Teuer für Versicherte: Bundesregierung streicht Kostenbremse bei Arzneimitteln

Rede im Bundestag

Zur Eindämmung der exorbitanten Mondpreise, die viele Pharmakonzerne für neue Präparate fordern, steht in dem neuen Arzneimittelgesetz am Ende gar nichts, beklagt Kathrin Vogler in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 10. März 2017. Zudem versäumt es die Bundesregierung, mit diesem Gesetz die Arzneimittelversorgung wirklich zu verbessern und Lieferengpässe spürbar zu bekämpfen.

 

Zur Eindämmung der exorbitanten Mondpreise, die viele Pharmakonzerne für neue Präparate fordern, steht in dem neuen Arzneimittelgesetz am Ende gar nichts, beklagt Kathrin Vogler in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 10. März 2017. Zudem versäumt es die Bundesregierung, mit diesem Gesetz die Arzneimittelversorgung wirklich zu verbessern und Lieferengpässe spürbar zu bekämpfen.

Die Rede im Wortlaut:

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute will die Mehrheit von CDU/CSU und SPD in diesem Haus ein Gesetz beschließen, das die Versorgung mit Arzneimitteln stärken soll. Schauen wir doch einmal genauer hin, was jetzt tatsächlich geliefert wurde.

(Tino Sorge (CDU/CSU): Da bin ich aber mal gespannt!)

Der Gesundheitsminister Herr Gröhe hat sich mit seinen Ministerkollegen für Wirtschaft und Forschung zwei Jahre lang mit Industrievertretern getroffen, um den Pharmastandort Deutschland voranzubringen. Schon von der Anlage her war klar, dass hier nicht so sehr die Interessen der Patientinnen und Patienten und das Wohl der Versicherten im Mittelpunkt stehen sollten, sondern eben eine Standortpolitik.

So sah dann auch Ihr erster Gesetzentwurf aus. Die Erstattungspreise für neue Medikamente, die die Krankenkassen auf der Basis der Nutzenbewertung nach dem ersten Jahr verhandeln, wollten Sie tatsächlich geheim halten. Damit sollten die Arzneimittelpreise in Deutschland angeblich gesenkt werden, aber eben um den Preis, dass bei unseren europäischen Nachbarländern keine Informationen über den realen Preis in Deutschland vorliegen und sie darüber getäuscht würden, sodass sie dann dort eben mehr als nötig bezahlen müssten. Ich sage Ihnen ganz klar: Europäische Solidarität, wie sie Frau Merkel und Herr Schäuble an anderer Stelle so gerne im Munde führen, sieht für uns nun wirklich anders aus. Deshalb haben wir von vornherein gesagt: Das geht gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Gegenzug wollten Sie den Unternehmen eine klitzekleine Kostenbremse für die superteuren Medikamente auferlegen. Erst ab einem Umsatz von 250 Millionen Euro im ersten Jahr sollte der Preis nach den Preisverhandlungen nachträglich rückwirkend gesenkt werden. Von dieser Maßnahme wären aber nur sehr wenige Medikamente betroffen gewesen. Wirkliche Einsparungen für die Krankenkassen hätte das kaum gebracht. Nun ist ja einerseits gegen eine solche Kostenbremse eigentlich nichts einzuwenden. Ich habe mich aber immer gefragt: Warum sollen eigentlich die Unternehmen im ersten Jahr den Preis ganz allein festlegen?

(Tino Sorge (CDU/CSU): Weil Forschung wirklich viel Geld kostet! Das müssten Sie doch wissen!)

Um wirksam Kosten zu bremsen, hätte der Rabatt, den die Kassen und die Unternehmen nach dem ersten Jahr vereinbaren, ab dem Tag der Zulassung gelten müssen. Nur so wäre es wirklich eine echte Bremse gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann hätten sich die Unternehmen auch gut überlegen müssen, ob sie Scheininnovationen - die den Patientinnen und Patienten nichts bringen, die Versicherten aber mit hohen Kosten belasten - wirklich massiv in den Markt drücken wollen. Statt aber diese Bremse nun richtig scharf zu stellen, haben Sie sie kurzerhand komplett gestrichen. Das ist, ehrlich gesagt, nicht zu fassen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen verlängern Sie jetzt das Preismoratorium. Das betrifft aber die neuen Medikamente gar nicht und wirkt wie ein Rasenmäher. Auch eher niedrige Preise dürfen nicht steigen, selbst wenn die Unternehmen höhere Ausgaben bei den Löhnen und höhere Energiekosten haben. Also, Politik für den Mittelstand, lieber Michael Hennrich, sieht echt anders aus.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun sagen Sie: Es sollte ja gar nicht primär um Kosteneinsparungen gehen, sondern um die Versorgungssicherheit. - Wir haben in den letzten Jahren gerade bei essentiell wichtigen Medikamenten immer wieder mit Lieferengpässen zu tun gehabt. Auch Impfstoffe kamen immer öfter nicht in den Arztpraxen und Apotheken an. Zur Lösung dieser Probleme haben wir als Linke Ihnen sehr konkrete Vorschläge gemacht.

(Tino Sorge (CDU/CSU): Aber nicht praxisnahe!)

Man könnte etwa die Hersteller gesetzlich verpflichten, drohende Lieferengpässe frühzeitig zu melden und durch Vorratshaltung von wichtigen Medikamenten Vorsorge zu leisten.

(Tino Sorge (CDU/CSU): Das haben wir doch schon gemacht! Lesen Sie doch das Gesetz!)

Bei Verstößen gegen die Melde- und Vorratspflicht müssten dann aber auch schmerzhafte Sanktionen drohen, denn schließlich geht es hier um die Gesundheit der Bevölkerung. Das aber wollen Sie nicht. Sie begnügen sich mit einem sogenannten Jour fixe und mit völlig unverbindlichen Meldepflichten. Bei diesem Jour fixe wird das Ministerium dann mit den Herstellern über die Engpässe sprechen. Ich sage es einmal so: Schaden tut das nicht. Aber hilft es?

Gestern haben wir im Ausschuss noch eine ganze Reihe von Änderungsanträgen beraten, die in der Gesamtschau das Gesetz eher verbessert haben, zum Beispiel mit den Sonderregelungen für die Krankenhausapotheken. Man sieht schon, dass es auch in der Koalition ein paar Abgeordnete gibt, die daran arbeiten und sich bemühen, dem Ministerium ein paar Fortschritte abzuhandeln.

(Tino Sorge (CDU/CSU): Das Lob könnte man netter formulieren!)

In einem Änderungsantrag folgen Sie sogar unserem Vorschlag und beenden die Ausschreibungsverfahren der Krankenkassen zumindest schon einmal bei den Impfstoffen. In der Begründung geben Sie auch zu, dass exklusive Rabattverträge zu Lieferproblemen führen können. Das ist, finde ich, ein schöner Erkenntnisfortschritt. Darüber habe ich mich gefreut.

(Beifall bei der LINKEN)

Insgesamt aber ist das Gesetz aus unserer Perspektive nicht geeignet, die Arzneimittelversorgung wirklich substantiell zu verbessern. Und gegen die Mondpreise haben Sie nun gar nichts getan. Das ist leider eine verschenkte Chance. Deshalb können wir auch trotz der positiven Ansätze nicht Ja zu diesem Gesetz sagen, sondern uns nur enthalten.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Immerhin!)