... weil wir den gleichen Schmerz teilen.

Am Mittwoch, dem 22. Juni, begrüßte der Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln, dem Kathrin Vogler als Obfrau angehört, zwei Mitglieder des Parents Circle Families Forum (PCFF), Robi Damelin, die israelische Sprecherin und Mazen Faraj, den palästinensischen Direktor des PCFF, im Berliner Reichstag. Frau Demelin und Herr Faraj stellten den Abgeordneten ihr aktuelles Projekt „Taking Steps on the Path for Peace“ vor.

Am Mittwoch, dem 22. Juni, begrüßte der Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln, dem Kathrin Vogler als Obfrau angehört, zwei Mitglieder des Parents Circle Families Forum (PCFF), Robi Damelin, die israelische Sprecherin und Mazen Faraj, den palästinensischen Direktor des PCFF, im Berliner Reichstag. Frau Demelin und Herr Faraj stellten den Abgeordneten ihr aktuelles Projekt „Taking Steps on the Path for Peace“ vor.

Der Parents Circle ist ein Zusammenschluss von israelischen und palästinensischen Eltern und Familienangehörigen, die Kinder oder enge Verwandte im Nah-Ost-Konflikt verloren haben. Er wurde 1995 zunächst von trauernden israelischen Eltern gegründet, die sich mit dem Aufruf an die Öffentlichkeit wandten, nicht noch mehr Trauer zu verursachen und endlich den Dialog mit dem palästinensischen Volk aufzunehmen, um gemeinsam einen Weg zu Frieden und Versöhnung zu finden. Drei Jahre später gab es erste Treffen mit einer Gruppe palästinensischer Familien aus Gaza. Während der Zweiten Intifada brach diese Verbindung zunächst ab, aber schon bald nahmen palästinensische Familien aus dem Westjordanland und Ost-Jerusalem wieder Kontakt zum Parents Circle auf, um ihre Trauer zu teilen und ihre Überzeugung, dass das Sterben und Töten im Nahen Osten aufhören muss.

Mittlerweile engagieren sich über 600 Familien in dieser Organisation, die zwar ausdrücklich keine Empfehlung abgeben will, wie eine politische Lösung im Nah-Ost-Konflikt aussehen könnte, die Mitglieder sind sich aber einig, dass der Weg zum Frieden nur über freie Verhandlungen zwischen beiden Seiten führen kann. Sie fordern die Einhaltung der Menschenrechte, die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung und die Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen Israel und Palästina. In einem ihrer Statements heißt es: „Unser gemeinsames Band ist, dass wir einen nahen Familienangehörigen in diesem Konflikt verloren haben. Aber anstatt Rache haben wir einen Weg der Versöhnung gewählt. Wir haben uns zusammengetan, um Palästinenser und Israelis mitzunehmen auf unsere persönliche Reise der Verständigung, um durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit für unsere Ziele zu sensibilisieren. Aus dieser gemeinsamen Arbeit erwächst Veränderung. Nicht die Art von Veränderung, die Schlagzeilen macht, aber eine, die eine individuelle und tiefgreifende Verschiebung der Perspektive mit sich bringt. Viele sehen so zum ersten Mal die „andere“, die menschliche Seite ... Wir glauben, dass die Versöhnung zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk die wichtigste Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden ist.“

Taking Steps on the Path for Peace

Das Projekt „Taking Steps on the Path for Peace“ soll helfen, diese Botschaft der Versöhnung weiter zu verbreiten, erklärten Robi Damelin und Mazen Faraj den Teilnehmenden des Treffens.

Ein sehr berührender Videoclip, eigens für das Projekt handbestickte Schuhe und Aufnäher mit dem „Friedensvogel“ als Symbol der Versöhnung sind Elemente der Kampagne.

Frau Demelin und Herr Faraj baten die Abgeordneten dann, sich aktiv an dem Projekt zu beteiligen und ihre Gedanken in eigenen Statements mitzuteilen.

„Wir können über Versöhnung sprechen“

Im anschließenden Gespräch beschrieben die beiden Gäste ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Leben im Nah-Ost-Konflikt. Robi Damelin verlor 2002 ihren 27 Jahre alten Sohn David, der als Wachposten an einem israelischen Checkpoint tief im Westjordanland, nördlich der Stadt Ramallah, von einem palästinensischen Scharfschützen getötet wurde. Einen Tag später baute man den Checkpoint ab. Mazen Farajs Vater wurde im gleichen Jahr von israelischen Soldaten erschossen, als er mit einer Tüte Lebensmittel nach der Sperrstunde zu Fuß auf dem Heimweg von der Arbeit war; 60 Kugeln feuerte man auf ihn ab. Mazen wurde 1975 geboren und verbrachte fast sein ganzes Leben im Flüchtlingslager Dheisheh im Westjordanland. Sein Vater war einer von 700.000 Flüchtlingen, die gezwungen wurden, in dieses Lager zu ziehen, nachdem ihre Häuser im ersten arabisch-israelischen Krieg 1948 zerstört worden waren. Er war sieben Jahre alt, erzählt er, als er begann, darüber nachzudenken, was der Grund für den Schmerz und das Leid ist, das alle um ihn herum täglich ertragen müssen. Er fragte sich, „was ist mit den Rechten, die jeder Mensch auf dieser Welt hat?“.

