PID-Zulassung führt zu Unterscheidung in lebenswertes und lebensunwertes Leben

Rede

Als Mitinitiatorin des Gesetzentwurfs für ein Verbot der PID hat Kathrin Vogler (DIE LINKE) ihrer Rede noch einmal eindringlich an alle Bundestagabgeordneten appelliert und sich für ein umfassendes Verbot der Präimplantationsdiagnostik eingesetzt. Die PID-Zulassung bedeutet, zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden, und stellt einen Paradigmenwechsel dar.


Rede im Wortlaut:

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Seit dem BGH-Urteil vor ungefähr einem Jahr machen wir uns hier im Haus sehr intensiv, ernsthaft und manchmal auch auf etwas emotionale Weise Gedanken über die Präimplantationsdiagnostik. Heute werden wir entscheiden: ohne Fraktionsbindung, jede und jeder nur nach seinem oder ihrem Gewissen. Ich respektiere absolut die Gewissensentscheidung derjenigen, die hier zu einem anderen Schluss gekommen sind als ich. Aber ich möchte doch einige offene Fragen aufwerfen, die Sie sich vielleicht nicht so gestellt haben, und bitte Sie, darüber nachzudenken.


Zuerst einmal bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen: Jeder hier im Haus hat Verständnis für den Wunsch von Menschen, die von einer Erbkrankheit betroffen sind, nach einer glücklichen Schwangerschaft und nach Geburt eines gesunden Kindes. Niemand hier möchte Menschen in Not allein lassen. Aber wir müssen uns ganz nüchtern fragen, ob das, was wir hier gesetzgeberisch tun, nicht doch weitreichendere Folgen hat, Folgen, die wir so nicht beabsichtigen.


Ich weiß aus vielen Diskussionen und Gesprächen mit Mitgliedern meiner Fraktion, dass es ganz unterschiedliche Motive gibt, dem Gesetzentwurf der Gruppe Flach/Hintze zuzustimmen. Es gibt diejenigen, die eine möglichst uneingeschränkte Freigabe der PID wollen. Andere wollen nur in ganz eingeschränkten Situationen wenigen Paaren helfen und glauben, dass sie das mit diesem Gesetzentwurf am besten können.


Nun lassen sich diese ganz unterschiedlichen Sichtweisen ausgesprochen schwer in einem Gesetzentwurf zusammenbringen. Deswegen hat er einige Unschärfen, die für mich viele Fragen offenlassen. Ein Beispiel ist der Begriff der schwerwiegenden Erkrankung. Befürchten nicht auch Sie, dass dieser Begriff zu einer Ausweitung geradezu einlädt? Was „schwerwiegend“ ist, empfindet doch jeder Mensch anders.


Ich habe hier zum Beispiel den Eintrag einer jungen Frau aus einem Kinderwunschportal im Internet. Sie möchte gerne schwanger werden, ihre Ärztin sieht dafür trotz ihrer chronischen Erkrankung kein Hindernis. Die Frau beschreibt nun recht plastisch, wie ihr Partner sie bedrängt, eine PID durchführen zu lassen. Ich zitiere: Schließlich will er gesunde Kinder haben und nicht, dass sie mal so leiden müssen wie ich. Die junge Frau allerdings meint: So schlimm ist mein Fall doch gar nicht. Meine Mutter und ich reden uns über dieses Thema in Rage, jedes Mal, weil wir es zum Teil auch unfair finden. Mein Vater und mein Freund sind der Meinung, solche vorbelasteten Frauen sollten gar nicht erst Kinder bekommen. - Sie empfindet das Anliegen ihres Freundes, obwohl sie Verständnis dafür hat, auch als Infragestellung ihrer eigenen Person und fragt dann etwas zynisch:

Wie kommt eine Frau mit definitiv nicht einwandfreien Genen überhaupt auf die Idee, eigens gezeugte Kinder zur Welt zu bringen? Sie durchlebt also das, was wir in der Begründung unseres Antrags etwas abstrakt als „sozialen Druck“ beschreiben. Diesem Druck würden nach einer Zulassung, auch wenn sie begrenzt ist, noch viel mehr Frauen ausgesetzt. Können Sie diese Befürchtung verstehen?


Was schwerwiegende Krankheiten sind, das bestimmen dann auch nicht die Frauen selbst, sondern Ethikkommissionen und im Zweifelsfall wieder Gerichte. Auch Krankheiten, die erst im Erwachsenenalter ausbrechen und daher meiner Ansicht nach gar nicht als Belastung für die Eltern gewertet werden können, sind nicht ausgeschlossen. Entspricht das wirklich Ihren Vorstellungen?


Mit einem Änderungsantrag wurde dann der ohnehin unscharfe Begriff „hohe Wahrscheinlichkeit“ durch den noch unschärferen Begriff des „hohen Risikos“ ersetzt und damit die Zielgruppe erheblich erweitert. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ist das wirklich in Ihrem Sinne?


So geht es leider weiter. Auch im Gesundheitsausschuss konnten wir nicht klären, welche Form der PID mit diesem Antrag eigentlich zugelassen werden soll: die bisher übliche Blastomerenbiopsie oder, wie der Kollege Hintze in der Anhörung meinte, nur die Untersuchung von Blastozysten, also von nicht mehr voll entwicklungsfähigen Zellen. Wissen Sie aber, dass das ein als experimentell bezeichnetes Verfahren ist, das bisher weltweit erst äußerst selten durchgeführt wurde? Ich habe da als Gesundheitspolitikerin ganz massive Bauchschmerzen. Können Sie das nachvollziehen?


Ich bitte Sie darum, noch einmal ganz ernsthaft zu überprüfen: Wollen Sie, dass die PID auch bei spätmanifestierenden Erkrankungen angewandt werden darf? Welches gesellschaftspolitische Signal wollen wir heute aussenden an die junge Frau, von der ich gerade erzählt habe, und an die vielen Paare, bei denen ein Partner chronisch krank oder behindert ist? Was antworten Sie, wenn Sie eine Ärztin fragt, welches Verfahren sie denn nun anwenden darf? Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, wie Sie diese Fragen beantworten würden, dann möchte ich Sie bitten, Ihr Stimmverhalten noch einmal zu überdenken. Wenn Sie eine klare Grenze ziehen wollen, dann bitte ich Sie: Stimmen Sie mit mir und der Gruppe Göring-Eckardt für ein eindeutiges Verbot der Präimplantationsdiagnostik.


Danke.