UPD: LINKE initiiert Sondersitzung des Gesundheitsausschusses

Wegen der Absprache des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV) bezüglich der geplanten Anbindung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) an die GKV hat Kathrin Vogler eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses initiiert, da sie die Autonomie der UPD akut gefährdet sieht.

Am Mittwoch, 9. August 2023, unterbricht der Ausschuss für Gesundheit auf Antrag Kathrin Voglers, die die Fraktion DIE LINKE als Obfrau im Ausschuss vertritt, seine Sommerpause, um die Bundesregierung bzw. das Gesundheitsministerium in einer Videokonferenz zum Stand der "Umsetzung der Reform der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland" zu befragen. Die Sitzung findet statt am Mittwoch, dem 9. August 2023, von 17:00 bis 18.00 Uhr.

Zum Hintergrund:

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Neustrukturierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) wurde die UPD als Stiftung bürgerlichen Rechts verstetigt und ihre Errichtung  dem GKV-Spitzenverband übertragen. Er soll die Satzung für die UPD-Stiftung schreiben und mit dem BMG abstimmen; am 1. Januar 2024 würde dann die UPD-Stiftung ihre Arbeit aufnehmen. Im Juni hatte der GKV-Verwaltungsrat nun die gesetzlich vorgesehene Zusammenarbeit an der Stiftungsgründung gestoppt und sich dann bis Mitte Juli weitgehenden zusätzlichen Einfluss auf die Informations- und Beratungstätigkeit der künftigen UPD-Stiftung gesichert. Im Fokus der UPD-Beratung sollen nach dem Willen der GKV jetzt die gesetzlich Versicherten stehen, nicht mehr beraten würden somit Privatversicherte sowie die ca. ein Prozent nicht krankenversicherten Menschen. Die Beratungsinhalte sollen weitgehend auf den Leistungs­katalog des Sozialgesetzbuches V reduziert werden; die Beratung in Pflegefragen ( SGB XI, im Jahr 2022 lt. UPD-Jahresbericht 2022 das zweithäufigste Beratungsthema) und die Beratung zu verschiedenenen Reha-Themen sowie die allgemeine Beratung zu gesundheitlichen Themen (z.B. zur Pandemie) sollen wegfallen. Zudem, so heißt es im Ärzteblatt, berichtete der GKV-Spitzenverband den Mitgliedern seines  Verwaltungsrates: „Ein wesentliches Ergebnis der Verständigung mit dem BMG ist, dass das Ministerium den GKV-Spit­zenverband bei der Geltendmachung seines Einspruches zur Verwendung von Haushaltsmitteln unterstützen wird.“

Am 5. Juli legten die UPD-Mitarbeiter*innen die Arbeit nieder und protestierten vor dem Gesundheitsministerium. In ihrem Statement hieß es damals: "Der GKV-Spitzenverband wurde gesetzlich dazu verpflichtet, diese Stiftung zu errichten und zu finanzieren, verweigert aber die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrags. Damit steht das Informations- und Beratungsangebot der UPD vor dem vorläufigen Aus. Für hilfesuchende Patientinnen und Patienten bedeutet das den ersatzlosen Wegfall einer qualifizierten, kostenfreien und unabhängigen Beratungsstelle [mit durchschnittlich ca. 140.000 UPD-Beratungsanfragen pro Jahr]. Für die Mitarbeitenden der UPD bedeutet die Situation große Unsicherheit und eine fehlende berufliche Perspektive. ... Die Forderungen: Für den Erhalt des Beratungsangebotes müssen die politisch Verantwortlichen jetzt schnell eine Übergangslösung vorlegen. Die zukünftige UPD-Stiftung braucht eine dauerhaft tragfähige und neutrale Finanzierung."

Kathrin Vogler und die Linksfraktion streiten im Bundestag für eine wirklich unabhängige Patientenberatung

Kathrin Vogler hat sich mit ihrer Fraktion DIE LINKE im Bundestag immer für die Rechte der Patientenorganisationen und eine unabhängige Patientenberatung eingesetzt und konsequent vor einer Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, gewarnt. In ihrem Antrag "Patientenberatung stärken und ihr Angebot verbessern" (07.07.2022) forderte sie: "Die UPD soll in eine selbstverwaltete, von direkter Einflussnahme durch Krankenkassen, Leistungserbringende, Wirtschaft und Politik unabhängige Institution, etwa eine Stiftung privaten Rechts, überführt werden."

