Falscher Doktor Dieter Jasper: Lammert deckt Parteifreund

Persönliche Erklärung vor der Abstimmung

Zur Drucksache  17/4600 hat der Bundestag heute über den angemaßten Doktortitel von Dieter Jasper, direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Steinfurt III, entschieden. Zur Abstimmung gab Kathrin Vogler eine persönliche Erklärung ab:


Wortlaut:

Zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses möchte ich folgende Erklärung abgeben:

Ich werde der vorliegenden Beschlussempfehlung nicht zustimmen, obwohl meine Fraktion, wie auch die anderen Fraktionen des Hauses, sie im Grundsatz mitträgt. Das finde ich erklärungsbedürftig.

Die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses enthält in Anlage 47 den Einspruch eines Wählers aus meinem Wahlkreis 129, Steinfurt III, gegen das Ergebnis der Bundestagswahl in diesem Wahlkreis. Der Wähler führt dort unter anderem an, dass der Stimmzettel für die Wahl nicht korrekt gewesen sei, weil der Kandidat der CDU, Dieter Jasper, dort mit einem Doktortitel aufgeführt war, den er legal nicht hätte führen dürfen, weil dieser bei einer sogenannten Titelmühle in der Schweiz gekauft und nicht durch wissenschaftliche Tätigkeit erworben wurde.

Der Wahlprüfungsausschuss stellt wohl richtig fest, dass der Einspruch dieses Bürgers wegen Fristablaufs nicht mehr zulässig sei. Die Frist zum Einspruch gegen das Wahlergebnis der Bundestagswahl beträgt zwei Monate nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses. Im beschriebenen Fall war es aber so, dass der Tatbestand der Öffentlichkeit bis nach Ablauf der Frist gezielt verheimlicht wurde. Erst im Februar 2010 brachten Medienrecherchen den Skandal ans Licht.

Zu diesem Zeitpunkt hätte nur noch der Präsident des Deutschen Bundestags die Wahl anfechten können. Ich habe damals den Präsidenten des Hauses angeschrieben und ihn gebeten, die Wahl im Wahlkreis 129 anzufechten und Neuwahlen zu veranlassen. Von vielen Wählerinnen und Wählern habe ich damals nämlich gehört, dass sie Herrn Jasper nicht gewählt hätten, wenn sie vorher von seinem Titelbetrug gewusst hätten. Da sein Vorsprung gegenüber dem Mitbewerber von der SPD, Dr. Reinhold Hemker, nicht einmal 2 Prozent der Stimmen betrug, wäre das Direktmandat möglicherweise nicht an Herrn Jasper gegangen, wäre den Wählerinnen und Wählern der Titelkauf vorher bekannt gewesen.

Obwohl der Fristablauf eindeutig und nicht von der Hand zu weisen ist, habe ich den Eindruck, dass in diesem Fall der Ablauf der Einspruchsfrist bewusst oder zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde.

Nach seinen eigenen Aussagen, zitiert in den , hat Dieter Jasper schon im Oktober 2009 gegenüber dem Bundestagspräsidium offengelegt, dass er den Titel nicht legal hätte führen dürfen. Ich gehe davon aus, dass auch die Führung der Unionsfraktion informiert gewesen sein muss.

Wenn die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt über den Titelbetrug informiert worden wäre, hätte eine Beschwerde fristgerecht eingereicht werden können.

Dass Bundestagspräsident Dr. Lammert diese Mauschelei seines Parteifreunds gedeckt hat, hat mich politisch und menschlich schwer enttäuscht.

Zumindest aber hätte der betroffene Kollege den Anstand besitzen können, sein auf Lug und Trug basierendes Mandat freiwillig zurückzugeben.

Insgesamt stellt sich für mich die Frage, ob die absolute Frist für Wahleinsprüche , die der Rechtssicherheit dienen soll, letzten Endes nicht ein Klima der Vertuschung begünstigt, das für die Demokratie womöglich schädlicher ist als ein geringes Restrisiko an Rechtsunsicherheit.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind in der Politik unverzichtbar; sie sind in diesem Fall mit Füßen getreten worden.

Vermutlich könnte nur das Bundesverfassungsgericht diese Frage endgültig klären, es sei denn, wir als Gesetzgeber nehmen den Fall zum Anlass, das Bundeswahlgesetz zu ändern; dafür würde ich mich starkmachen. Meine Unterstützung gilt in diesem Fall dem Einspruchsführer. Auch deswegen stimme ich gegen diese Beschlussempfehlung.

Vielen Dank.