Dülmen: Rundtischgespräch "Atomkrieg aus Versehen"

NRWFrieden

Die Friedensfreunde Dülmen hätten mit ihrer Veranstaltung nicht aktueller sein können. Mitten im Angriffskrieg der Atommacht Russland gegen die Ukraine, diskutierte Michael Stiels-Glenn mit Kathrin Vogler, Prof. Karl Hans Bläsius, Wolfgang Richter und Dr. Brigitte Hornstein über die Risiken der atomaren Hochrüstung.

Russland ist der Staat mit den meisten Atomwaffen weltweit (6.255, NATO + USA 6.065 Nuklearsprengköpfe). Schon vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte die US-amerikanische Federation of Atomic Scientists (FAS) die Weltuntergangsuhr der Atomwissenschaftler auf 100 Sekunden vor Mitternacht gestellt, wobei "Mitternacht" für den Beginn eines Nuklearkrieges steht. Zum Vergleich: im Jahr 1991, am Ende der Ost-West-Konfrontation, stand diese Uhr auf 17 Minuten vor Mitternacht. Es war auch das Jahr, in dem die USA und die Sowjetunion den START-Vertrag unterschrieben und damit einwilligten, ihre strategischen Nuklearwaffen zu reduzieren.

Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist das Schreckensszenario der FAS Wirklichkeit geworden, denn Putin droht damit, die nukleare Alarmstufe zu erhöhen und sogar Atomwaffen einzusetzen, falls die NATO der Ukraine zu Hilfe käme. Das ist die Lage 100 Sekunden vor Mitternacht.

Entsprechend bewegt waren die Diskussionsgäste, die Michael Stiels-Glenn von den Friedensfreunden Dülmen, am Samstag, 5. März, im Dülmener Forum der Alten Sparkasse zu Gast hatte. Der Informatiker Prof. Karl Hans Bläsius von der Universität Trier (Initiative "Atomkrieg aus Versehen"), der Brigadegeneral der Bundeswehr a.D. Wolfgang Richter (Stiftung Wissenschaft und Politik), die Ärztin Dr. Brigitte Hornstein (Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/IPPNW) und Kathrin Vogler debattierten zum Thema „Atomkrieg aus Versehen“. Alle waren sich einig, dass sich jede nukleare Rhetorik in diesem Konflikt verbietet.

Der Brigadegeneral a.D. Wolfgang Richter konstatierte, nachdem Putin die europäische Friedensordnung zerstört habe, müsse ein neuer Dialog entwickelt werden, für den es bis jetzt keine Blaupause gäbe. Der Westen müsse nun überlegen, welche Exitstrategie Putin anzubieten sei, ein Ausweg ohne Gesichtsverlust, um das Blutvergießen sofort und bedingungslos zu beenden. Prof. Karl Hans Bläsius beschrieb die Szenarien und Risiken, wie der russische Krieg gegen die Ukraine nuklear eskalieren könnte. Brigitte Hornstein verwies auf die Intentionen des vor einem Jahr verabschiedeten UN-Atomwaffenverbotsvertrag und erneuerte die Forderung, auch Deutschland müsse diesem Vertrag beitreten. Kathrin Vogler erinnerte daran, wie sehr die Folgen von Krieg und Sanktionen gerade und besonders ärmere Menschen treffen. Als Konsequenz aus diesem Krieg noch mehr Geld in die Aufrüstung zu stecken, sei falsch. Die Politik sei jetzt gefordert, so schnell wie möglich diplomatische Wege aus diesem Krieg zu finden, alle Gesprächskanäle offen zu halten und nachhaltige, friedliche Lösungsstrategien für den Konflikt mit Russland entwickeln.

Foto: Friedensfreunde Dülmen