Schwarz-gelbe Politik unterhalb der Wahrnehmungsschwelle ist für Patientinnen und Patienten nicht hilfreich

Rede

Kathrin Vogler warf der Bundesregierung in ihrer Rede zum "Gesetz zur Umsetzung Internationaler Gesundheitsvorschriften" vor, eine Politik unterhalb der Wahrnehmungsschwelle zu betreiben. Insbesondere die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik ist so substanzlos, dass die Leute sie kaum spüren und sie den Patientinnen und Patienten nicht hilft.


Rede im Wortlaut:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Minister, heute erleben wir etwas ganz Erstaunliches: Die schwarz-gelbe Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf vor, der ausnahmsweise so wenig Unsinn enthält, dass nicht einmal die Opposition dagegenstimmen wird.

Worum geht es? Es geht um wichtige Themen. Wir sind uns alle einig: Wenn jemand, der eine schwere Krankheit hat, per Schiff oder Flugzeug nach Deutschland einreist, dann soll das Nötige getan werden, damit sich die Krankheit möglichst nicht ausbreitet. Zu diesem Zweck werden mit diesem Gesetz zum Beispiel die Melde- und Informationswege verkürzt und die Pflichten der Piloten und Kapitäne neu geregelt, und es wird definiert, was im Sinne des Gesetzes ein Gesundheitsamt ist. Leider hat es die Bundesregierung aber unter anderem versäumt, klare Regelungen im Hinblick auf die Gefahren von Atomtransporten auf See zu treffen. Deshalb wird sich die Linke bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der keine offensichtlichen Schnitzer enthält. Aber: Reicht Ihnen das eigentlich? Können Sie darauf schon stolz sein, Frau Maag? Dieses Gesetz ist sicher wichtig. Aber andere Fragen, die noch wichtiger wären, lässt diese Bundesregierung einfach links liegen. Genau das werfen manche Journalisten dieser Regierung vor, wenn sie zum Beispiel schreiben, Schwarz-Gelb mache Politik unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.

Das bedeutet, dass Ihre Politik so substanzlos ist, dass die Menschen sie kaum spüren. Über den Gesundheitsminister schrieb der Spiegel, sogar er wirke stets ein bisschen wie sein eigener Staatssekretär; das konnten wir gerade wieder beobachten.
Weiter heißt es - ich zitiere -:
Für seine Großbaustellen, die Stärkung der Patientenrechte und die Pflegereform, hat er zwar Details vorgelegt.
Die Lobbygruppen sind im Gesundheitsbereich jedoch so hartnäckig, dass von hehren Plänen am Ende kaum etwas übrig bleibt.
Zitat Ende aus dem Spiegel vom 27. Dezember letzten Jahres.

Man fragt sich: Warum debattieren wird hier im Plenum des Deutschen Bundestages einen Gesetzentwurf, der unter uns Gesundheitspolitikern eigentlich ziemlich unstrittig ist? Ich will es Ihnen sagen: Die schwarz-gelbe Koalition hat inzwischen sehr viel Prügel eingesteckt. Sie ist mit ihrer Kraft und ihren Ideen am Ende, zerrieben zwischen Parteienstreit und Lobbyinteressen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen Sie ganz dringend eine Kuschelrunde. Aber nicht mit uns! Sie müssen sich an dieser Stelle die Frage gefallen lassen ﷓ es wäre ganz gut, wenn Sie einmal zuhören würden - ob dieses Gesetz wirklich alles ist, was Ihr Gesundheitsministerium zustande bringt.

Auch auf Ihren Schreibtischen liegen, genau wie auf meinem, sicher viele Briefe von Bürgerinnen und Bürgern, die ganz konkrete Sorgen haben. Sie fragen sich: Was tut diese Bundesregierung für mich?

Da fragt sich zum Beispiel eine 50-Jährige, wie sie die Pflege ihrer Eltern und die Ausbildung ihrer Kinder gleichzeitig finanzieren soll, wenn das Pflegegeld doch vorne und hinten nicht reicht und sie selbst wegen der Pflege ihrer Eltern nur noch halbtags arbeiten kann. Ich erinnere Sie daran: Anfang letzten Jahres hat der damalige Gesundheitsminister Rösler das Jahr der Pflege ausgerufen. Bis heute ist bei den 2,5 Millionen Pflegebedürftigen und ihren Familien nichts davon angekommen - gar nichts, kein einziger Cent. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

Außerdem haben Sie verkündet, 2011 werde das Jahr der Patientenrechte. In jedem Monat des vergangenen Jahres haben wir und die anderen Oppositionsfraktionen Sie gefragt, wann wir endlich mit einem Gesetzentwurf zur Stärkung der Patientenrechte rechnen können. Was haben Sie bisher geliefert? Fast nichts, jedenfalls nichts, was diesen Namen auch nur ansatzweise verdient. Der Vorentwurf aus Ihrem Haus, Herr Bahr, ist leider so schwach, dass er kaum der Rede wert ist.

Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften, über den wir diskutieren, ist sicher notwendig. Aber ich frage Sie ganz ernsthaft: Wäre es nicht mindestens ebenso notwendig, dass diese Bundesregierung endlich mit der Pflegereform und einem Patientenrechtegesetz in die Hufe kommt, dass Sie also endlich auch in diesem Bereich Ihre Hausaufgaben machen? Darauf warten doch viele Menschen ganz dringend.

Liebe Frau Maag, wir warten schon sehr gespannt auf Ihr Timing in Sachen Präventionsstrategie. Daran werden wir Sie auch erinnern.
Obwohl wir von Ihnen eigentlich nicht viel erwarten: Wenn Sie dabei echte Verbesserungen für die Menschen auf den Weg bringen, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Spürbar müssen sie aber sein. Für Politik unterhalb der Wahrnehmungsschwelle steht die Linke nicht zur Verfügung.