Zivile Konfliktbearbeitung braucht Gewaltverzicht

Rede

Zivile Konfliktbearbeitung muss als Alternative zu militärischer Gewalt gestärkt werden. Dazu ist eine Absage an Konzepte vernetzter Sicherheit notwendig. Zivilbevölkerung kann mit Krieg nicht geschützt werden.


Rede im Wortlaut:

Vielen Dank, Herr Präsident. ‑ Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren!

28 Kriege und 126 weitere Gewaltkonflikte erschüttern in diesem Moment unseren Planeten. Diese vielen Konflikte erfordern ganz dringend von uns, zu überlegen, was wir dazu beitragen können, dass sie ohne Gewalt bearbeitet und gelöst werden.

Deswegen ist die Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung ein wichtiges Anliegen, insbesondere für eine Friedenspartei wie DIE LINKE.

Die Grünen schlagen nun viele einzelne Maßnahmen vor, die zum Teil in die richtige Richtung weisen:

Erstens wollen Sie den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ weiterentwickeln und ihn mit klaren Zielvorgaben, Strategien und einem Zeitplan versehen. Das ist, um es einmal mit den Worten der Kollegin Bulmahn zu sagen, „sinnvoll …, aber nicht ausreichend“. Ohne eine klare Abgrenzung zu militärischen Maßnahmen bleiben der Aktionsplan und Ihr Antrag leider nur Fassade.

Zweitens. Auch den systematischen Aufbau ziviler Ressourcen, wenn es zum Beispiel um Richter oder Verwaltungsfachleute für zivile Missionen geht, unterstützen wir. Wir sind allerdings dagegen, Polizeimissionen etwa in Afghanistan als schlecht verkappten Ersatz für Militäreinsätze zu benutzen, nur weil sie vielleicht politisch leichter durchzusetzen sind. Ich hoffe, da habe ich Sie an unserer Seite. Denn einen solchen Missbrauch von Polizistinnen und Polizisten lehnt die Linke ab.

Drittens haben wir im letzten Jahr die schwarz-gelben Kürzungen der Mittel im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung gemeinsam scharf kritisiert. Auch die Linke fordert mehr Mittel für zivilgesellschaftliche Initiativen in der gewaltfreien Konfliktbearbeitung. Aber die Mittel für die schwarz-gelbe Bundeswehrreform, für die Ihr Parteivorsitzender Cem Özdemir schon seine Unterstützung zugesagt hat, liebe Frau Müller, können nicht mehr für anderes, Sinnvolleres ausgegeben werden. Das muss auch einmal gesagt werden.

Bei einem solchen Sammelsurium politischer Forderungen wie in Ihrem Antrag muss man schon einmal genauer hinschauen, vor allem, um zu erkennen, was fehlt. Mich hat zum Beispiel gewundert, dass Sie gar nichts zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung und den Rohstoffkonflikten sagen. Gerade jetzt, wo die sudanesische Armee in die Erdölprovinz Abyei einmarschiert ist, liegt das Thema bei solch einem Antrag doch auf der Hand.

Die allermeisten Konflikte haben doch wirtschaftliche Hintergründe, für die die Bundesrepublik und die EU mit ihrer Außenwirtschaftspolitik mitverantwortlich sind. Wir hatten einmal einen Bundespräsidenten ‑ ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern ‑, der das ganz offen ausgesprochen hat und dann gehen musste. Was wir brauchen, ist eine konsequente Krisenprävention durch gerechtere globale Wirtschaftsbeziehungen und sozial-ökologischen Umbau.

Last, not least: Der Knackpunkt bei der Glaubwürdigkeit friedlicher und ziviler Außenpolitik ist für die Linke der Gewaltverzicht, der in Ihrem Antrag leider gar nicht vorkommt. Ich sage es auch mit Blick auf die Position von SPD und Grünen zum Libyen-Krieg: Wer ‑ unter welchem Vorwand auch immer ‑ Kriege führt, der kann meiner Ansicht nach keine glaubwürdige Friedenspolitik machen.

Sie schreiben selbst, dass es im Zusammenhang mit dem „Schutz der Zivilbevölkerung“ und „der Bekämpfung nichtstaatlicher Gewaltakteure“ „schier unlösbare Dilemmata“ gibt. Ja, genauso ist es doch: Krieg ist kein Schutz vor Gewalt; Krieg bedeutet immer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Das sehen wir in Afghanistan, in Libyen und überall da, wo die NATO Kriege führt.

Gerade deswegen ist die zivile Konfliktbearbeitung so wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, hier müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen: zivile Konfliktbearbeitung nur als Feigenblättchen für Militäreinsätze oder als echte Alternative zu einer Politik der Gewalt. Sie kritisieren den Begriff der vernetzten Sicherheit nur halbherzig. Sie tun so, als hätten die NGOs ein Wahrnehmungsproblem, wenn sie diesen Begriff kritisieren; man müsse ihn nur klarer formulieren und besser kommunizieren. Nein, das sehe ich nicht so.

Dieser Begriff weist in die ganz falsche Richtung. Das ganze Konzept gehört auf den Müllhaufen. Ich bitte Sie da um Unterstützung.

Ich komme zum Schluss. Treten Sie bitte mit uns gemeinsam dafür ein, dass der Gewaltverzicht zum Leitbild deutscher Außenpolitik wird und die zivile Konfliktbearbeitung zu seinem Instrumentenkasten. Dabei hätten Sie uns an Ihrer Seite. Wir lassen Ihnen aber keine Mogelpackungen durchgehen.