Impfpflicht ab 18 statt neuer Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen im Herbst!

Rede im Bundestag
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Kathrin Vogler im Bundestag: "Nach zwei Jahren mit all den Freiheitseinschränkungen und ihren sozialen und gesellschaftlichen Verwüstungen, halte ich es für zumutbar, alle Erwachsenen zu verpflichten, sich zum Schutz aller vor dieser Krankheit und vor weiteren Freiheitseinschränkungen, impfen zu lassen."

 

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Kathrin Voglers Rede:

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Gregor Gysi, ich schätze dich als Mensch und Politiker, aber hier liegst du einfach falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Inzwischen dürfte doch in Deutschland fast jeder jemanden kennen, die oder der gerade wegen Covid-19 krank oder in Quarantäne ist. Wir haben aktuell eine Inzidenz fast dreimal so hoch wie in vergleichbaren Ländern, täglich mehr als 200 Tote, eine zunehmende Zahl an Krankenhauseinweisungen und auch wieder mehr Menschen, und zwar vor allem Ungeimpfte, auf den Intensivstationen. Auch von unseren Kolleginnen sind einige, die heute mitdiskutieren wollten, wegen Covid-19 nicht bei uns. Ich wünsche ihnen - ich glaube, in Ihrer aller Namen -, dass sie schnell und vor allem vollständig genesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Selbstverständlich ist das nicht. Immer mehr Menschen leiden langfristig unter schweren Folgen, selbst wenn die Infektion leicht verlaufen ist. Die Autorin Margarete Stokowski beschreibt ihre Erfahrungen mit Long Covid in ihrer jüngsten „Spiegel“-Kolumne, eine Kolumne, die sie ansonsten einfach so herunterschrieb, die ihr jetzt aber alle Kraft und viel Zeit abverlangt:

Falls es Sie interessiert, ich habe jetzt seit … zwei Monaten täglich Kopfschmerzen und bin von jeder Kleinigkeit erschöpft, ich habe immer wieder Schwächeanfälle für mehrere Stunden und dazu ein fiebriges Kribbeln, null Hunger oder Appetit, mein Gehirn funktioniert nicht richtig … und ich schlafe oft 14 Stunden und bin danach absolut nicht erholt, sondern genauso kaputt wie am Tag davor …

Meine Damen und Herren, vor Long Covid kann man sich nicht individuell schützen. Der beste Schutz davor ist eine hohe Impfquote in der Bevölkerung,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr (FDP))

neben Masken, Abstand und all den Maßnahmen, die wir kennen, weil Geimpfte einfach weniger ansteckend sind.

Es gibt auch einen messbaren Zusammenhang zwischen der Impfquote und der Sterblichkeit. Dennoch haben wir es nicht überall geschafft, so wie in Bremen die Impflücken zu schließen. Jeder, der glaubt, dass wir das bis zum Sommer schaffen, weil dann die Infektionszahlen sinken und es keine 2G-Regel mehr gibt, der glaubt auch noch an die Zahnfee. Es gehört doch einfach zur menschlichen Natur, Gefahren, die nicht akut erscheinen, zu verdrängen und erst dann zu handeln, wenn sie wirklich im persönlichen Umfeld auftauchen. Aber wenn im Herbst dieses Jahres die nächste Coronawelle anrollt - wer weiß, mit welchem Virus -, dann wird es zu spät sein. Wenn wir dann nicht über Lockdowns, Kontaktbeschränkungen oder Schulschließungen reden wollen, dann müssen wir jetzt handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Impfpflicht, ohne zu wissen, wogegen und womit! Wunderbar!)

Nein, die Idee, Menschen per Gesetz zum Impfen zu verpflichten, die begeistert mich überhaupt nicht. Ich habe viel Kritik an einer Politik, die es überhaupt erst so weit hat kommen lassen. Aber nach zwei Jahren mit immer wiederkehrenden Freiheitseinschränkungen und all den sozialen und gesellschaftlichen Verwüstungen, die sie hinterlassen haben, halte ich es zumindest für zumutbar, alle Erwachsenen zu verpflichten, sich zum Schutz aller vor dieser Krankheit und vor weiteren Freiheitseinschränkungen impfen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Beatrix von Storch (AfD): Das Schützt doch nicht! Das wissen Sie doch!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende.

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Ja, ich komme zum Schluss. - Mein besonderer Appell geht an dieser Stelle an die Mitglieder der Unionsfraktion: Verweigern Sie sich nicht! Nutzen Sie die Uneinigkeit der Regierungskoalition in dieser Frage nicht für kurzfristige parteipolitische Profilierung!

(Tino Sorge (CDU/CSU): Deswegen haben wir doch den Kompromiss vorgelegt! Stimmen Sie dem einfach zu!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Zeigen Sie Mut zur Verantwortung!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr (FDP))

 

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Frage zur Rede von Simone Borchardt (CDU/CSU)

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Frau Kollegin Borchardt, ich habe eins im Antrag Ihrer Fraktion und auch bei Ihrem Vortrag jetzt immer noch nicht verstanden. Der CDU/CSU muss doch auch bewusst sein, dass bis zum Erreichen des vollen Impfschutzes mindestens drei Impfungen

(Beatrix von Storch (AfD): Dann folgen vier, fünf und sechs!)

mit jeweils einem Abstand von drei bis sechs Monaten erforderlich sind.

(Tino Sorge (CDU/CSU): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Insofern frage ich Sie, ob es wirklich eine kluge Idee ist, mit dem Einsetzen einer Impfpflicht zu warten, bis sich eine neue sehr gefährliche, möglicherweise tödliche Variante gebildet hat und sich in Deutschland verbreitet. Wie sollen Sie dem denn dann entgegentreten können?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

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Anmerkung zur Rede von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Ich würde sagen, die eine zugelassene, von der Präsidentin erlaubte Zwischenfrage ist gut ausgewählt. - Vielen Dank, Herr Kollege Lauterbach.

Wir sind beim Thema Impfpflicht ab 18 ja gemeinsam unterwegs. Aber mir ist schon ein bisschen aufgestoßen, dass Sie das sehr individualisieren. Müssten wir nicht auch ein bisschen demütiger darauf gucken, was die Politik in diesen letzten zwei Jahren falsch gemacht hat, unterlassen hat, nicht hinreichend auf den Weg gebracht hat, um den Menschen das Vertrauen zu geben, damit sie der Empfehlung, die wir ihnen geben, der Aufforderung, dass sie sich bitte, bitte alle dreimal impfen lassen, auch wirklich nachkommen? Mir widerstrebt es einfach, auf individualisierte Schuldzuweisung zu setzen.

Ich glaube, wir haben es hier auch mit gesellschaftlichen Prozessen zu tun. Wir müssen nach der Pandemie bzw. nach dem, was wir jetzt alles zu entscheiden haben, dringend darüber reden, unser Gesundheitswesen solidarischer und gerechter aufzustellen, damit die Menschen auch wieder mehr Vertrauen haben.

(Beifall bei der LINKEN - Andrea Lindholz (CDU/CSU): Das ist jetzt eine Verlängerung der Redezeit!)