Die geladenen Sachverständigen der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu diesem Antrag (07.11.2022) unterstützten mehrheitlich die Finanzierung der UPD-Stiftung durch Steuermittel und die Forderung nach einer institutionell unabhängigen Stiftung. Hierfür hatte sich Kathrin Vogler auch in einer Pressemitteilung zur Anhörung stark gemacht: "Die Unabhängige Patientenberatung braucht einen Neustart. Diese Aufgabe einer neu einzurichtenden Stiftung zu übertragen, entspricht auch unserer Forderung. Aber den GKV-Spitzenverband zum Stifter zu machen, wie es die Bundesregierung jetzt plant, ist nicht sachgerecht. Denn viele Menschen, die sich an die UPD wenden, tun das wegen Konflikten mit ihrer Krankenkasse." Nach dem  UPD-Jahresbericht 2022 umfasst die Beratung zu Krankenkassenthemen fast die Hälfte der rechtlichen Beratungsleistungen.

In ihrer Rede "Die UPD wirklich staatsfern und unabhängig aufstellen!" in der ersten Lesung des UPD-Gesetzwurfs am 26. Januar 2023 formulierte Kathrin Vogler u.a. noch einmal den den Finanzierungsvorschlag aus dem Fraktionsantrag: "Unser Vorschlag, die Stiftung aus Steuermitteln zu errichten, ist da deutlich nachhaltiger. Und es wäre auch wichtig, dass wir dafür nicht 15 Millionen Euro, sondern 20 Millionen Euro jährlich vorsehen, damit nicht schon am Anfang eine Unterfinanzierung eingeplant ist. Ich meine, 25 Cent pro Kopf und Jahr für Patientenberatung können wir uns als Staat schon leisten".

In einer Pressemitteilung zum zehnten Jahrestag der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes am 20. Februar 2023 wiederholte Kathrin Vogler die Forderung nach einer unabhängige Patientenberatung: „Wenn die Patientenrechte gestärkt werden sollen, dann muss jetzt zügig eine wirklich unabhängige Patientenberatung eingerichtet werden, dann braucht es jetzt einen Härtefallfonds für Behandlungsfehler und eine Beweislastumkehr" und kritisierte, der Gesetzentwurf aus dem Hause Lauterbach gewährleiste die für das Vertrauen in die Beratung so wichtige Unabhängigkeit nicht: "Hier muss dringend nachgebessert werden.“ In einer Pressemitteilung vom 27. Februar bekräftigte sie diese Kritik: "Die Finanzierung über die Krankenkassen muss weg, sonst droht die Unabhängigkeit im Namen ein Etikettenschwindel zu werden."

In ihrer Rede in der 2./3. Lesung des UPD-Gesetzwurfs am 16. März 2023 "Für eine wirklich unabhängige Patientenberatung im Interesse der Patient*innen!" fasste Kathrin Vogler den Konflikt noch einmal zusammen: "Es fehlt die wirkliche Unabhängigkeit der Stiftung. Der Spitzenverband der Krankenkassen wird mit der Errichtung und Finanzierung der Stiftung beauftragt. So gut wie alle Beteiligten lehnen diese Konstruktion ab. Sogar die Krankenkassen lehnen sie ab. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht dadurch sogar die Verfassungsmäßigkeit in Gefahr. Das heißt: Es drohen Klagen gegen dieses Gesetz, und damit riskiert die Ampel in fahrlässiger Weise den nahtlosen Übergang der UPD zum Jahreswechsel. Was außerdem fehlt, ist eine wirklich starke Patientenbeteiligung in den Stiftungsgremien. Die Linke findet es selbstverständlich bei einer Stiftung, die für die Interessen der Patientinnen und Patienten arbeiten soll, dass die Patientenorganisationen bei Entscheidungen die Mehrheit haben müssen. ... Die Linke wird sich weiterhin für eine wirklich patientenorientierte und unabhängige Patientenberatung einsetzen, die aus dem Bundeshaushalt ausreichend finanziert ist und in der die Patientenverbände das Sagen haben."

Der aktuelle Stand: zerstört Lauterbachs Kuhhandel die UPD?

