Angebliche Finanzhilfen sind Politik gegen die Menschen in Griechenland

Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten

Unter dem Titel "Finanzhilfen zugunsten der hellenischen Republik" bekamen die Bundestagsabgeordneten einen 700 Seiten dicken Antragstext vorgelegt, in den sie gerade mal übers Wochenende Einblick nehmen konnten.

Neben schweren Eingriffen in die Arbeitnehmerrechte geht es dabei vor allem um ein blindwütiges Einsparen öffentlicher Ausgaben. Als stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses geht Kathrin Vogler in ihrer Erklärung zum Abstimmungsverhalten insbesondere auf den gesundheitspolitischen Teil ein.


 

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ abgelehnt, weil ich es beinahe als Verhöhnung des Parlaments empfinde, dass wir hier über einen Text mit über 700 Seiten abstimmen sollten, den wir erst am Wochenende zur Kenntnis nehmen durften. Eine Zustimmung durch dieses Haus, die wahrscheinlich erfolgt ist, verliert für mich ihre Bedeutung, wenn die parlamentarische Beratung eines derart wichtigen Dokuments auf diese Weise unmöglich gemacht wird.

Um den Kollegen Marco Bülow von der SPD zu zitieren: Sie machen die Abgeordneten hier zu Abnickern und Abnickerinnen. Das kann ich vor meinem Gewissen und gegenüber den Wählerinnen und Wählern nicht verantworten.

Als Gesundheitspolitikerin habe ich mir zumindest die Seiten zum Gesundheitswesen näher angesehen. Ich muss sagen: Ich bin entsetzt, und zwar aus zweierlei Gründen:

Zum einen entsetzt mich, wie Sie die Austeritätspolitik, also das blindwütige Einsparen öffentlicher Ausgaben, auf das griechische Gesundheitswesen ausdehnen. Da heißt es etwa, dass sich die griechische Regierung verpflichtet, die öffentlichen Gesundheitsausgaben auf maximal 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen, und das bei, wie wir alle wissen ‑ das haben wir gerade mehrfach gehört ‑, sinkendem Bruttoinlandsprodukt. In Deutschland betragen die Gesundheitsaufwendungen ungefähr 11 Prozent des BIP, und das ist im internationalen Vergleich keineswegs zu viel.

Dieses Paket wird zur Folge haben, dass in Griechenland viele Menschen notwendige Behandlungen nicht mehr erhalten. Schon jetzt sind viele Griechinnen und Griechen aufgrund zunehmender Armut nicht mehr in der Lage, sich mit notwendigen Medikamenten zu versorgen und Krankenhausaufenthalte zu bezahlen. Das ist für mich ein gewichtiger Grund, dieses Paket abzulehnen.

Die Gehälter der Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen sinken, Krankenhäuser geschlossen und die Privatisierung des Gesundheitswesens soll weiter vorangetrieben werden. Das ist giftige Medizin; denn die qualifiziertesten Fachkräfte werden Griechenland verlassen und in anderen EU-Staaten ihr Einkommen suchen. Auch dadurch werden konkret Menschenleben gefährdet, und dem kann ich auf keinen Fall zustimmen.

Zum anderen erstaunt mich, dass Sie hierzulande gebetsmühlenartig predigen, dass Markt und Wettbewerb die besten Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen sind, nun aber die staatliche Regulierung des griechischen Gesundheitswesens vorantreiben wollen. So sollen alle Krankenkassen zentralisiert und dem Gesundheitsministerium unterstellt werden. Vor allem an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses sage ich: Es ist eine Staatsmedizin nach Kassenlage, die Sie damit vorprogrammieren.

Wir haben eine zentrale, öffentliche Festsetzung der Preise für Medikamente gefordert. Wir haben gefordert, dass sich die Arzneimittelpreise an dem niedrigsten Preis orientieren, der in einem anderen EU-Land zu zahlen ist. Wir haben eine Positivliste mit den von den Kassen erstattungsfähigen Medikamenten und die Vorlage einer umfassenden Kosten-Nutzen-Bewertung innerhalb kürzester Zeit gefordert. Sie haben sich geweigert, all dies für Deutschland auch nur in Erwägung zu ziehen. Griechenland soll jetzt ein umfassendes Werbeverbot für Pharmareferenten erhalten. Das ist gut und richtig, aber warum machen wir das nicht auch in Deutschland?

Schon heute sind in Griechenland viele Medikamente deutlich preiswerter als in Deutschland. Jetzt fordern Sie für den griechischen Arzneimittelmarkt weitere drastische Preissenkungen. Wenn in Deutschland auch nur ein Teil davon gefordert wird, äußern Sie stets die Befürchtung, dass einige Pharmahersteller ihre Produkte dann hier vom Markt nehmen würden. In Griechenland werden aufgrund Ihrer harten Vorgaben demnächst manche Präparate möglicherweise überhaupt nicht mehr verfügbar sein oder nur noch für jene, die sich die Medikamente im Ausland für teures Geld beschaffen können. Einer solchen Politik gegen die Menschen in Griechenland kann und will ich nicht zustimmen.