Große Koalition macht Deal mit Big Pharma

Rede im Bundestag

Die große Koalition schenkt den großen Pharmakonzernen etwa zwei Milliarden Euro jährlich. Kathrin Vogler kritisiert in ihrer Rede vor dem Bundestag am 20.02.2014 den Deal der Großen Koalition mit den Pharmakonzernen und erläutert die Gegenvorschläge der LINKEN: Wir wollen die Nutzenbewertung des Bestandsmarkts erhalten und den Herstellerrabatt für die teuren patentgeschützten Arzneimittel bei 16 Prozent fortschreiben.

Rede von Kathrin Vogler am „14. SGB V-Änderungsgesetz“ am 20.02.2014

Das Video der Rede ist hier online verfügbar.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Minister, der Titel des Gesetzentwurfs, über den wir heute debattieren, macht nicht besonders neugierig auf den Inhalt. Aber ich finde, es lohnt sich, beim 14. SGB V-Änderungsgesetz hinter die Kulissen zu schauen.

Worum geht es? In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD einen aus meiner Sicht äußerst fragwürdigen Deal zugunsten der Pharmaindustrie und zulasten der Patientinnen und Patienten und der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler ausgehandelt.

Vor anderthalb Stunden habe ich in der Debatte über die UPD, bei der es um wenige Millionen Euro ging, gehört, dass Vertreter der Union sehr sorgsam mit Versichertengeldern umgehen wollen. Jetzt schenkt die Große Koalition den Pharmakonzernen etwa 2 Milliarden Euro jährlich, natürlich nicht aus ihrer eigenen Tasche; denn dann wäre die geplante Diätenerhöhung ziemlich rasch verbraucht.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

Sie greifen wieder einmal in die Taschen der Versicherten, also der Beschäftigten, der Rentnerinnen und Rentner und aller Kassenmitglieder. Damit sie das nicht so bemerken, nehmen Sie den Pharmafirmen wieder ein bisschen weg; aber nicht mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das macht alles in allem eine Belastung von 1,5 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Beitragszahlerin in der gesetzlichen Krankenversicherung wird also in jedem Jahr circa 30 Euro draufzahlen müssen.

Wie machen Sie das? Die Krankenkassen erhalten von den Pharmafirmen einen gesetzlichen Herstellerabschlag, den sogenannten Herstellerrabatt. Bis Ende des letzten Jahres lag er bei 16 Prozent. Dann fiel er auf 6 Prozent, weil weder die alte noch die neue Koalition etwas unternahm, um die Dauer dieser Regelung zu verlängern. Jetzt erzählt uns Minister Gröhe etwas von einer Erhöhung auf 7 Prozent. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Taschenspielertrick: linke Tasche rein, rechte Tasche raus. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem wollen Sie für die patentgeschützten und die besonders teuren Medikamente, die vor 2011 auf den Markt gekommen sind, die Nutzenbewertung abschaffen. Das ist wirklich ärgerlich, weil dadurch einige Hundert Millionen Euro aus den Taschen der Versicherten in andere Taschen wandern. Das wäre schon ein ausreichender Grund, zu diesem Gesetz Nein zu sagen. Uns geht es aber vor allem um die Behandlungsqualität. Die Patientinnen und Patienten haben ein Recht darauf, dass es für ihre Arzneimittel eine Bewertung des Nutzens und des Zusatznutzens aus Patientensicht gibt; denn leider haben die meisten teuren Präparate keinen Nutzen, außer für diejenigen, die damit Geld verdienen wollen.

Passend zur Zweiklassenmedizin schaffen Sie auch noch Zweiklassenmedikamente. Die ganz neuen Medikamente müssen sich der Prüfung unterziehen, die nicht ganz so neuen bleiben außen vor. Dafür haben Sie in der öffentlichen Sachverständigenanhörung jede Menge Kritik bekommen. Nicht nur die Vertreter der Kassen, sondern auch die Ärzteschaft und Patientenorganisationen unterstützten den Änderungsantrag der Linken, die Nutzenbewertung im Bestandsmarkt fortzusetzen.

Sie argumentieren, dass die bisherige Regelung zu kompliziert und rechtlich angreifbar gewesen sei. Ich meine, wenn das so ist, muss man die Regelung einfacher, klarer und juristisch weniger angreifbar machen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Die Abschaffung der Bewertung ist aus Patientensicht der falsche Weg. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir hätten auch mindestens einen Lösungsvorschlag. Die Linke fordert seit Jahren ein Studienregister, in das alle Studien zu Arzneimitteln vor Beginn verpflichtend eingetragen werden müssen. Das gilt auch für die Studien, die später abgebrochen werden. Sämtliche Ergebnisse müssen öffentlich zugänglich sein. Wenn wir auf diese Art und Weise die gesamten Informationen transparent haben, dann würde auch die Nutzenbewertung mit geringerem Aufwand möglich sein, und die Hersteller könnten die Ergebnisse nicht mehr so leicht frisieren. Das fordern auch die Grünen in ihrem Entschließungsantrag. Dieser Forderung schließen wir uns an. Lassen Sie uns entsprechende Regelungen gemeinsam auf den Weg bringen; denn damit wäre ein großer Schritt zu mehr Transparenz und Qualität in der Arzneimittelversorgung getan.

Ich werbe hier jetzt ausdrücklich um Ihre Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen. Wir wollen die Nutzenbewertung des Bestandsmarkts erhalten und den Herstellerrabatt für die teuren patentgeschützten Arzneimittel bei 16 Prozent fortschreiben. Grundsätzlich halten wir die Preiskontrolle mit dem Rasenmäher – nichts anderes sind diese Herstellerrabatte – allerdings nicht für optimal. Deswegen wollen wir die Regelung bis Ende 2015 befristen und die Zeit nutzen, um einen anderen, nutzenorientierten Mechanismus der Preisbildung zu schaffen.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Und wie schaut der aus?)

Ihrem Gesetzentwurf können wir in der jetzigen Form nicht zustimmen. Für Taschenspielertricks zulasten der großen Mehrheit der Menschen steht die Linke nicht zur Verfügung.

(Beifall bei der LINKEN)