Für Robi Damelin und Mazen Faraj ist die Erschütterung, die sich im Schicksal ihrer gestorbenen Angehörigen spiegelt, eine besondere Legitimation, in der Öffentlichkeit die Unsinnigkeit weiteren Blutvergießens anzuprangern und immer wieder deutlich zu machen, dass es in beiden Lagern Trauer und Angst, aber auch Versöhnungsbereitschaft gibt.

„Viele Staaten werden von diesem Konflikt beeinflusst und viele Staaten nutzen ihn für ihre Interessen. Wir hatten so viel Hoffnung in den Osloer Friedensprozess gesetzt, aber nun müssen wir die Zivilgesellschaft dazu ermutigen, sich aktiv an den Friedensbemühungen der Nichtregierungsorganisationen zu beteiligen. Es ist nicht leicht, 68 Jahre im Krieg zu leben. Deshalb muss in einem ersten Schritt die Besetzung der palästinensischen Gebiete beendet werden. Dafür kann jeder selbst Verantwortung übernehmen.“ Für sie sei es erschreckend, sagte Robi Damelin weiter, über die Zukunft der palästinensischen Kinder nachzudenken: „Sie haben keine Chance. Niemand braucht ihnen beizubringen, wie man hasst. Versöhnung ist das Ziel, aber das können sie kaum verstehen.“ Mazen Faraj bestätigte, wie wichtig es sei, der anderen Seite Eindrücke von dieser Hoffnungslosigkeit zu vermitteln: „Wir Palästinenser hören immer ‘es ist nicht erlaubt!‘ … Alles ist ‘nicht erlaubt‘. Was soll ich meinen drei Töchtern erzählen? Wie kann ich ihnen erklären, dass es Hoffnung auf Frieden gibt, wenn sie keine Zukunftsperspektive haben? Ich lebe immer noch im Flüchtlingslager Dheisheh, mit der Nakba* in meinem Herzen. Es ist wichtig, dass die Israelis mehr über dieses Gefühl erfahren und warum wir so fühlen.“

Mit Empathie und Verständnis

Robi Damelin betonte noch einmal, dass dies so schnell und so konsequent wie möglich geschehen muss: „Ich denke nicht, dass wir viel Zeit haben. Jede Generation ist radikaler als die vorherige. Die Amerikaner müssen etwas tun, und ich denke, die Deutschen auch. Beide können Israel beeinflussen. Diese Kluft der Unkenntnis verursacht Hass, und Hass führt zu Furcht, und diese Furcht bedingt den Konflikt. Es ist vielleicht ein gutes Gefühl, sagen zu können, man ist ‚pro Israel‘ oder ‚pro Palästina‘. Aber solche Leute können wir nicht gebrauchen. Das Ende der Besetzung ist der Anfang der Lösung. Wir können nicht 50 Jahre lang ein Land okkupieren. Wer das so sieht, ist kein Anti-Semit, sondern zeigt nur, dass er den Konflikt wahrnimmt. Und wir müssen auch mit den Erwachsenen arbeiten. Sie sind Wähler, sie können die Situation verändern. Wir bieten Projekte für Erwachsene an, wie z.B. History through Human Eye. Einfühlungsvermögen und Verständnis sind das Wichtigste, weil wir den gleichen Schmerz teilen. Beide Seiten müssen mehr über die Geschichte der anderen lernen: Die Palästinenser über den Holocaust und die Israelis über Palästina vor der jüdischen Besetzung, die alles zerstört hat. Ich komme aus Südafrika, wo die Apartheid lange Zeit existiert hat, aber dann geschah ein Wunder, ein emotionaler Durchbruch. Das wollen wir für Israel und Palästina auch erreichen.“

Fotos: Parents Circle Freundeskreis Deutschland


*"Nakba" (arab. "Unglück") ist seit 1948 ein Synonym für "das Unglück der Vertreibung" und bis heute der Name des Gedenktages für den arabisch-israelischen Krieg. An diesem Tag trägt man einen symbolischen Hausschlüssel mit sich, der an die verlorene Heimat erinnern soll.