Patientenrechte stärken - Betroffenen schnell helfen

Rede

Patientinnen und Patienten dürfen nicht länger ohnmächtig und hilflos bleiben, wenn sie falsch behandelt wurden. Darum fordert DIE LINKE vollständige und ungefälschte Krankenunterlagen, ein verpflichtendes Fehlerregister, Erleichterungen bei der Beweisführung und eine schuldunabhängige Entschädigungsregelung, damit die Betroffenen möglichst schnell Hilfe erhalten.


Rede im Wortlaut:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Diesen Satz hört man oft, wenn man mit Patientinnen und Patienten spricht, die sich von ihrem Arzt, ihrer Krankenkasse oder im Krankenhaus schlecht behandelt fühlen. Damit drücken sie letztlich nur aus, wie sie sich in einer solchen Situation fühlen, nämlich ohnmächtig, hilflos und allein gelassen.

Das Vertrauen in die Ärztin oder den Arzt spielt - das wissen wir alle; das ist inzwischen durch Studien gut belegt - eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Krankheiten und für den Heilungsprozess. Die Arztpraxis ist nämlich kein Medika-Markt für Gesundheitsdienstleistungen, und der kranke Mensch ist kein Kunde, der sein defektes Gerät im Garantiefall zurückgeben kann, wenn jemand in der Fabrik gepfuscht hat. Gesundheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Ware.

In den allermeisten Fällen erweist sich das Vertrauen in die Behandelnden und die Pflegenden als absolut gerechtfertigt.
Doch überall da, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Wer die Arbeitsbedingungen in den meisten deutschen Kliniken kennt und liest, was das Pflege-Thermometer herausgefunden hat - chronischer Mangel; durch den Stellenabbau in den Kliniken wächst auch das Risiko für Patienten - wundert sich, dass in deutschen Kliniken nicht noch sehr viel mehr passiert. Da muss man wirklich sagen: Hut ab vor den Beschäftigten, die unter diesem Druck und diesen Bedingungen noch so gute Arbeit leisten!

Für kranke Menschen bedeutet ein Behandlungsfehler in der Regel, dass ein schon vorhandenes Leiden verschlimmert wird oder neue Beschwerden hinzukommen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich hätte in einer solchen Situation nicht die Kraft, um mein Recht zu kämpfen und nach dem Schuldigen zu suchen. Ich denke, das geht den meisten Menschen genauso.Leider ist die Situation aber so: Wenn doch einmal etwas schiefgeht, dann finden sich die Patientinnen und Patienten ganz schnell am Ende der Nahrungskette wieder.

Da sind zunächst die Ärztinnen und Ärzte, die mauern und vertuschen. Das tun sie gar nicht bösartig. Vielmehr sind sie dazu in vielen Fällen vertraglich verpflichtet, entweder durch ihren Arbeitgeber oder durch ihre Haftpflichtversicherung. Das ist doch ein Skandal. Daran müssen wir dringend etwas ändern.

Dann erleben viele, dass ihre Krankenakten nicht rechtzeitig, nicht vollständig, nachträglich verändert oder überhaupt nicht herausgegeben werden. Das alles ist zwar völlig rechtswidrig das ist schon nach heutigem Recht illegal , aber die Patientin oder der Patient hat keine Möglichkeit, das Recht auf die eigenen Akten wirksam durchzusetzen.
Deswegen brauchen wir unbedingt spürbare Sanktionen gegen Ärztinnen und Ärzte, die Unterlagen fälschen oder zurückhalten.

Ist es mir als Betroffener dann doch gelungen, die Akten zu erhalten, muss ich auch noch selbst beweisen, dass ich erstens falsch behandelt wurde und zweitens genau diese falsche Behandlung die Ursache für meine neuen Beschwerden ist. Das fällt doch allen schwer, die weder Medizin studiert haben noch das nötige Kleingeld für teure Gutachten besitzen. Deswegen brauchen wir dringend Erleichterungen bei der Beweisführung für die Patientinnen und Patienten.

Wenn ich all diese Widrigkeiten überwunden habe, dann finde ich mich wieder in einem schier undurchdringlichen Paragrafendschungel aus Zivilrecht, Sozialrecht, Strafrecht, Arzthaftungsrecht und Arzneimittelrecht, in dem sich selbst gestandene Juristinnen und Juristen verirren können, und das alles in einer Situation, in der ich ohnehin gesundheitlich und emotional belastet bin. Also fühle ich mich wieder hilflos, ohnmächtig und allein gelassen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht so nicht weiter.

Was wir brauchen, ist eine veränderte Perspektive. Der betroffene Mensch muss in den Mittelpunkt unserer Überlegungen rücken. Er hat nämlich ein Recht darauf, dass ihm geholfen wird und dass alles getan wird, um sein zusätzliches Leid zu lindern, ohne dass er dafür von Pontius zu Pilatus laufen muss. Wir brauchen daher ein Patientenrechtegesetz, das nicht nur die bisherigen Regelungen zusammenfasst, sondern die Patientinnen und Patienten wirklich in die Lage versetzt, ihre Rechte durchzusetzen. Darin stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Zöller.

