Das Menschenrecht auf Frieden durchsetzen, Atomwaffen abschaffen!

Kathrin Voglers Beitrag in der Dokumentation "Menschenrecht auf Frieden" zur Konferenz der Fraktion DIE LINKE am 24. Juni 2019 im Bundestag.

Seit die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 19. Dezember 2016 die Resolution zum Menschenrecht auf Frieden verabschiedet hat, ist in die Diskussion um dieses wichtige Thema eine neue Dynamik gekommen.

In der Resolution heißt es:

»Jeder hat das Recht auf den Genuss von Frieden unter Bedingungen, in denen alle Menschenrechte gefördert und geschützt werden und die Entwicklung voll verwirklicht wird.« (Artikel 1)

Die UN-Mitgliedsstaaten, die Vereinten Nationen selbst und ihre Unterorganisationen werden in der Resolution aufgefordert, die Erklärung umzusetzen. Auch wenn diese Resolution völkerrechtlich nicht bindend ist, lässt sich kaum bestreiten, dass es für Menschen in Kriegssituationen nicht möglich ist, ihre Menschenrechte vollumfänglich wahrzunehmen. Frieden ist also eine notwendige Bedingung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Schon die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte betont diesen Zusammenhang.

In Artikel 28 wird festgestellt: »Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.« Dass auch die Gegner des Menschenrechts auf Frieden diesen Zusammenhang verstanden haben, belegt eine Anekdote, über die Dr. David Adams berichtet. Adams ist der ehemalige Direktor der UNESCO-Abteilung für das Internationale Jahr der Kultur des Friedens, das die Generalversammlung der Vereinten Nationen für das Jahr 2000 ausgerufen hatte. Er schreibt: »Bei den Vereinten Nationen gab es im Jahr 1999 einen bemerkenswerten Moment, als der Entwurf einer Resolution zur Kultur der Friedens, den wir bei der UNESCO vorbereitet hatten, in informellen Sitzungen behandelt wurde.

Im ursprünglichen Entwurf war ein ‚Menschenrecht auf Frieden‘ erwähnt worden. Laut den Notizen der UNESCO-Beobachterin sagte der US-Delegierte, dass der Frieden nicht in die Kategorie des Menschenrechts erhoben werden sollte, da es sonst sehr schwierig sein würde, einen Krieg zu beginnen‘. Die Beobachterin war so erstaunt, dass sie den US-Delegierten bat, seine Bemerkung zu wiederholen. ‚Ja‘, sagte er, ‚der Frieden sollte nicht in die Kategorie des Menschenrechts erhoben werden, sonst wird es sehr schwierig sein, einen Krieg zu beginnen.‘« Das Menschenrecht auf Frieden steht im Widerspruch nicht nur zur Kriegsführung, sondern auch schon zur Kriegsvorbereitung und damit auch zur Aufrüstung, die ein Baustein der Kriegsvorbereitung ist, und zwar aus zweierlei Gründen: Die Mittel, die für Aufrüstung ausgegeben werden, sind verloren für Investitionen zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen und zur Förderung der Menschenrechte. Außerdem steigt mit der Aufrüstung die Gefahr, dass diese Waffen eingesetzt werden und ihnen unschuldige Menschen zum Opfer fallen, die so auf fundamentalste Weise ihrer Menschenrechte beraubt werden.

Betrachtet man die atomare Aufrüstung aus dieser Perspektive, so war es mehr als überfällig, dass die Vereinten Nationen am 7. Juli 2017 die Produktion, den Besitz, die Weitergabe und natürlich den Einsatz von Atomwaffen ebenso wie die »atomare Abschreckung« für völkerrechtswidrig erklärt haben und einen Vertrag verabschiedeten, der Atomwaffen verbietet. Der Atomwaffenverbotsvertrag tritt in Kraft, wenn ihn mindestens 50 Staaten ratifiziert haben. Aktuell haben 70 Staaten den Vertrag unterzeichnet, 25 haben ihn bereits ratifiziert. Aber noch immer lagern in den Arsenalen der Atomwaffenmächte fast 15.000 Atomsprengköpfe. 100 davon, eingesetzt in einem regionalen Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan, würden reichen, um die Nordhalbkugel in einen jahrzehntelangen nuklearen Winter zu stürzen, in dem sich der Himmel verdunkeln und die Temperatur abstürzen würde, so dass die Ernten verderben, das Vieh verenden und bis zu zwei Milliarden Menschen verhungern würden.

