Kathrin Voglers Rede im Bundestag: INF-Vertrag erhalten! Atomwaffen abschaffen!

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Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) auszusteigen, ist eine Drohung an die Menschheit: Trump will zurück in einen Kalten Krieg, in dem die nukleare Weltvernichtung zum permanenten Risiko wird. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, Trump zu stoppen und für die Beibehaltung des INF-Vertrags zu kämpfen. Abrüsten statt aufrüsten! Atomwaffen abschaffen! Kathrin Voglers Rede im Bundestag:

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Der INF-Vertrag, über den wir heute reden und den Präsident Trump gerne kündigen möchte, ist ja nicht einfach irgendein Vertrag. Der INF-Vertrag ist deswegen so wichtig, weil er nicht nur Obergrenzen enthält, sondern erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg auch die vollständige Abrüstung einer bestimmten Waffengattung geregelt hat, nämlich der atomaren landgestützten Mittelstreckenraketen. Damit war das Wettrüsten in diesem Bereich beendet und eine Gefahr gebannt, die die Welt mehrfach an den Rand eines alles vernichtenden Atomkriegs geführt hat.

 Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich in den 80er-Jahren von Haus zu Haus gelaufen bin und Unterschriften für den Krefelder Appell gesammelt habe. Millionen Unterschriften kamen damals zusammen, und in jedem Dorf gründete sich eine Friedensinitiative. Wir waren entschlossen, die wachsende Atomkriegsgefahr in Europa nicht einfach widerstandslos hinzunehmen. Am Ende hatten die riesigen Demonstrationen, die Appelle, die Blockaden vor Raketenstützpunkten, aber auch die vielen Aktivitäten der Friedensfreundinnen und -freunde in der DDR und in anderen Ostblockstaaten Erfolg. (Beifall bei der LINKEN) 

Als Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 den INF-Vertrag unterzeichneten, taten sie das auch in dem Bewusstsein, dass die wahnsinnige Aufhäufung von atomarem Vernichtungspotenzial in Europa von der Mehrheit der Menschen nicht hingenommen wird. Diese Unterzeichnung machte den Menschen in Ost und West Hoffnung, Hoffnung auf ein Ende der Blockkonfrontation und Hoffnung auf eine Friedenszeit nach dem Kalten Krieg. Dieser Vertrag hat hervorragend funktioniert – bis vor einigen Jahren. Seit der Aufstellung des NATO-Raketenabwehrsystems in Osteuropa kommt es immer wieder zu gegenseitigen Vorwürfen zwischen Russland und den USA, die jeweilige Gegenseite würde den Vertrag verletzen. Allerdings dürfte das kein Grund sein, den gesamten INF-Vertrag infrage zu stellen; denn er enthält ja gute Regelungen für genau diese Art von Konflikten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 

Er hat ein umfassendes Verifikationsregime, und er regelt ganz genau, dass die beiden Seiten gegenseitig ihre Waffensysteme überprüfen können. Doch jetzt hat sich die NATO selbst ein Bein gestellt: Mit ihrer Strategie „no business as usual“, mit der sie nach der Annexion der Krim Russland unter Druck setzen will, behindert sie den militärischen Informationsaustausch und verschüttet die Kommunikationskanäle, die so wichtig wären für solche Verifikationsmaßnahmen. Darauf muss die Bundesregierung meiner Ansicht nach eine Antwort finden. Sie muss darauf drängen, dass diese verhängnisvolle Strategie aufgegeben wird, wenn sie den INF-Vertrag retten will. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wünschen, dass dieses Parlament heute eine klare Botschaft an beide Vertragsparteien sendet, endlich die Verfikationskommission des INF einzuberufen und ernsthaft und zielgerichtet zu verhandeln und so gegenseitige Inspektionen wieder zu ermöglichen. Wir sagen klar und deutlich: Verhandeln ist besser als drohen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 

Allerdings müssen wir leider davon ausgehen, dass ein US-Präsident, der Twittereinträge und Wahlkampfkundgebungen nutzt, um wichtige internationale Verträge aufzukündigen, etwas stärkere Signale benötigt, um wieder zur Vernunft zu kommen. Deswegen fordere ich Sie, Herr Maas, auf, deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, öffentlich klarzustellen, dass eine Stationierung weiterer atomarer Waffen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht infrage kommt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Martin Schulz [SPD]) 

Das deutlichste Zeichen allerdings wäre meiner Ansicht nach, den einmütigen Beschluss dieses Hauses aus dem Jahre 2010 endlich auf den Weg zu bringen, Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen und sich dem Atomwaffenverbotsvertrag der UNO anzuschließen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 

Jetzt werden Sie mir natürlich entgegenhalten, dass es gerade die atomare Teilhabe im Rahmen der NATO sei, die der Bundesrepublik eine Mitsprache über die US-Atomwaffen sichere. Das hören wir immer wieder. Meine Damen und Herren, spätestens heute muss Ihnen doch klar sein, dass das ein Mythos ist und wie wenig weit Ihre Mitsprache reicht. Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, hat erst kürzlich darauf hingewiesen, wie sehr eine Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA die anderen NATO-Staaten brüskiert. Schließlich ist noch in der Abschlusserklärung des Gipfels von Warschau festgelegt worden, dass man sich gemeinsam mit Russland um eine Ausräumung der strittigen Punkte bemühen werde. Aber das scheint die derzeitige US-Regierung nicht die Bohne zu interessieren. 

Meine Damen und Herren, die Doomsday Clock, die die Gefahr eines Atomkriegs anzeigt, steht heute auf zwei Minuten vor zwölf. So nah an der Selbstvernichtung der Menschheit durch die zerstörerischsten Instrumente, die sie je erfunden hat, waren wir seit dem Koreakrieg 1953 nicht mehr, nicht einmal auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Schon John F. Kennedy hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte: Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende. Lassen wir es nicht so weit kommen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 

Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kathrin Vogler.