hier eine Entlastung für die Versicherten noch vor der nächsten Bundestagswahl geplant sei und ob die Bundesregierung die Ursachen für die steigenden Beiträge beseitigen werde.

Die Antworten der Bundesregierung sind größtenteils enttäuschend: Die Versicherten würden dafür angeblich bessere Leistungen erhalten und könnten ggf. die Kasse wechseln. Doch einige wichtige Informationen konnte Kathrin Vogler der Staatssekretärin entlocken:

 

a) Keine Begrenzung der Zusatzbeiträge vorgesehen:

Lauterbach (SPD) phantasiert öffentlich von einem Zusatzprotokoll zum Koalitionsvertrag, der die Versicherten vor zu hohen Zusatzbeiträgen schützen würde. Auf Kathrin Voglers Frage antwortet die Staatssekretärin allerdings: Davon weiß die CDU/CSU gar nichts!

Auch interessant: Vor zwei Jahren hat die SPD den Koalitionsvertrag mit dem Einfrieren der Zusatzbeiträge unterschrieben, jetzt fordert sie die Wiederherstellung der Parität – als wäre sie nicht an der Regierung.

 

b) Bundesregierung schaut bei Arzneimittelpreis-Explosion tatenlos zu

Steigende Zusatzbeiträge haben als Ursache auch erhöhte Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel. Die Bundesregierung bestätigt, dass es hier zu stark ansteigenden Ausgaben kommt (für eine einziges Mittel zur Bekämpfung von Hepatitis C allein eine Milliarde Euro!), aber konkrete Pläne zur Eindämmung dieser Kostenexplosion gibt es nicht. Solange diese Mehrkosten nur den Versicherten aufgebürdet werden, ist das ja den Unternehmen auch egal…

 

Bundesregierung schaut zu:

Frage 32 von Kathrin Vogler:

Welche Ideen hat die Bundesregierung, den steigenden (Zusatz-)Beiträgen für die gesetzlichen Krankenkassen entgegenzuwirken angesichts von Meldungen, dass sogar große Krankenkassen wie die DAK im Jahr 2016 einen Beitragssatz von 16 Prozent oder darüber verlangen (Handelsblatt vom 10. Dezember 2015) und damit der Zusatzbeitrag, den alleinig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bezahlen haben, für Millionen von gesetzlich Versicherten auf 1,5 Prozent steigen könnte?

 

Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit:

(...) Der Zusatzbeitrag wird damit gegenüber dem Vorjahr moderat um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte ansteigen. (…) Den moderaten Beitragssatzanpassungen stehen dabei Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung gegenüber. (…) Mitglieder von Krankenkassen, die ihren Beitragssatz anheben, haben ein Sonderkündigungsrecht und können somit ihre Krankenkasse unter Abwägung des Preis-Leistungs-Verhältnisses wechseln.

 

Zusatzprotokoll mit Begrenzung der Zusatzbeiträge bei der Bundesregierung unbekannt:

Nachfrage von Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Für mich hat sich das so angehört, als ob die Bundesregierung überhaupt keinen Handlungsbedarf sieht, was die steigenden Krankenkassenbeiträge angeht. Zu Beginn dieser Legislaturperiode hatte sich diese Koalition darauf verständigt, den Arbeitgeberanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen eingefroren zu lassen. Allerdings meldete der Tagesspiegel am 29. November 2013, es gebe eine geheimnisvolle Protokollnotiz, in der eine fiktive Obergrenze festgelegt worden sei, ab der die Bundesregierung den allein von den Versicherten, also den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zu zahlenden Zusatzbeitrag nicht mehr allein der Versichertenseite aufbürden wolle. Vor diesem Hintergrund möchte ich nachfragen: Gibt es diese seltsame Protokollnotiz? Wie hoch ist der da angegebene maximale Zusatzbeitrag? Sehen Sie Handlungsbedarf, noch in dieser Wahlperiode da tätig zu werden?