Schon die Erklärung über das Recht der Völker auf Frieden, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1984 beschlossen hat, benennt diesen Zusammenhang klar: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen sei »sich dessen bewusst, dass im Atomzeitalter die Herbeiführung eines dauerhaften Friedens auf der Erde die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung der menschlichen Kultur und für das Überleben der Menschheit darstellt«. Weiter wird »betont, dass die Staaten zur Gewährleistung der Ausübung dieses Rechts der Völker auf Frieden eine Politik betreiben müssen, die auf die Beseitigung der Kriegsgefahr, insbesondere der Gefahr eines Atomkriegs […] ausgerichtet ist«. Atomare Abrüstung als Überlebensfrage der Menschheit: Die Politik der Bundesregierung geht in die genau entgegengesetzte Richtung. Die Bundeswehr übt täglich den Atomkrieg! Die Bundesregierung ist nicht nur über ihre NATO-Mitgliedschaft an der US-amerikanischen Atomkriegsplanung beteiligt, sondern auch über die im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten amerikanischen Atombomben. Auf dem Fliegerhorst Büchel trainieren Bundeswehrsoldaten den Abwurf amerikanischer Atombomben von Bundeswehr- Tornados aus. Im Einsatzfall würden also deutsche Soldaten mit deutschen Kampflugzeugen Atombomben abwerfen. Ein klarer Verstoß gegen den Nichtweiterver24 breitungsvertrag, in dem sich die Atommächte verpflichten, keine Atomwaffen an andere Staaten weiterzugeben.

In der NATO soll diese »atomare Teilhabe« genannte Praxis aber den Zusammenhalt stärken. Die derzeitige »Modernisierung« der vermutlich 20 Atombomben vom Typ B61-3 und -4 auf den neuen Typ B61-12 ist in Wahrheit eine atomare Aufrüstung, denn die neue Generation der Bomben wird nicht einfach nur abgeworfen, sondern kann als präzisionsgelenkte Bombe viel genauer auf ein Ziel gesteuert werden. Diese Modernisierung ist ein Baustein eines größeren Projekts:

Die Vereinigten Staaten von Amerika wollen in den nächsten 30 Jahren insgesamt über eine Billion US-Dollar in die Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals investieren. Eine Billion Dollar, eine für uns alle unvorstellbare Summe. Eine Ein-Dollar-Banknote hat eine Seitenlänge von 155 Millimetern. Wenn wir eine Billion Ein-Dollarscheine aneinander legen würden, dann erhielten wir eine Strecke von hier bis zur Sonne. Ein Airbus A380 bräuchte bei Höchstgeschwindigkeit für diese Strecke nahezu 20 Jahre. Auch die deutschen Steuerzahler werden die Modernisierung der US-Atomwaffen mitfinanzieren: wenn die Tornados, die bisher die Atombomben tragen, durch neue Kampfflugzeuge ersetzt werden. In der Debatte sind der Eurofighter und die US-amerikanische F-35 zu einem Stückpreis von jeweils zwischen 80 und 100 Millionen Euro. Zwar behauptet die NATO gerne, ihre Atomwaffen dienten nur der Abschreckung, ihre Nuklearstrategie sieht aber immer noch den Ersteinsatz von Atomwaffen vor. Das ist auch logisch, denn Waffensysteme entfalten nur dann eine glaubhafte Abschreckungswirkung, wenn man in der Lage und willens ist, die Systeme auch jederzeit einzusetzen. Die deutschen Soldaten in Büchel proben also täglich den »Massenmord an unschuldigen Zivilisten «, wie der ICAN-Aktivist Felix Werdermann in einem Kommentar für die Wochenzeitschrift Freitag schrieb.