Am 21. Juli erhob Kathrin Vogler in einer Pressemitteilung erstmals öffentlich die Forderung nach einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses zur Unabhängigen Patientenberatung. Sie warnte: „Der Kuhhandel zwischen Gesundheitsministerium und GKV-Spitzenverband gefährdet die Unabhängigkeit der geplanten Patientenberatung. DIE LINKE fordert eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses ... Das Parlament muss sich mit dem Thema befassen, bevor in der Sommerpause zwischen BMG und GKV-SV Fakten geschaffen werden, die kaum mehr korrigiert werden können. Der Deal zwischen BMG und GKV-SV widerspricht dem Geist des Gesetzes, das die Koalition beschlossen hat." Inzwischen haben Gesundheitsausschuss und Bundestagspräsidentin dem Antrag von Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE zugestimmt, eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses zum nächstmöglichen Termin anzusetzen. Einziger Tagesordnungspunkt wird "die Absprache des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) bezüglich der Unabhängigen Patientenberatung und deren Folgen sein".

Die Zeit drängt, denn haben GKV-Spitzenverband und BMG  die Satzung der UPD-Stiftung erst einmal einvernehmlich verabschie­det, können Satzungsänderungen nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Stiftungsrates vorgenommen werden. Wobei aktuell noch völlig unklar ist, wie die UPD satzungsmäßig aufgestellt sein wird. Die Parlamen­tarier*innen im Bundestag, die sich seit mehreren Jahren vehement für eine Stiftung für die Unabhängige Patientenberatung einsetzen, werden zur Satzung nicht mehr befragt. Das hat die Mehrheit des Parlaments  am 16. März dieses Jahres so beschlossen.

Am 01. August 2023 wurde bekannt, dass die verbliebenen 120 Beschäftigten der UPD am 1. September ihre Entlassungspapiere mit dem Kündigungstermin zum 31.12 zugestellt bekommen. An dieser Stelle soll daran erinnert werden, was Minister Lauterbach in der Bundestagsdebatte am 26. Januar 2023 (S. 9770) dazu gesagt hat: "Ich möchte mich bei den Patientenorganisationen ganz herzlich bedanken. Ab dem 1. Januar 2024 wird das dann laufen. Wir wollen all die guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt in der UPD mitgearbeitet haben, wenn irgend möglich in die neue Struktur überführen. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch für die Arbeit, die sie geleistet haben, ganz herzlich bedanken. Das war eine großartige Arbeit, die Grundlage dessen, was wir jetzt haben; darauf bauen wir hier auf.")

Die JW zitiert am 05.08.2023 den UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede, der davon ausgeht, dass sich viele der Betroffenen einen anderen Job suchen und dann für den Neuaufbau nicht mehr zur Verfügung stünden: "Der Betrieb muss ziemlich sicher mindestens vorübergehend eingestellt werden."

Die bisherige UPD-Infrastruktur wird gerade aufgelöst. Miet- und Telefonverträge sind gekündigt. Inzwischen verweigern auch wichtige Patientenorganisationen die Kooperation mit der geplanten UPD-Stiftung. Der Sozialverband Deutschland erklärte am 04. August 2023 "gemeinsam mit weiteren maßgeblichen Patientenorganisationen ..., dass sie so nicht an einer UPD mitwirken werden, die vollständig unter der Regie des GKV-SV steht und nicht vorrangig im Sinne der Patientinnen und Patienten agiert".

Schon am 24.02.2023 hatte die UPD in einer Stellungnahme zu den Perspektiven der UPD-Planungen von Gesundheitsministerium und GKV-Spitzenverband konstatiert: "Die Schaffung und der Aufbau einer Stiftung, die zum 01. Januar 2024 für Bürgerinnen und Bürgern ein umfassendes Beratungsangebot mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellt und nahtlos an das bestehende Beratungsangebot anknüpft, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht realistisch."

Jetzt trifft sich der Ausschuss für Gesundheit auf Antrag Kathrin Voglers am Mittwoch, um die Bundesregierung bzw. das Gesundheitsministerium zu befragen, wie man sich dort die Zukunft der UPD vorstellt. Die Hoffnung, dass es Kurskorrekturen seitens des BMG geben wird, ist minimal. Bezeichnend ist, dass Minister Lauterbach seine Teilnahme abgesagt hat. Kathrin Vogler ist deshalb schon im Vorfeld der Sitzung genervt: "Dass er sich dafür nicht einmal eine Stunde Zeit nimmt, kann eigentlich nicht sein."

 

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