Pharmapreise: die Industrie-freundliche Politik der neuen Koalition wird durch 3 Monate Verlängerung des Preismoratoriums nicht geheilt

Rede im Bundestag

Es ist zwar zu begrüßen, dass nun das Einfrieren der Arzneimittelpreise auf die Schnelle um drei Monate verlängert werden soll, damit weitere Gesetze zur Regulierung der Pillenpreise in einem geordneten Verfahren erfolgen können. Aber was die Bundesregierung – mit einer Mehrheit von 80 Prozent im Bundestag - plant, ist keine Politik für die Mehrheit der Menschen, sondern für die Minderheit der Aktionäre. Denn der Verzicht auf eine Nutzenbewertung auch für ältere Medikamente bedeutet weniger Qualität für die Patientinnen und Patienten. Eine Fortsetzung des Preismoratoriums sowie ein – von 16 auf 7 Prozent abgesenkter – pauschaler Herstellerabschlag bedeuten Kostendämpfung mit dem Rasenmäher anstatt gezielter Politik gegen die Mondpreise der forschenden Pharmaindustrie, aber auch gleichzeitig ein Geschenk in Milliardenhöhe für die Pharmakonzerne.

Die Rede als Video können Sie hier sehen.

Es ist zwar zu begrüßen, dass nun das Einfrieren der Arzneimittelpreise auf die Schnelle um drei Monate verlängert werden soll, damit weitere Gesetze zur Regulierung der Pillenpreise in einem geordneten Verfahren erfolgen können. Aber was die Bundesregierung – mit einer Mehrheit von 80 Prozent im Bundestag - plant, ist keine Politik für die Mehrheit der Menschen, sondern für die Minderheit der Aktionäre. Denn der Verzicht auf eine Nutzenbewertung auch für ältere Medikamente bedeutet weniger Qualität für die Patientinnen und Patienten. Eine Fortsetzung des Preismoratoriums sowie ein – von 16 auf 7 Prozent abgesenkter – pauschaler Herstellerabschlag bedeuten Kostendämpfung mit dem Rasenmäher anstatt gezielter Politik gegen die Mondpreise der forschenden Pharmaindustrie, aber auch gleichzeitig  ein Geschenk in Milliardenhöhe für die Pharmakonzerne.


 

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Vielen Dank. ‑ Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute liegen uns zwei Gesetzentwürfe der Regierungskoalition zur Arzneimittelpolitik vor. SPD und Union wollen das Preismoratorium für Arzneimittel ohne Festbetrag verlängern, damit die Preise nicht wieder in den Himmel steigen. Ich sage ganz deutlich: Ich freue mich, dass Sie hiermit ein Anliegen der Linken aufgegriffen haben,

(Jens Spahn (CDU/CSU): Ach!)

das wir schon im Juni in Form eines Antrags in den Bundestag eingebracht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Tatsächlich drängt jetzt die Zeit; denn würde der Preisstopp nicht noch diese Woche verlängert, dann drohten ab dem 1. Januar 2014 Mehrausgaben für die gesetzlichen und auch für die privaten Krankenversicherungen in Höhe von schätzungsweise 600 Millionen Euro jährlich. Weil Sie ja im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, die Arbeitgeberbeiträge nicht zu erhöhen, müssten diese Mehrausgaben, genau wie alle anderen Kostensteigerungen, allein von den Versicherten getragen werden. Das Preismoratorium ist also notwendig und dringlich. Deswegen wird die Linke diesem Gesetzentwurf morgen zustimmen, und deswegen haben wir auch dem beschleunigten Verfahren zugestimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der zweite Gesetzentwurf jedoch findet ebenso klar nicht unsere Zustimmung. Sie wollen den Rabatt, den alle Hersteller den gesetzlichen Krankenkassen einräumen müssen, von 6 auf 7 Prozent anheben. Dafür fällt aber der Sonderrabatt von 10 Prozent auf die nicht festbetragsfähigen Arzneimittel zum Ende des Jahres weg. Das bedeutet Kostendämpfung mit dem Rasenmäher anstatt gezielter Politik gegen die Mondpreise der forschenden Pharmaindustrie.

