Schwarz-gelb ändert Arzneimittelgesetz zugunsten der Pharmaindustrie

Rede im Bundestag

Zum Ende der Wahlperiode macht die schwarz-gelbe Koalition den Pharmakonzernen noch einmal ein schönes Geschenk: Die Industrie soll künftig selbst auswählen, gegen welche Vergleichstherapie sich ihre Produkte bei den Prüfungen auf einen Zusatznutzen bewähren sollen. Damit erfüllen CDU/CSU und FDP Wünsche der Industrie, die Arzneimittelausgaben werden steigen. Auch bei den „Anwendungsbeobachtungen“, die oft nur schlecht getarnte Marketinginstrumente sind, ist die Regierung nicht bereit, konsequent zu handeln. Kathrin Vogler erläutert die Kritik der LINKEN.

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte zu Beginn ein Wort des Dankes an die Parlamentarische Staatssekretärin, an Frau Flach, richten. Unsere Zusammenarbeit konnte man sicherlich nicht immer als harmonisch und gut bezeichnen, aber Sie haben mir wenigstens etwas beigebracht. Sie haben mir beigebracht, wie man Kleine Anfragen und andere parlamentarische Anfragen der Opposition so beantwortet, dass möglichst wenig daraus entnehmbar ist. Dadurch haben Sie mich immer wieder dazu angereizt, nachzufragen, nachzuhaken und so meine Oppositionsarbeit zu machen. Insofern war das, glaube ich, ein gewisses Zusammenspiel. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg.

Jetzt zur Sache. Wir reden hier heute über zwei Gesetzentwürfe aus dem Hause Bahr. Bei dem einen geht es um die Sicherstellung des Apothekennotdienstes. Die Linke begrüßt, dass die Apothekennotdienste jetzt auch vergütet werden sollen; denn das hilft, die wohnortnahe Versorgung auch am Wochenende und in der Nacht, also rund um die Uhr, zu erhalten, und stärkt die Apotheken auf dem Land. Deshalb stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu, auch wenn wir das Finanzierungsmodell für unnötig kompliziert und bürokratisch halten. Es ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Beim zweiten Gesetzentwurf geht es um die Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Dieser Gesetzentwurf ist eine Art Lumpensammler und greift verschiedene Sachverhalte auf, die vor dem Ende der Wahlperiode schnell noch geregelt werden sollen.

Dem ursprünglichen Entwurf hätten wir übrigens zustimmen können. Umsetzung unstrittiger EU-Richtlinien, Rechtsklarheit für die frühe Nutzenbewertung und verbesserte Regelungen gegen Doping im Sport – wer sollte etwas dagegen haben? Auch die Regelung, dass das Ministerium künftig die Gehälter von Kassenvorständen kontrollieren soll, hätten wir mitgetragen. Doch mit den weiteren Änderungen haben Sie uns den Weg zur Zustimmung verbaut. Mit den zwei wichtigsten möchte ich mich hier auseinandersetzen.

Zuerst zu den Anwendungsbeobachtungen. Wir haben hier schon oft darüber diskutiert, dass die Mehrzahl der sogenannten Anwendungsbeobachtungen eben keine wissenschaftlichen Studien sind, um Medikamente in der praktischen Anwendung zu untersuchen und die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Es sind vielmehr schlecht getarnte Marketinginstrumente, bei denen Ärztinnen und Ärzte dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte, meist teure Medikamente einer bestimmten Firma verordnen. Es gibt ja durchaus auch Anwendungsstudien, die für den Schutz der Patientinnen und Patienten sinnvoll sind. Um diese zu erkennen, brauchen wir ein verpflichtendes öffentliches Studienregister, wie es die Linke schon lange fordert. Aber diese notwendige Maßnahme verweigert Schwarz-Gelb hartnäckig.

Die Transparenzregeln, die Sie jetzt hier vorschlagen, reichen absolut nicht aus. Reine Marketingmaßnahmen, von denen die Patientinnen und Patienten nichts haben, gehören nicht nur transparent gemacht, sondern gesetzlich verboten.

Union und FDP aber wollen im Wahlkampf nur die kritischen Bürgerinnen und Bürger beruhigen und vor allem der Industrie nicht wehtun. So geht es schon mal gar nicht.

Gestern Morgen um 7.30 Uhr haben Sie schnell noch eine Änderung vorgelegt, die es in sich hat, und diese unmittelbar danach im Gesundheitsausschuss mit Ihrer Mehrheit durchgestimmt; die Kollegin Volkmer hat dazu schon viel Richtiges gesagt. Interessant ist übrigens, dass die Presse sehr viel früher Bescheid wusste als die Mitglieder des Gesundheitsausschusses. „Koalition hilft der Pharma-Industrie“ oder „Arzneireform wird geändert – zugunsten der Industrie“, so lauteten die Schlagzeilen gestern früh, und zwar nicht etwa im Neuen Deutschland, sondern in der Süddeutschen Zeitung und im Handelsblatt.

Worum geht es? Die Industrie soll künftig selbst auswählen, gegen welche Vergleichstherapie sich ihre Produkte bei den Prüfungen auf einen Zusatznutzen zu bewähren haben; na ja. Damit sabotieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr eigenes Gesetz vom letzten Jahr, das AMNOG, das nach Ihren eigenen Aussagen – vor allem Herr Singhammer hat uns das ja vorgerechnet – die Arzneimittelkosten der Krankenkassen um bis zu 1,5 Milliarden Euro senken sollte. Den Änderungsantrag der Linken, mit dem die Herstellerrabatte und das Preismoratorium um weitere zwei Jahre verlängert werden sollten, haben leider alle anderen Fraktionen abgelehnt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Armutszeugnis.

Was heißt das? Ab dem 1. Januar nächsten Jahres ist also wieder mit einer Preisspirale bei den Arzneimitteln zu rechnen.

Aber das muss Sie ja nicht belasten; denn damit muss sich dann eine andere Regierung herumärgern.

Vor allem ärgert es die Versicherten, die dann tiefer in die Tasche greifen müssen.

Sie haben den Aktionären der Pharmakonzerne schnell noch einmal gezeigt, wo sie am 22. September dieses Jahres ihr Kreuzchen machen sollen.

Aber alle, die keine Pharmaaktien besitzen, alle, die Krankenkassenbeiträge zahlen, werden daraus hoffentlich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und diese Regierung abwählen.

Diesen vollkommenen Murks kann die Linke jedenfalls nur ablehnen.

Dem Antrag der SPD, etwas gegen Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten zu tun, stimmen wir hingegen zu. Denn damit wird ein weiteres Problem aufgegriffen, das diese schwarz-gelbe Bundesregierung links liegen lässt.

Die sogenannte Gesundheitspolitik dieser Bundes-regierung zugunsten der Konzerne und zugunsten der Aktionäre hat dann hoffentlich ab dem 22. September dieses Jahres ausgedient.

Ich danke Ihnen.