Unabhängige Patientenberatung (UPD) muss ausgebaut werden – Patientinnen und Patienten brauchen mehr unabhängige und kostenlose Beratungsstellen

Rede im Bundestag

Immer mehr Menschen nehmen das unabhängige und kostenlose Beratungsangebot von der Unabhängigen Patientenberatung, der UPD, wahr. Aber sowohl für die Telefon-Hotline als auch für den Ausbau der Beratungsstellen braucht die UPD mehr Geld. Kathrin Vogler fordert in ihrer Rede vor dem Bundestag darüber hinaus, dass auch eine Lösung für das Problem der Fahrtkosten für Bedürftige gefunden werden muss, damit der Besuch in der Beratungsstelle kein Privileg für Großstädter und Besserverdienende bleibt.

Rede von Kathrin Vogler, DIE LINKE., am 20.2.2014 zu TOP 7, Antrag von B90/ Die Grünen:

„Unabhängige Patientenberatung stärken und ausbauen“

Das Video der Rede ist hier online verfügbar.

Lieber Herr Kollege Meier, auch ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede hier im Haus. Wozu ich Ihnen nicht gratulieren kann, ist diese ultimative Lobhudelei,

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Nun machen Sie mal einen Punkt! – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Ein bisschen auf die Atmosphäre eingehen! Ein bisschen situationsabhängig sprechen!)

die Sie gerade auf das sogenannte Patientenrechtegesetz der letzten Koalition vorgetragen haben, aber dazu später.

Die Unabhängige Patientenberatung, wofür brauchen wir die eigentlich? Zu mir kam neulich ein Bürger ins Wahlkreisbüro zur Sprechstunde, der sich von verschiedenen Ärzten, von seiner Krankenversicherung, vom Medizinischen Dienst schlecht beraten und schlecht behandelt gefühlt hat. Er hatte durchaus erstzunehmende Hinweise darauf, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hatte, der nicht richtig diagnostiziert und nicht richtig behandelt worden ist.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: So etwas gibt es!)

In der Folgezeit haben sich seine Beschwerden verschlimmert. Er hat inzwischen dauerhaft Schmerzen. Inzwischen ist er Erwerbsunfähigkeitsrentner mit einer so kleinen Rente, dass er davon noch nicht einmal seine Krankenkassenbeiträge bezahlen kann. Also eine komplexe Problemlage, bei der auch ich als Bundestagsabgeordnete nicht alle offenen Fragen beantworten konnte.

Da war ich natürlich froh, dass es nicht nur für diesen Bürger, sondern auch für viele Tausend andere das Angebot der Unabhängigen Patientenberatung, der UPD, gibt. Dieses Angebot ist kostenlos. Es wird inzwischen bis zu 80 000-mal jährlich in Anspruch genommen:

(Dr. Roy Kühne [CDU/CSU]: Das bestreitet niemand!)

entweder an der gebührenfreien Telefonhotline oder persönlich in den Beratungsstellen.
Ich habe also die Hotline angerufen und musste feststellen, dass man da sehr schwer durchkommt. Mein Ratsuchender wird keine der Beratungsstellen aufsuchen können, obwohl seine Fragen eigentlich im persönlichen Gespräch hätten geklärt werden müssen; denn von meiner Heimatstadt sind es bis zur nächsten Beratungsstelle in Dortmund oder Bielefeld 80 Kilometer. Er kann sich die Fahrtkosten in Form eines Bahntickets einfach nicht leisten. So geht es vielen der allein bei uns im Münsterland lebenden 1,5 Millionen Menschen.

Die Beraterinnen und Berater der UPD leisten seit vielen Jahren eine hervorragende Arbeit.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Aber ihre Erreichbarkeit für die Menschen, die nicht in unmittelbarer Nähe einer Beratungsstelle leben, ist tatsächlich auch aus unserer Sicht verbesserungswürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

An der Hotline ist oft kein Durchkommen. Da müssen sich die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes die Finger wundwählen, weil es einfach zu wenig Beraterinnen und Berater gibt. Wir haben es schon gehört: Nur ungefähr 42 Prozent der Anrufenden kommen innerhalb der ersten Stunde durch. Deswegen meint auch die Linke: Die UPD braucht dringend mehr Personal für die telefonische Beratung und für den Ausbau des Beratungsnetzes.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darauf haben wir übrigens gemeinsam mit den Grünen schon vor vier Jahren hingewiesen. Das Modellprojekt, das 2010 ausgelaufen ist, wurde damals in ein Regelangebot überführt, nur leider viel zu spät, sodass bis zur erneuten Ausschreibung schon viele Strukturen weggebrochen waren, da sich zum Beispiel Beraterinnen und Berater wegbeworben hatten. Deshalb war der Neustart in den Beratungsstellen ausgesprochen mühsam.

Auch dass die Mittel für die Beratung nicht erhöht und nicht an die allgemeinen Kostensteigerungen angepasst wurden, war ein Schönheitsfehler, den auch wir schon damals kritisiert haben. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, zunächst einmal 10,5 Millionen Euro für die UPD bereitzustellen. Das ist bei insgesamt 200 Milliarden Euro im Gesamttopf keine sehr große Summe, aber das würde doch einige Verbesserungen ermöglichen. Weil die Beratungsstellen nicht danach fragen, ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist, finde ich es nur logisch, auch die privaten Versicherungen verpflichtend mit in die Finanzierung einzubeziehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch ein längerer Förderzeitraum von jeweils zehn Jahren wäre gut; denn damit könnte besser geplant werden, und auch die Beschäftigten hätten eine bessere Perspektive. Qualifiziertes Personal könnte auch langfristig gehalten werden.

Wir unterstützen auch die Idee, dass die Finanzierung unabhängig von den Krankenkassen erfolgen soll. Schließlich sind es in vielen Fällen die Krankenkassen, mit denen die Ratsuchenden Probleme haben. Deswegen sind sie nicht neutral.

Ergänzend schlage ich vor, dass wir auch eine Lösung für das Problem der Fahrtkosten für Bedürftige suchen, damit der Besuch von Beratungsstellen nicht weiter zum Privileg für Großstädter und Besserverdienende wird.

Insgesamt ist zu sagen, dass die Grünen einen Antrag vorgelegt haben, der die wichtigsten Probleme korrekt benennt und vernünftige Lösungsvorschläge unterbreitet. Die Linke unterstützt diese Forderungen, und zwar wirklich von ganzem Herzen. Ich hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen gemeinsam auch die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen davon überzeugen können. Denn nur gut informierte und selbstbewusste Patientinnen und Patienten, die ihre Rechte kennen, können sich heute im Dschungel des Gesundheitswesens zurechtfinden.

Wenn es uns dann noch gelingt, diese Koalition dazu zu bringen, endlich ein Patientenrechtegesetz zu erarbeiten, das diesen Namen wirklich verdient, wäre das ein richtig guter Tag für die Patientinnen und Patienten in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)