Das muss auch nicht etwa neue Bürokratie in den Praxen und Kliniken bedeuten, wie es der Deutsche Ärztetag befürchtet. Wenn wir eine Regelung schaffen, die Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, mit Fehlern offen umzugehen und sich selbst um Schadensbegrenzung und Hilfe für die Betroffenen zu kümmern, dann haben letztlich alle etwas davon.

Es kann doch niemand wirklich wollen, dass langwierige Schiedsverfahren geführt werden müssen, die nach durchschnittlich 13 Monaten meistens ausgehen wie das Hornberger Schießen, oder dass sich der Arzt und der Patient in teuren Gerichtsverfahren gegenüberstehen, die das dringend benötigte Vertrauensverhältnis vernichten und an denen sich nur Anwaltskanzleien und Versicherungskonzerne eine goldene Nase verdienen. Deswegen fordern wir als Linke eine verschuldensunabhängige Entschädigung.

Es ist doch absurd, wie viel Energie, Zeit und Geld seitens der Ärzteschaft und ihrer Versicherungen darauf verschwendet werden, die Ansprüche der Patientinnen und Patienten juristisch abzuwehren, statt dieses Geld und diese Energie darin zu investieren, dass es den Betroffenen möglichst schnell wieder besser geht.
Auch von einem verpflichtenden Fehlerregister könnten alle Beteiligten profitieren; denn erst dann, wenn alle Behandlungsfehler systematisch dokumentiert werden, kann man sehen, wo besondere Risiken liegen und wie man sie vermeiden kann.

Aber hier knicken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrem Antrag leider wieder einmal vor der geballten Macht der Ärztelobby ein, wenn Sie statt einer Verpflichtung nicht mehr fordern als die ich zitiere „Auflegung eines Programms zur Förderung von Risikomanagement- und Fehlermeldesystemen …“. Das ist ganz schön, aber das reicht hinten und vorne nicht. Ich bin der Auffassung, dass uns freiwillige Vereinbarungen auf diesem Feld nicht weiterhelfen.
Freiwillig machen so etwas nämlich nur diejenigen mit, die sowieso beson-ders sorgfältig arbeiten und von sich aus einen hohen Anspruch an ihre eigene Qualität haben. Das ist so wie in der Schule: Die freiwilligen zusätzli-chen Hausaufgaben machen immer nur die Kinder, die keine zusätzlichen Übungen brauchen. Also: Fehlerregister her, aber bitte verpflichtend!

Es zeugt auch nicht wirklich von Ihrem Realitätssinn, wenn Sie im Einleitungsteil Ihres Antrags erst einmal feststellen, dass doch alles recht gut sei, und das alles auf Ihre Regierungszeit zurückführen. Immerhin haben Sie das Amt des bzw. der Patientenbeauftragten geschaffen. Das klingt schön, bringt aber wenig Konkretes. Schließlich wird diese Person jeweils aus dem Kreis der Regierungskoalition gewählt und vertritt dementsprechend auch deren Politik, auch gegenüber den Patientinnen und Patienten.
Wie mir berichtet wurde, beklagte sich zum Beispiel ein Patient vor einigen Jahren bei Ihrer damaligen Patientenbeauftragten Kühn-Mengel über die unsozialen Auswirkungen von Praxisgebühr und Zuzahlungen. Als Antwort wurde ihm gesagt, er solle doch einmal nach Ägypten fahren und sich die dortige Situation anschauen; dann würde er sehen, wie gut es uns doch hier geht, auch den Leuten mit wenig Geld. So etwas ist doch einfach nur zynisch.
Das ist kein Schreiben gewesen, das ist ein Telefongespräch mit einem Mitarbeiter gewesen. Ich kann Ihnen das aber schriftlich einreichen.
Einer solchen patientenfreundlichen Haltung will aber auch unser neuer Patientenbeauftragter, Herr Zöller von der CSU, nicht nachstehen.

In der FAZ vom 30. November 2009 - das habe ich hier vorliegen; das kann ich Ihnen direkt zeigen - wird er mit den Worten zitiert, die Praxisgebühr könne abgeschafft werden, da sich zu viele Patientinnen und Patienten davon befreien lassen könnten und sie deshalb den Krankenkassen zu wenig Geld bringt. Ach so, würden also mehr Patientinnen und Patienten öfter und mehr Praxisgebühr zahlen, dann wäre der Patientenbeauftragte damit zufrieden? Dann könnte man sie beibehalten? Das ist eine Vertretung von Patienteninteressen, über die man nur noch den Kopf schütteln kann.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es ist gut, dass Sie jetzt ein Patientenrechtegesetz fordern. Schade ist nur, dass Sie elf Jahre in der Regierung waren und nichts davon auf den Weg gebracht haben. Erst kurz vor der Bundestagswahl kam Ihre Arbeitsgruppe mit einem Positionspapierchen zum Thema Patientenrechte, und erst jetzt, da Sie nichts mehr zu entscheiden haben, legen Sie einen Antrag vor. Für mich verstärkt das leider den Eindruck, den ich von Ihrer Arbeit habe. Sie haben manchmal wirklich gute Ideen, die ich nur unterstützen kann, aber sie werden nur dann in einem Antrag aufgegriffen, wenn Sie sicher sind, dass Sie diese ganz bestimmt nicht durchsetzen können.Ich hoffe nur, dass Hannelore Kraft in NRW das ganz anders macht, sonst wird sie nicht Ministerpräsidentin.