 

Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit:

Frau Kollegin Vogler, der Bundesregierung sind keine Protokollnotizen bekannt. Wenn ich Sie richtig verstehe, beziehen Sie sich auf einen Artikel, der auf eine Protokollnotiz der Koalitionsparteien abzielt. Damit ist die Bundesregierung nicht der richtige Ansprechpartner. Aber als Mitglied einer Koalitionsfraktion sind mir ebenfalls keine Protokollnotizen bekannt.

 

Arzneimittel tragen viel bei zur Steigerung des Zusatzbeitrags

Frage 33 von Kathrin Vogler:

Wie hoch ist der Anstieg der Arzneimittelausgaben, und in welchem Maße hat die Steigerung der Arzneimittelausgaben Einfluss auf die Krankenkassenbeiträge?

 

Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit:

Frau Kollegin Vogler, die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen betrugen im Jahr 2014 auf Basis der Jahresrechnungsergebnisse rund 33,4 Milliarden Euro. Dies entsprach einem Ausgabenzuwachs von absolut 10,1 Prozent bzw. 9,4 Prozent je Versichertem. Die aktuellen Ausgabenzuwächse vom ersten bis dritten Quartal 2015 lagen je Versichertem bei 4,4 Prozent und absolut bei 5 Prozent. Dies entspricht im Zeitraum Januar bis September einem Ausgabenanstieg von rund 1,3 Milliarden Euro. Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen einem Anteil von rund 17 Prozent der Gesamtausgaben. Dies entspricht einer Größenordnung von knapp 3 Beitragssatzpunkten.

 

Mondpreise der Pharmakonzerne – allein für ein einziges Hepatitis C-Medikament 1 Milliarde Euro

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie hatten in Ihren einführenden Bemerkungen zu meiner letzten Frage darauf hingewiesen, dass es insbesondere ein besonders teures Medikament zur Heilung von Hepatitis C – der Markenname ist Sovaldi – ist, das die Arzneimittelpreise derart habe in die Höhe schnellen lassen. Vielleicht können Sie uns darlegen, wie hoch der Anteil dieses einzelnen Medikaments an dem Anstieg der Arzneimittelausgaben ist und was die anderen Medikamentengruppen oder die einzelnen Medikamente sind, die an diesem doch sehr hohen Anstieg einen signifikanten Anteil haben.

 

Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit:

Frau Kollegin Vogler, zu Recht beschreiben Sie, dass die hohen Ausgaben für neu zugelassene Arzneimittel zur Behandlung der Hepatitis C auffällig sind. Sie haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres eine Größenordnung von gut 1 Milliarde Euro ausgemacht und somit einen erheblichen Teil des aktuellen Ausgabenanstiegs für Arzneimittel verursacht.

 

Bundesregierung mitverantwortlich für hohe Arzneimittelpreise – und tatenlos:

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei der Staatssekretärin für ihre umfangreiche Antwort, die mir schon einige Anknüpfungspunkte für die nächste Nachfrage liefert. Sie haben gerade wieder den Mythos verbreitet, dass die Bundesregierung bei der Begrenzung der Arzneimittelpreise gleich am Anfang der Legislaturperiode tätig geworden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz am Anfang der Legislaturperiode – wir erinnern uns noch an die Debatten hier – haben Sie nämlich zum einen ein Gesetz gemacht, das die Arzneimittelkonzerne tatsächlich fördert, indem Sie alle Bestandsarzneimittel von der Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes ausgenommen haben. Das bedeutet, dass weiterhin Medikamente, deren Nutzen nicht überprüft worden ist, den Patientinnen und Patienten zu Höchstpreisen verabreicht werden können. Zum anderen haben Sie den vorher geltenden Rabatt von 16 Prozent auf patentgeschützte Arzneimittel auf 7 Prozent gesenkt. Er wäre automatisch auf null gegangen. Sie haben ihn dann auf 7 Prozent erhöht. De facto aber haben Sie den Preis durch die Senkung des Rabatts von 16 auf 7 Prozent erhöht. Mich würde interessieren, ob Sie seitens der Bundesregierung im Lichte dieser Tatsachen noch in dieser Legislaturperiode Maßnahmen planen, um die steigenden Arzneimittelpreise wieder in den Griff zu bekommen.

 

 

Entnommen aus dem Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 16.12.2015, Seite 14311 ff., Fragestunde.