Wir als Linke sagen: Wirkliche Innovationen, also neue Mittel, die echte Fortschritte im Sinne der Therapie bedeuten, sollen gut bezahlt werden. Scheininnovationen hingegen ‑ das ist leider die große Masse ‑ dürfen nicht teurer sein als bewährte Medikamente mit demselben Nutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit kommen wir zum zweiten Teil des zweiten Gesetzentwurfes. Sie wollen nämlich Arzneimittel, die schon vor 2011 auf dem Markt waren, von der Nutzenbewertung freistellen. Seit 2011 gilt nämlich das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, das AMNOG. Das regelt, dass alle neuen Arzneimittel auf dem Markt auf ihren Nutzen für die Patientinnen und Patienten überprüft werden, bevor Krankenkassen und Unternehmen miteinander einen Preis vereinbaren. Das Prinzip in Kürze: Was nicht mehr bringt als ein vorhandenes Medikament, das soll auch nicht mehr kosten dürfen. Gut so weit.

Auf Anfrage der Linksfraktion antwortet uns jetzt die Bundesregierung, dass aktuell von den 243 patentierten Arzneimitteln noch 199 auf diese Nutzenbewertung warten. Tatsache ist, dass das Einsparpotenzial durch die Nutzenbewertung, das uns damals die schwarz-gelbe Koalition auf 2 Milliarden Euro jährlich beziffert hat, noch nicht annähernd erreicht ist. Schon allein dies wäre ein hinreichender Grund, an der Nutzenbewertung auch für ältere Medikamente festzuhalten.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass bislang nicht mehr als 180 Millionen Euro jährlich durch dieses Verfahren eingespart werden. Bei einem Gesamtvolumen von 29,2 Milliarden Euro jährlich ist das kaum mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

(Harald Weinberg (DIE LINKE): So ist das!)

Viel gravierender aus der Sicht der Patientinnen und Patienten ist doch, dass Sie mit dem Verzicht auf die Nutzenbewertung des Bestandsmarktes ohne Not ein Instrument der Qualitätssicherung aus der Hand geben. Ich zitiere aus Ihrem Koalitionsvertrag.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Es ist schon mal gut, dass Sie ihn gelesen haben! - Gegenruf des Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Doch! Das machen wir!)

- Ja, ich habe ihn gelesen. Sie auch?

(Beifall bei der LINKEN)

Darin heißt es im ersten Satz zum Abschnitt Gesundheitspolitik:

Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualität ihrer medizinischen Versorgung.

Die Unterschrift unter der Ernennungsurkunde des neuen Gesundheitsministers, dem ich auch herzlich gratuliere, ist noch nicht ganz trocken, da erweist sich dieser Satz schon als hohle Phrase. Wenn es nämlich konkret wird, dann kapitulieren Sie doch leider wieder vor der Industrie und deren wirtschaftlichen Interessen.

(Harald Weinberg (DIE LINKE): So ist das!)

Als Begründung hat uns der Kollege Spahn gerade die Schwierigkeiten, die das Verfahren zweifelsohne macht, genannt. Denn die Unternehmen wehren sich mit Klagen gegen die Einschränkung ihrer Profitmöglichkeiten. Sie wollen eben keine unabhängige Prüfung ihrer Produkte. Das ist aus deren Sicht auch absolut nachvollziehbar: Unternehmen handeln im Interesse ihrer Aktionäre. Aber Sie als Bundesregierung, die hier im Hause eine Mehrheit von 80 Prozent haben, sollten Politik für die Mehrheit der Menschen machen und nicht für die Minderheit der Aktionäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Daran werden wir als Linke Sie immer wieder erinnern. In diesem Sinne freue ich mich schon sehr auf die Beratungen zu diesem zweiten Gesetzentwurf im Gesundheitsausschuss.

Danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)