Gesetz zu Arzneimittelstudien an Demenzerkrankten muss sofort gestoppt werden!

Pressemitteilung Kathrin Vogler, MdB

"Die geplante Novellierung des Arzneimittelgesetzes, mit der Arzneimittelstudien an Demenzerkrankten unter bestimmten Bedingungen erlauben will, muss sofort gestoppt werden." erklärt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, anlässlich eines Fachgesprächs mit sechs Expertinnen und Experten, das sie gemeinsam mit Ulla Schmidt (SPD), Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Uwe Schummer (CDU) am gestrigen Dienstag im Bundestag veranstaltet hat.

Vogler sieht ihre politische Kritik an der geplanten Gesetzesänderung von Expertenseite ausnahmslos bestätigt: "Arzneimittelforschung an nicht einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten ist nicht nur unnötig, sie ist auch medizinisch, juristisch und ethisch fragwürdig. Das haben die Sachverständigen aus verschiedenen Perspektiven überzeugend dargelegt. Medizinische Fortschritte etwa im Bereich Demenzforschung werden auch nicht behindert, wenn fremdnützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen wie bisher verboten bleibt."

 

 

"Die geplante Novellierung des Arzneimittelgesetzes, mit der Arzneimittelstudien an Demenzerkrankten unter bestimmten Bedingungen erlauben will, muss sofort gestoppt werden." erklärt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, anlässlich eines Fachgesprächs mit sechs Expertinnen und Experten, das sie gemeinsam mit Ulla Schmidt (SPD), Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Uwe Schummer (CDU) am gestrigen Dienstag im Bundestag veranstaltet hat.

Vogler sieht ihre politische Kritik an der geplanten Gesetzesänderung von Expertenseite ausnahmslos bestätigt: "Arzneimittelforschung an nicht einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten ist nicht nur unnötig, sie ist auch medizinisch, juristisch und ethisch fragwürdig. Das haben die Sachverständigen aus verschiedenen Perspektiven überzeugend dargelegt. Medizinische Fortschritte etwa im Bereich Demenzforschung werden auch nicht behindert, wenn fremdnützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen wie bisher verboten bleibt."

Auch an voll einwilligungsfähigen Patienten darf nur geforscht werden, wenn sie zuvor über das konkrete Vorhaben, die Ziele und Wirkungen, aber auch Risiken und Beeinträchtigungen einer Studie vollumfänglich aufgeklärt wurden. Zudem haben sie das Recht, jederzeit ohne Begründung und ohne Nachteile die Teilnahme zu beenden. Dieses Recht können Menschen mit fortgeschrittenen Erkrankungen des Nervensystems aber kaum noch wirksam wahrnehmen.

"Die Risiken und Belastungen durch Arzneimittelstudien gerade für Demenzpatienten dürfen keinesfalls verharmlost werden, da bei diesen Studien auch massive Eingriffe in Freiheitsrechte wie Fixierungen, also Fesselungen, oder Eingriffe in den gewohnten Tagesablauf notwendig werden können, die Betroffenen aber keine Einsicht mehr in die Gründe für diese Maßnahmen haben", so Vogler weiter.

Auch wurde bezweifelt, dass der Gesetzentwurf und die von anderen Parlamentariergruppen initiierten Änderungsanträge europarechtlich Bestand hätten. Die EU-Verordnung sieht explizit entweder eine Freigabe dieser Tests oder aber ein nationalstaatlich geregeltes Verbot vor. Eine bedingte Zulassung hingegen ist nicht mit dem EU-Gesetz vereinbar; man müsse demzufolge mit einer Klage der EU wegen Vertragsverletzung und einem Verbot der Zusatzregelung rechnen. Daher sei nur ein Verbot der fremdnützigen Forschung ein gangbarer Weg, um das bisherige Schutzniveau zu erhalten, was der Bundestag auch 2013 einstimmig gefordert habe.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe beabsichtigt, die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen freizugeben, wenn diese vorab mit einer Blanko-Erklärung eingewilligt haben. Die Experten - Mediziner, Juristen und Ethiker - bezweifelten, dass potentielle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ausreichend über mögliche Gefährdungen und Risiken aufgeklärt werden könnten, da die konkreten Forschungsvorhaben noch gar nicht bekannt seien. Auch der Änderungsantrag einer Gruppe um Karl Lauterbach (SPD) und Maria Michalk (CDU) litte unter denselben Mängeln, so die Sachverständigen, und sei darum nicht praktikabel. Zudem befürchte man eine Türöffnerfunktion für Tests auch an anderen Menschen, etwa solche mit geistigen Behinderungen. Ausweitungen seien immer möglich und die "dunkle Seite der Forschung" sei nicht zu unterschätzen, warnte der Sachverständige Hildebrandt.

Eine weitere parlamentarische und gesamtgesellschaftlich Debatte sei darum unumgänglich. Die entsprechende EU-Richtlinie muss erst bis Oktober 2018 in nationales Recht umgesetzt werden. Ein übereilter Abschluss des Gesetzesvorhaben sei völlig unnötig.

Zum Hintergrund:

Vor vier Jahren hatten sich sämtliche Abgeordnete des Bundestages einstimmig gegen eine Einschränkung des Schutzniveaus für Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer ausgesprochen (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/12183 und 17/12184). Der von Bundesgesundheitsminister Gröhe vorgelegte Gesetzentwurf sowie die Änderungsanträge von zwei Parlamentariergruppen weichen dagegen ohne Not davon ab, denn die EU-Verordnung sieht eine Beibehaltung des strengeren deutschen Gesetzes ausdrücklich vor. Einzig der Änderungsantrag von Uwe Schummer (CDU), Ulla Schmidt (SPD), Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Kathrin Vogler (DIE LINKE.) sieht vor, dass die Rechte und die Würde der besonders Schutzbedürftigen umfassend gewahrt werden. Zur Abstimmung über die Änderungsanträge zum Gesetzentwurf haben die Regierungsfraktionen den Fraktionszwang aufgehoben.

An der Sachverständigenanhörung nahmen teil:

-Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Theologische Ethik, Geschäftsführer Institut für christliche Ethik und Politik

-Prof. Dr. med. Martin Hildebrandt, TU München, Fakultät für Medizin, Leiter des TUMCells Interdiziplinäres Zentrum für zelluläre Therapien

-Prof. Dr. med. Johannes Pantel, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin -Institut für Allgemeinmedizin

-Prof. Dr. iur. Christian Pestalozza, Freie Universität Berlin, Fachbereich Rechtswissenschaften, Institut für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht

-Prof. Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel, Universität Bayreuth, geschäftsführender Direktor am Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften

-Dr. Katrin Grüber, Leiterin des Instituts für Mensch, Ethik und Wissenschaft sowie als einladende Bundestagsabgeordnete:

-Kordula Schulz-Asche

-Uwe Schummer

-Ulla Schmidt und

-Kathrin Vogler