Senkung der Arzneimittelpreise durch Bundesregierung unzureichend

Rede

Preissenkungen können z.B. durch Kosten-Nutzen-Bewertung, Berücksichtigung der Preise in anderen Ländern sowie der Herstellerkosten für Forschung und Entwicklung erreicht werden. Daneben brauchen wir aber weitere Schritte: Ein Studienregister zur Offenlegung sämtlicher Forschungsergebnisse, damit die Pharma-Multis negative Resultate nicht unterdrücken können. Die Beeinflussung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Patientinnen und Patienten durch die Pharmakonzerne muss wirksam eingedämmt werden. Nur wenn die Forderungen der Fraktion DIE LINKE umgesetzt werden, sind die Ausgaben für Arzneimittel wirklich dauerhaft in Griff zu bekommen.


Rede im Wortlaut:

Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach so viel Humor will ich versuchen, wieder ein bisschen Ernst in diese Debatte zu bringen.

Vor Ostern ist es ja laut durch den Blätterwald gerauscht: Der FDP-Gesundheitsminister will die Pharmakonzerne entmachten, hieß es. Die Branche jaulte natürlich zunächst auf. Aber der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie hat nur trocken kommentiert, da wolle der Minister die Unternehmen wohl zu etwas zwingen, was sie sich selbst ausgedacht haben, weil das Verhandlungskonzept in weiten Teilen von den Verbänden vorgelegt worden war.
Uns als Parlament liegt das Konzept der Bundesregierung noch nicht vor. Aber nach dem, was bisher so durchgesickert ist, lieber Kollege Spahn, scheint es für uns in einigen Punkten tatsächlich zustimmungsfähig zu sein.


Das gilt insbesondere für die Kosten-Nutzen-Bewertung und die Orientierung an internationalen Vergleichspreisen; das steht auch in unserem Antrag. Diese Schritte sind alleine aber keineswegs ausreichend, um den Selbstbedienungsladen für die Pharmaindustrie zu schließen.


Solange die Pharmaunternehmen selbst die Preise festlegen und über die Studien entscheiden, mit denen Nutzen und Risiken belegt werden, so lange werden wir die Arzneimittelausgaben nicht in den Griff bekommen. Ihr Preisstopp in Kombination mit einem zusätzlichen Zwangsrabatt von 10 Prozent schafft zwar kurzfristig etwas Luft, aber dann setzen die Hersteller zukünftig die Preise für neue Produkte entsprechend höher an, zumal Sie ihnen ja weiterhin für das erste Jahr oder für 15 Monate gestatten wollen, diese Mondpreise zu kassieren. Außerdem, das haben wir gelernt, werden die Unternehmen dafür zu sorgen wissen, dass dann entsprechend mehr Medikamente verordnet werden. Dem müssen wir im Interesse der Versicherten einen Riegel vorschieben.


Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWiG, hat vor zwei Jahren in einer Studie festgestellt, dass nirgends in Europa so viel für Medikamente ausgegeben wird wie bei uns, gleichzeitig deutsche Ärzte weniger Zeit für die Patienten aufwenden als ihre Kollegen im Ausland. Zwischen diesen beiden Fakten gibt es einen Zusammenhang: Viele Patienten erleben, dass sie im Wartezimmer sitzen müssen, während die freundliche Dame oder der freundliche Herr von der Pharmaindustrie dem Doktor gerade die neuesten Medikamente vorstellt.

Ärzte berichten, dass dies keine Informationsgespräche sind, sondern dass es um knallhartes Marketing geht. Die Erfolge dieses Marketings zahlen die Kassen mit jährlich steigenden Arzneimittelausgaben. In Polen zum Beispiel dürfen Pharmareferenten nicht mehr während der Sprechstunden in die Arztpraxen. Warum regeln wir das nicht ähnlich?


Das Deutsche Ärzteblatt stellt fest, dass die Pharmaindustrie in großem Stil Studien vortäuscht, manipuliert oder unterdrückt, um Medikamente von zweifelhafter Wirksamkeit und unzureichender Sicherheit an den Mann oder die Frau zu bringen. Die großartige Innovationskraft der forschenden Pharmaindustrie, der Sie, Kollege Spahn, gerade wieder das Wort geredet haben, ist in Wahrheit allzu oft eine Schimäre, die benutzt wird, um hohe zweistellige Umsatzrenditen zu rechtfertigen.


Wirkliche Neuerungen zum Nutzen der Patienten sind viel seltener, als die Lobbyisten uns glauben machen wollen.
Es gibt welche; aber sie sind deutlich seltener, als immer behauptet wird.
Wenn sich, wie die FDP sagt, Leistung wieder lohnen soll, dann müssen die Medikamentenpreise konsequent am Nutzen für die Kranken festgemacht werden.
Dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen.


DIE LINKE. fordert außerdem ein verbindliches öffentliches Register für Arzneimittelstudien.
Damit hätten wir ein Instrument, um Manipulationen in der Bewertung neuer Therapien entgegenzuwirken.
Vor weniger als einem Jahr hat ein gewisser Dr. Philipp Rösler, damals niedersächsischer Wirtschaftsminister, einen Beschluss unterzeichnet, in dem die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln sehr kritisch gesehen und gefordert wird, die Interessen der pharmazeutischen Industrie nicht zu beschädigen. Erleben wir gerade einen echten Perspektivenwechsel, oder ist das eher Wahlkampfhilfe für Ihren Parteifreund Andreas Pinkwart in NRW, auch um die Mehrheit im Bundesrat für die schwarz-gelbe Kopfpauschale nicht zu verlieren?


Eine kurze Bemerkung zu dem Antrag der SPD. Wir haben bei dem Beitrag des Kollegen Lauterbach eben gemerkt, dass er dazu wenig zu sagen hatte.
Der Vorwurf, die jetzige Bundesregierung sei schuld an den Zusatzbeiträgen etlicher Krankenkassen, wird auch durch Wiederholung nicht wahr.
Erinnern wir uns: Zusatzbeiträge, Praxisgebühr, Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, Zuzahlungen, das alles wurde in Ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht. Da können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Was Ihnen jetzt zu den Arzneimittelpreisen einfällt, unterscheidet sich leider nur wenig von den Ideen aus dem Ministerium. Ihnen fehlt da wohl der Mut, die untauglichen Konzepte aus der eigenen Regierungszeit über Bord zu werfen und noch einmal ganz neu nachzudenken.


Deswegen lade ich Sie dazu ein, den Antrag der Linken zu unterstützen und mitzuhelfen, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten endlich über die Interessen der Aktionäre gestellt werden.
Herzlichen Dank.