Nach dem INF-Vertrag droht ein neues atomares Wettrüsten Am ersten Februar 2019 hat US-Präsident Donald Trump den INF-Vertrag gekündigt, der die Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa seit 1987 verboten hat. Kurze Zeit später hat Wladimir Putin nachgezogen. Schon seit Jahren warfen sich die Vertragspartner gegenseitig den Bruch des Vertrags vor. Überprüfbare Beweise dafür gab es weder auf der einen, noch auf der anderen Seite, vor allem aber gab es keinerlei Bemühungen, die Karten auf den Tisch zu legen und die eigenen Systeme überprüfen zu lassen. Seit dem 1. August 2019 dürfen also wieder nukleare Mittelstreckenraketen in Europa stationiert werden. Ein neues, möglicherweise atomares, Wettrüsten droht. Mittelstreckenraketen sind in den 80er Jahren deshalb als erstes abgerüstet worden, weil sie besonders gefährlich sind. Solche Raketen, mit einer Reichweite zwischen 500 und 5000 Kilometern, verkürzen die Vorwarnzeit bei einem Atomschlag und erhöhen damit die Gefahr eines Atomkriegs aus Versehen.

Im Jahr 1986 war es schon einmal nur der Befehlsverweigerung eines sowjetischen Offiziers zu verdanken, dass nach einem Fehlalarm keine Atomraketen über den beiden Teilen Deutschlands herabgeregnet sind. Damals betrug die Vorwarnzeit noch etwa sechs Minuten. Inzwischen ist die Technik dreißig Jahre vorangeschritten - heute läge die Vorwarnzeit bei unter zwei Minuten.

Das Menschenrecht auf Frieden in einer atomwaffenfreien Welt Die UN-Mitgliedsstaaten, die für das Menschenrecht auf Frieden werben, verknüpfen ihr Engagement international mit der Idee einer »Kultur des Friedens«. Hier können sich alle zivilgesellschaftlichen Ebenen aktiv für Frieden und atomare Abrüstung einsetzen, in der Kommunalpolitik ebenso wie in der staatlichen Außenpolitik.

Die »Mayors for Peace«, Bürgermeister in Städten und Gemeinden, die sich weltweit für Frieden und gegen Atomwaffen engagieren, sind in diesem Sinne vernetzt. Und jetzt gehört auch die Forderung nach dem Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag in diesen Kontext.

Wie ist die Situation in Deutschland? »Ziel unserer Politik ist eine nuklearwaffenfreie Welt.« So haben es CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Dieser Satz ist leider das Papier nicht wert, auf das er gedruckt wurde. Wäre das ernst gemeint, dann wäre Deutschland dem UN-Vertrag für ein Atomwaffenverbot beigetreten und hätte ihn nicht nach Kräften zu sabotieren versucht. Was können wir also tun, um dieses Versagen der Bundesregierung nicht länger hinzunehmen?

Zahlreiche Städte, unter ihnen Köln, Bremen und Berlin, aber auch kleinere Gemeinden, haben bereits den ICAN-Städteappell unterzeichnet. Er lautet:

»Unsere Stadt/unsere Gemeinde ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellt. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohner und Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und lang anhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern die Bundesregierung zu deren Beitritt auf.«

Wir werben dafür, dass sich noch mehr Städte diesem Appell anschließen und daraus auch Konsequenzen ziehen. In Berlin zum Beispiel werden alle Investitionen der Stadt jetzt daraufhin überprüft, ob sie Klimakiller oder Atomwaffen fördern. Der Finanzsenator hat eigens einen Index entwickelt, der nur Papiere enthält, die nicht in solche Unternehmen investieren. Das schottische Parlament hat entschieden, dass der staatliche Pensionsfonds alle Anlagen, die zum Bau von Atomwaffen beitragen, durch ökologisch und friedenspolitisch unschädliche Anlageformen ersetzt.

Download der Broschüre "Menschenrecht auf Frieden" s.u.

Ankündigungstext, weitere Links & Programm der Folge-Tagung am 17. September 2019 in Hamburg

 

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