Regierung will Zeche von Versicherten zahlen lassen

Rede

Trotz Söders lautstarker Kopfpauschalen-Kritik: Der Streit zwischen FDP und CSU ist ein Kasperle-Theater. Bei beiden Plänen profitieren aber am Ende die Besserverdienenden und die Unternehmer. Doch auch die SPD ist nicht das reine Gretchen, schließlich war sie in der Regierung, als Praxisgebühr, Zuzahlungen, 0,9-Prozent-Sonderbeitrag und die Möglichkeit von Zusatzbeiträgen gesetzlich beschlossen wurden.


Rede im Wortlaut:

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Volksmund sagt: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wer ist eigentlich der Dritte, der sich über den Streit der schwarz-gelben Koalition in Sachen Gesundheitspolitik, in Sachen Finanzierung der Krankenkassen freuen kann?
Es lohnt sich, näher hinzusehen: Die Bundesregierung plant die schrittweise Einführung einer Kopfpauschale.

Wie hoch diese Kopfpauschale sein wird, das die Kollegin Ferner hat das deutlich gemacht wollen Sie nicht sagen. Alle bisher bekannt gewordenen Modelle bedeuten aber, dass die Beiträge vieler Versicherten steigen, außer die Beiträge derjenigen, die ein höheres Einkommen haben. Wer gut verdient, wird entlastet; die Zeche zahlen die weniger gut Betuchten.

Nun schießt die CSU aus Bayern dazwischen. Herr Söder markiert den starken Mann, indem er lautstark gegen das Kopfpauschalenmodell kämpft, will aber eine Ausweitung der Zusatzbeiträge. Der Kollege Zöller Mitglied der CSU-Landesgruppe hier im Haus hält das Ganze öffentlich für Kasperletheater. Beim Kasperletheater sollte man sich immer fragen: Wer ist hier eigentlich der Kasper, wer die Gretel und wer der böse Hotzenplotz? Das Krokodil nicht zu vergessen.
Man wundert sich ja schon, wie die Partner einer Koalition, zwischen die nach der Auffassung meines verehrten Kollegen Spahn von der CDU gar kein Blatt passt, in der Öffentlichkeit so laut über eines ihrer strategischen Projekte streiten können. Das sind aber nur Scheingefechte.

In einem sind Sie sich nämlich alle einig: Die Arbeitgeberbeiträge sollen eingefroren werden, künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen wollen Sie allein den Versicherten aufbürden, also den abhängig Beschäftigten sowie den Rentnerinnen und Rentnern, die Beitragsbemessungsgrenze, mit der die Beiträge von Besserverdienenden begrenzt werden, wollen Sie nicht antasten, und auch von einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze sind Sie weit entfernt.

Wer ist beim CSU-Modell jetzt also der lachende Dritte? Kollege Singhammer hat das gerade ja mit beneidenswerter Offenheit angedeutet: Er möchte sozusagen die regionale Spaltung Deutschlands, also die Spaltung der Versicherten in den unterschiedlichen Bundesländern bzw. Regionen. Das heißt, da, wo die Menschen ärmer und kränker sind, sollen sie künftig mehr bezahlen. Das ist „bayerische Solidarität“. Da machen wir nicht mit!

Ganz besonders freuen könnten sich aber die Konzerne, die private Krankenversicherungen anbieten; denn sie haben Angst vor der Rösler’schen Kopfpauschale, weil sie fürchten, dass ihnen ihre Kunden weglaufen, da sie von niedrigeren Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung gelockt werden könnten, wenn die Beiträge der Gutverdienenden für die gesetzliche Krankenversicherung sinken. Wenn man dann weiß, dass die Allianzgruppe, der größte deutsche Versicherungskonzern, ihren Sitz in München hat und die CSU jedes Jahr mit großzügigen Spenden versorgt, dann wird doch klar, dass nicht nur die FDP Klientelpolitik richtig gut kann.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Rolle der SPD. In Nordrhein-Westfalen sammelt sie gerade Unterschriften gegen die Kopfpauschale. Auch das CSU-Modell das haben wir gerade gehört stößt bei ihr nicht auf Begeisterung.


Lieber Kollege Lauterbach, wo waren Sie denn am 31. Januar 2007, als der Gesundheitsausschuss den Gesundheitsfonds und damit auch die Zusatzbeiträge beschlossen hat, die doch die Grundlage für das jetzige Theater hier bilden? Sie sind mit Ihrer Kritik an den schwarz-gelben Konzepten auch nur bedingt glaubwürdig; denn beinahe alles, was Sie hier und jetzt kritisieren, haben Ihre Bundesregierungen auf den Weg gebracht: den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung, die Zusatzbeiträge und eine ganze Reihe von Leistungsausgrenzungen und Zuzahlungen, wie zum Beispiel die Praxisgebühr. Dies führt schon jetzt dazu, dass die Versicherten, die Kranken, die Patientinnen und Patienten die größte Last der Gesundheitskosten tragen.
Wir haben das ja schon gehört: Es ist Wahlkampf im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Im Wahlkampf macht sich schon einmal ein Gesundheitsminister von der CDU zum Sprachrohr für das Gejammer der Ärzteschaft, die in Nordrhein-Westfalen angeblich am Hungertuch nagt. Ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Mir ist da noch kein wirklich verhungert aussehender Doktor begegnet. Dies tun Sie auch noch das hat uns der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Gesundheitsministerium, Daniel Bahr, gerade bestätigt auf der Basis von bloßen Schätzungen und nicht auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten.
Was macht die SPD? Sie spielt in diesem Kasperletheater das niedliche kleine Gretchen, das ganz unschuldig und naiv dem schwarzen Hotzenplotz in die Hände gefallen ist.

Entschuldigung, aber das nehmen wir Ihnen nicht ab.
Auch die Wählerinnen und Wähler in NRW werden wissen, dass es nur ein wirksames Rezept gegen Ihre Amnesie auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik gibt, nämlich eine starke Linke; denn nur wir werden die Umverteilung von unten nach oben, die Selbstbedienung der Pharmaindustrie und die Privatisierung des Gesundheitswesens wirksam stoppen.