Organtransplantation braucht Vertrauen und Transparenz

Rede zu Protokoll

Auch ein Jahr nach den Transplantationsskandalen in Göttingen, Regensburg, Hamburg, Leipzig und anderen Zentren ist noch keine Änderung des Transplantationsgesetzes erfolgt. Die Bundesregierung und auch die SPD haben auf Zeit gespielt und so verhindert, dass noch in dieser Wahlperiode die notwendigen Weichenstellungen für ein Transplantationswesen, das transparent und vertrauenswürdig ist, auf den Weg gebracht wurden. So wird es bei den unzureichenden Reförmchen bleiben, die das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit der Bundesärztekammer, der Krankenhausgesellschaft und der DSO beim Krisengipfel vom 27. August letzten Jahres vereinbart hat, die allerdings bei Weitem nicht ausreichen. DIE LINKE und auch die Grünen haben ihre Vorstellungen dem Bundestag vorgelegt.

Lesen Sie hier die Rede, die zu Protokoll ging:


Vor genau einem Jahr hat sich der Bundestag zum letzten Mal ausführlich mit Organtransplantation beschäftigt. Damals ging es vor allem um die so genannte Entscheidungslösung, mit der mehr OrganspenderInnen gewonnen werden sollten. Gleichzeitig wurde noch ein Gesetz zur Organisation des Transplantationswesens, das TPG-Änderungsgesetz beschlossen – gegen die Stimmen der LINKEN.

Kaum hatte der Bundespräsident diese Gesetze unterschrieben – die Tinte war noch nicht ganz trocken – als im Juli 2012 die erste „Bombe“ mit dem Göttinger Transplantationsskandal platzte. Dort hatten Mediziner Krankenakten manipuliert, um schneller an Organe für Transplantationen zu kommen. Später wurden weitere ähnliche Vorfälle aus Regensburg, Hamburg und Leipzig aufgedeckt.

Dabei war schon im Frühjahr 2012 klar geworden, dass es bei Organtransplantationen oft nicht so sauber zugeht, wie wir es die Bürgerinnen und Bürger mit Recht erwarten. DIE LINKE hatte schon damals mit einem Antrag mehr Transparenz, Kontrolle und Legitimierung der mit Organtransplantationen beauftragten Organisationen gefordert. Damals war es die DSO, die Deutsche Stiftung Organspende, die mit zweifelhaftem Geschäftsgebaren von sich reden machte.

Aber die Mehrheit des Bundestags ging davon aus, es wäre für das Vertrauen der Bevölkerung und für die Spendenbereitschaft besser, die Missstände unter den Teppich zu kehren. Noch bis Sommer letzten Jahres meinten einige gar, nicht Schummeleien und Manipulationen bei der Organzuteilung und bei der Koordinierung des Transplantationsgeschehens wären der wahre Skandal, sondern Medienberichte über diese Machenschaften. Aber Ihre Taktik ist leider gescheitert. Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist massiv zurückgegangen und wenn wir weiter nichts tun, dann können wir das verlorene Vertrauen eben nicht zurückgewinnen und dann warten noch mehr Menschen vergeblich auf ein Spenderorgan.

Deswegen hätte ich mir sehr gewünscht, dass wir heute - nach einem Jahr - gemeinsam mit einem Gesetzentwurf die Missstände beheben und so das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wieder herstellen. Aber die Regierungsfraktionen und auch die SPD haben auf Zeit gespielt und so verhindert, dass noch in dieser Wahlperiode gesetzliche Veränderungen stattfinden können. So wird es bei den unzureichenden Reförmchen bleiben, die das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit der Bundesärztekammer, der Krankenhausgesellschaft und der DSO beim Krisengipfel vom 27. August letzten Jahres vereinbart hat.

Das Sechs-Augen-Prinzip, etwas häufigere Prüfungen der Zentren oder eine Verbesserung der Dokumentation sind ja nicht verkehrt. Wir meinen jedoch, das reicht hinten und vorn nicht. Darum haben wir das, was bei Ihrem Krisengipfel vereinbart wurde, geprüft, sinnvolle Elemente in unseren Antrag übernommen und sie um weitergehende Forderungen ergänzt.

Das betrifft zum Beispiel die Ärzte, die Patientendaten manipulieren: Diese gehen nach heutiger Rechtslage straffrei aus, wenn sie erklären, sie hätten nur im Interesse ihrer Patienten gehandelt und wenn nicht im Einzelfall bewiesen werden kann, welche ganz konkrete Patientin in einem anderen Krankenhaus durch die Schummeleien in Göttingen um ein Spenderorgan betrogen wurde und eventuell dadurch sogar verstorben ist. Die Linke meint: Hier müssen im Arbeits-, Berufs- und Standesrecht wirksame Sanktionen ermöglicht werden. Bonuszahlungen und andere Anreize zur Mengenausweitung gehören in diesem hoch sensiblen Bereich gesetzlich verboten.

Außerdem fordern wir, dass neben einem Transplantationsregister für Patienten auch die Ärzte, die auffällig geworden sind, registriert werden. Sonst reicht in unserem Bundesstaat eventuell der Umzug von Regensburg nach Göttingen, um einem schwarzen Schaf wieder ein weißes Fell zu verpassen.

Die Kontrollen der Transplantations-Zentren müssen noch engmaschiger und effizienter gestaltet werden. Und nicht zuletzt müssen die Aufgaben der Bundesärztekammer und der DSO neu überdacht werden: Dürfen Koordinierung, Durchführung und Richtlinienkompetenz der Organtransplantation wirklich an einen Verein und an eine private Stiftung delegiert werden? Nach dem immensen Vertrauensverlust muss die Überführung der Koordinierungsstelle in eine Körperschaft öffentlichen Rechts oder in eine Behörde ernsthaft erwogen werden.

Wir müssen über die Missstände im Transplantationssystem offen diskutieren und um wirksame Lösungen ringen, denn nur dann können wir den Menschen guten Gewissens garantieren: Als Organspender und als Organempfänger könnt ihr euch in unserem Gesundheitswesen darauf verlassen, dass es gerecht zugeht! Deswegen bitte ich Sie darum, unseren Antrag und den von Bündnis90/Die Grünen ernsthaft zu prüfen und damit eine neue Kultur der Transparenz und des Vertrauens zu ermöglichen.

Ich danke Ihnen.