Warum die Ausweitung von Arzneimitteltests an Nicht-Einwilligungsfähigen abzulehnen ist

Kathrin Vogler, MdB

Wie ja bekannt ist, sieht ein Gesetzentwurf aus dem Hause Gröhe vor, die Möglichkeit gruppennütziger Forschung (von denen also die Probanden selbst keinen Nutzen haben) an nicht einwilligungsfähigen Menschen auszuweiten. Dagegen gibt es Widerstand in allen Fraktionen, interfraktionelle Änderungsanträge werden erwogen.

Wie ja bekannt ist, sieht ein Gesetzentwurf aus dem Hause Gröhe vor, die Möglichkeit gruppennütziger Forschung (von denen also die Probanden selbst keinen Nutzen haben) an nicht einwilligungsfähigen Menschen auszuweiten. Dagegen gibt es Widerstand in allen Fraktionen, interfraktionelle Änderungsanträge werden erwogen.

Die Tests sind nicht nötig:


•        Von den BefürworterInnen der Ausweitung gruppennütziger Arzneimitteltests an Nicht-Einwilligungsfähigen wird stets die Demenz-Forschung ins Feld geführt: Da im Spätstadium (also wenn keine Einwilligungsfähigkeit mehr gegeben ist) die Verstoffwechslung anders sei als im Frühstadium, müsse auch zu diesem Zeitpunkt Forschung betrieben werden.

•        Öffentlich erklärte der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller vfa, dass solche Studien nicht nötig seien.

•        In der Debatte um die Gesetzesänderung und auch bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit erklärten die meisten Wissenschaftler, dass solche Tests nicht nötig seien, nur wenige sind anderer Meinung.

•        Auf Nachfragen konnte auch die Bundesregierung kein konkretes Forschungsvorhaben benennen, das ohne diese Regelung nicht möglich wäre.

 

Eine Vorab-Erklärung widerspricht dem wichtigen Prinzip der „Zustimmung nach Aufklärung“:


•        Eine solche Blanko-Vorab-Vollmacht von noch einwilligungsfähigen Menschen für zukünftige Tests, die den Probanden selbst nichts nützen, aber deren Schadenspotenzial niemand vorhersagen kann, widerspricht dem wichtigen Patientenrecht des informed consent, der informierten Zustimmung.

•        Selbst wenn eine solche Probandenerklärung nur nach ärztlicher Beratung ausgefüllt werden dürfte, würde daraus keine „Zustimmung nach Aufklärung“ (informed consent).

•        Das Spektrum möglicher Studien ist nämlich sehr groß und reicht von Befragungen oder Belastbarkeitstests bis hin zu invasiven diagnostischen Maßnahmen oder zur Erprobung von neuen Wirkstoffen.

•        Damit sind auch mögliche gesundheitliche Schäden durch Teilnahme an solchen Studien ohne Kenntnis des konkreten Forschungsvorhabens pauschal im Voraus gar nicht zu konkretisieren und leider keinesfalls auszuschließen.

•        Durch die geplante Gesetzesänderung würde somit das Prinzip des informed consent ausgehebelt und die Rechte besonders Schutzbedürftiger beschnitten werden.

•        Auch die gesetzlichen BetreuerInnen, die dann konkret diese Maßnahmen bewerten und eine Zustimmung für den Patienten/die Patientin erteilen müssten, wären vermutlich in einer Zwickmühle, wenn sie aufgrund einer pauschalen Probandenvollmacht erwägen müssten, wie viel potenzielles Risiko die von ihr betreute Person bereit wäre zu (er-)tragen.

 

Besonderer Schutz für besonders Schutzbedürftige muss Vorrang haben:

•       Nicht einwilligungsfähige Menschen brauchen einen besonderen Schutz, weil sie selbst nicht mehr für sich sprechen können.

•       Das darf nicht aufgeweicht werden, auch nicht mit vorgeschobenen Argumenten, die Selbstbestimmung zum Ausfüllen einer solchen Vollmacht in Zeiten, in denen noch Einwilligungsfähigkeit besteht, dürfe nicht beschnitten werden.

 

Eine gesonderte Probandenerklärung ist die schlechteste Lösung

•       Schlechter noch als die im ursprünglichen Gesetzentwurf geplante Aufnahme einer Vorab-Zustimmung zu gruppennütziger Forschung in eine Patientenverfügung wäre die nun diskutierte gesonderte Probandenerklärung.

•       Denn diese Probandenerklärungen könnten zum Bespiel über Ärztinnen und Ärzte im Auftrag von forschenden Firmen und Instituten in großer Zahl an die Patientinnen und Patienten verteilt werden und die Patientinnen und Patienten im obligatorischen Beratungsgespräch vom Ausfüllen dieser Blanko-Vollmachten überzeugt werden. Gerade die infrage kommende Fachgruppe der NeurologInnen ist in hohem Maße auch finanziellen Einflussversuchen der Industrie ausgesetzt. Kritische PatientInnengruppen nennen etwa den jährlichen Neurologenkongress, der mit 2 Mio. Euro gesponsert wird, eine "Pharmamesse".

•       Dadurch, dass diese Art Erklärung losgelöst von Patientenverfügungen vorliegen würden, könnten sie auch einfacher der Industrie oder Forschungsinstituten übermittelt werden.

 

Im Jahr 2013 hat der Deutsche Bundestag einstimmig einen interfraktionellen Antrag beschlossen, in dem er sich klar gegen die Forschung an nicht einwilligungsfähigen PatientInnen positioniert hat. Die nun umzusetzende EU-Richtlinie lässt strengere Probandenschutzgesetze in den Nationalstaaten zu.