Gesellschaftliche Debatte über Routine-Bluttests für Schwangere
Bluttests für Schwangere, mit denen Föten auf Trisomien gescannt werden, werden fast schon routinemäßig durchgeführt. Kathrin Vogler warnt davor, das das zu einer Kultur führen kann, die implizit von Frauen erwartet, sich gegen Kinder mit Behinderung zu entscheiden. Kathrin Vogler fordert, dass es eine breite Diskussion im Parlament und außerhalb gibt, um Inklusion und Vielfalt gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention zu fördern.
Kathrin Voglers Rede im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als wir vor fünf Jahren hier über die bevorstehende Kassenzulassung des Bluttests gesprochen haben, mit dem schon in der Frühschwangerschaft mögliche Anzeichen für eine Trisomie angezeigt werden können, hieß es noch optimistisch, mit diesem Test könnten vielleicht invasive Untersuchungen und Spätabtreibungen verhindert werden. Heute sehen wir Hinweise darauf, dass es möglicherweise genau andersherum sein könnte.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stefan Schwartze (SPD))
Da, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir genauer hinsehen, auch, um zu lernen, wie sich die massenhafte Verbreitung solcher Gentests in der Gesellschaft auswirkt.
Der aktuell angewendete Test wird nicht der letzte sein, über den zu entscheiden ist. Wo ziehen wir die Grenzen? Ist es legitim, genetische Tests an Schwangeren durchzuführen, die ihnen Auskunft über mögliche körperliche oder geistige Besonderheiten ihres ungeborenen Kindes geben? Frauenärztinnen und ‑ärzte in diesem Land dürfen Schwangeren erst nach der zwölften Woche mitteilen, welches Geschlecht ihr Kind voraussichtlich haben wird. Damit soll verhindert werden, dass die Entscheidung zur Fortsetzung einer Schwangerschaft davon abhängig gemacht wird, ob es ein Junge oder ein Mädchen sein wird. Aber was ist mit den anderen individuellen Merkmalen? Warum eigentlich wird eine mögliche Behinderung immer noch als so belastend angesehen, dass sie unbedingt früh erkannt werden muss, obwohl es keine Behandlung dagegen gibt?
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention haben wir in diesem Land noch verdammt viel Luft nach oben.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf werden von dieser Gesellschaft viel zu oft alleingelassen. Und dann sind es in der Regel die Mütter, die fehlende Therapie- und Betreuungsangebote ausgleichen müssen und dadurch nicht selten selbst in Armut landen. Und das darf nicht sein!
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der ein Wunschkind die Chance hat, geboren zu werden, weil die Familie vollkommen sicher sein kann, dass sie alle nötige Unterstützung bekommt, eine Gesellschaft, die inklusiv ist und in der sich Menschen mit Downsyndrom genauso willkommen fühlen können wie alle anderen auch.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD)