Eine Nachbetrachtung der NRW-Wahl von Kathrin Vogler

Vorwort im Mai-Newsletter

Liebe Leserin, lieber Leser,

ehrlich gesagt, fällt es mir ein bisschen schwer, dieses Vorwort für meinen Newsletter zu beginnen. Was soll ich zu dem niederschmetternden Ergebnis der Landtagswahl in NRW für meine Partei schon sagen? Dass es weh tut, erklärt sich von selbst. Die Entscheidung des Souveräns zu kritisieren, verbietet sich für DemokratInnen. Also bleibt mir nur darüber nachzudenken, was wir falsch gemacht haben, was ich vielleicht auch falsch gemacht habe, so dass sich nicht mehr als 2,5% der Menschen in NRW gut von der Linken vertreten sehen.

Nein, eigentlich sind es ja bei einer Wahlbeteiligung von unter 60% noch viel weniger. Ich stehe da und staune, wie knapp 12 Stunden nach der ersten Hochrechnung schon seitenlange Papiere mit intensiven Analysen auftauchen und in den Tageszeitungen bereits mehr oder weniger wohlwollende AutorInnen gute Ratschläge geben, was wir besser machen oder wen wir in drei Wochen als Parteivorsitzende wählen sollen. Ich bin empört, wie sich gegenseitige Schuldzuweisungen erneut wie ein giftiger Mantel über die klaren und offenen Gefühle breiten wollen, die so viele von uns im Augenblick haben: Trauer, Verwunderung und die Bereitschaft, über notwendige Veränderungen nachzudenken und zu sprechen.

Was für Veränderungen das sein könnten, das haben wir ja im Wahlkampf an vielen Stellen von den Wählerinnen und Wählern gehört. Das war zum Teil auch höchst widersprüchlich: Lauter sollen wir werden, frecher, ideenreicher. Gleichzeitig sollen wir aber offen sein für Bündnisse mit SPD, Grünen und Piraten. Basisdemokratischer sollen wir sein und gleichzeitig gibt es den oft genannten Wunsch nach einzelnen starken Führungspersönlichkeiten, nach "dem Oskar" oder "dem Gregor" und einer Partei, die sich einmütig hinter ihnen versammelt.

Das, was wir fordern, sei ja alles schon richtig, aber durchsetzen würden wir es ja doch nicht. Da erklär mal am Infostand in drei Minuten das dialektische Verhältnis zwischen außerparlamentarischer Aktion und parlamentarischer Arbeit, das Problem der öffentlichen Wahrnehmung bei kaum verhohlenem Medienboykott und die Tatsache, dass wir für eine kleine, neu ins Parlament gewählte Oppositionspartei schon recht viel durchgesetzt haben... Die Quadratur des Kreises ist nichts dagegen. Die Erwartungen sind enorm, die Geduld ist verständlicher Weise begrenzt.

Für mich ergeben sich daraus mehr Fragen als Antworten. Fragen, die ich gerne mit Ihnen bzw. euch diskutieren möchte. Dazu will ich in den nächsten Wochen und Monaten jede Gelegenheit nutzen. Ich komme gern, nicht nur zu Parteiversammlungen, sondern auch überall sonst hin, wo es um Zukunftsfragen geht, und wenn es ein Elternabend in der Kita oder ein Frauenstammtisch im Biergarten ist. Für mich ist diese Partei kein Selbstzweck, sondern ein hoffentlich nützliches Instrument im Sinne einer besseren Welt.

Apropos Welt: ich kann dieses Vorwort nicht beenden, ohne noch einen Augenblick bei der Rolle der Medien zu verweilen. Ich finde es außerordentlich ernüchternd zu sehen, welche Macht die Medien haben und wie diese Macht funktioniert. Sie haben es geschafft, die FDP mit der Legende vom mutigen, unbelasteten Lindner von 2 auf 8 Prozent zu schreiben, die Piraten als Protestpartei (wogegen eigentlich?) zu himmeln und Die Linke immer dann zu ignorieren, wenn es um Inhalte ging und immer dann in epischer Breite zu beachten, wenn sie Fehler macht. Beispiele gefällig? Unsere KommunalpolitikerInnen machen in den Stadträten richtig gute Arbeit. Wie sie sich zu umstrittenen Themen positionieren, erfährt die Leserin der Lokalzeitung aber nicht. Alle Fraktionsvorsitzenden werden zitiert, jedes Abstimmungsverhalten kommentiert - nur Die Linke findet nicht statt. Dass dies ein flächendeckendes Phänomen ist, weiß ich von anderen. Gegenöffentlichkeit muss also dringend geschaffen werden. Dieser Newsletter ist ein Teil davon und ich möchte euch daher bitten, auch andere Interessierte darauf hinzuweisen. Wir schicken ihn gerne auch an weitere Adressen.

Mit herzlichen Grüßen

Kathrin Vogler