Reisebericht: Libanon

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Der Libanon ist ein kleines Land. 4 Millionen Menschen leben hier dauerhaft - darunter etwa 400.000 palästinensische Flüchtlinge, die schon seit Jahrzehnten im Land sind. Für viele Menschen, die vor dem Bürgerkrieg aus Syrien fliehen oder von dort vertrieben wurden, ist dieses Land ein sicherer Hafen - aber keine neue Heimat. Die libanesische Regierung weigert sich, die 1,5 Millionen oder mehr syrischen Flüchtlinge angemessen zu versorgen und zu integrieren. Sie sind daher auf die Unterstützung privater Initiativen und von UN-Organisationen angewiesen.

Ein Teil der Flüchtlinge lebt nun schon seit sechs Jahren auf der Bekaa-Hochebene in provisorischen Zeltlagern auf privaten Grundstücken, wo sie pro Zelt 100 US$ monatlich als Pacht bezahlen. Arbeit und Verdienstmöglichkeiten gibt es kaum, Lebensmittelpakete des Welternährungsprogramms nur noch sporadisch und Unterricht für die Kinder nur dann, wenn Nichtregierungsorganisationen ihn organisieren und finanzieren.

Ich hatte die Gelegenheit, bei meinem Besuch des neu eröffneten Büros der Rosa Luxemburg Stiftung in Beirut zwei solcher Flüchtlingslager und eine Schule zu besuchen, in der am Nachmittag, wenn die libanesischen Kinder frei haben, syrische Kinder unterrichtet werden.

Solche Besuche sind immer zwiespältig. Einerseits ist es für mich und auch für die StiftungsmitarbeiterInnen wichtig, sich vor Ort ein Bild über die Lage der Menschen und die realen Probleme zu machen. Andererseits wecken solche Besuche von Abgeordneten immer die Hoffnung, dass sich nun etwas real verbessern werde. Ich kann ja den Menschen schlecht erklären, dass ich nur eine Oppositionsabgeordnete bin, die wenig Einfluss auf die Ausgaben der Bundesregierung für die UN-Hilfsorganisationen hat. Und der Begriff "Stiftung" weckt erst recht falsche Erwartungen: Mit dem humanitären Schwergewicht einer Aga Khan Stiftung oder den Milliarden einer Bill und Melinda Gates Stiftung kann eine politische Stiftung aus Deutschland nicht mithalten - und das ist auch nicht ihr Auftrag.

Besonders berührt hat mich die Frau, die uns in ihr Zelt hineinbat und dann auf die scheinbar harmlose Frage, wie lange sie schon im Libanon ist, in Tränen ausbrach. Weinend holte sie die Bilder ihrer Lieben aus dem Schrank, die sie verloren hat in diesem unmenschlichen Krieg. Oder das Mädchen, das gerade angekommen war und erzählte, dass sie zuhause kurz vor dem Abitur stand. Ob sie jemals die Chance bekommen wird, ihre Schulausbildung zu beenden? Woher soll das Geld für die Bücher, die Schulkleidung und die Fahrtkosten zur nächsten Schule kommen, wenn schon die Großmutter ihre Diabetes-Medikamente nicht bezahlen kann?

Es steht zu befürchten, dass hier eine verlorene Generation heranwächst: Kinder und Jugendliche, die ihr Leben in Zeltlagern ohne Bildung, Sport und Kultur verdämmern. Diese Menschen werden anfällig für jegliche Verführer, die ihnen himmlische Paradiese versprechen, wenn ihr irdisches Leben so perspektivlos bleibt. Wer glaubt, diese Gefahr durch Mauern, Grenzen und Soldaten bannen zu können, irrt kolossal. Die Mauern werden nicht halten.

Ich habe im Libanon aber auch Hoffnung gebende Erfahrungen machen dürfen. Bei der Büroeröffnung der Stiftung und bei einem Workshop am folgenden Tag traf ich eine ganze Reihe von überwiegend jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für eine offene und soziale Gesellschaft engagieren - ob in der Stadtpolitik beim Widerstand gegen die Vertreibung von MieterInnen, ob in der Frauenbewegung und im Kampf für die Rechte von Minderheiten, ob beim Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für ArbeitsmigrantInnen, in Beirut gibt es eine interessante politische Szene, die es allemal rechtfertigt, dass die Rosa Luxemburg Stiftung dort vor Ort ist. Das Büro soll über den Libanon hinaus auch Irak und Syrien betreuen. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die bislang nur drei Mitarbeiterinnen. Ich wünsche ihnen viel Erfolg bei ihrer Arbeit für positiven Frieden in einer Region, die das besonders nötig hat.