Häufig gestellte Fragen zur Corona-Pandemie

Corona PandemieImpfen

Viele Bürger*innen wenden sich mit Fragen zur Pandemie an Kathrin Vogler und möchten wissen, wie sie den politischen und wissenschaftlichen Umgang mit dieser Ausnahmesituation bewertet. Die häufigsten Fragen und Kathrin Voglers Antworten darauf haben wir hier von April bis aktuell Januar 2023 dokumentiert; ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte.

 
 
Übersicht: häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Corona-Pandemie
 
Wie groß ist die Gefahr, durch COVID-19 schwer zu erkranken?
Sind die Impfungen wirksam?
Ist es nicht viel gefährlicher, sich impfen zu lassen, als Corona zu bekommen?
Wenn auch Geboosterte erkranken können, spricht das nicht gegen die Impfung?
Wie gut sind Genesene gegen Omikron geschützt?
Warum werden die Maßnahmen aufrecht erhalten, obwohl durch Omikron zwar die Fallzahlen steigen, die Fälle selbst aber oft weniger schwer sind?
Wie läuft das parlamentarische Verfahren zur möglichen Einführung einer Impfpflicht?
Wie stehen Sie persönlich zur Einführung einer Impfpflicht?
Das ist jetzt aber eine ziemlich allgemeine Antwort, das geht ja gar nicht auf meine konkrete Frage ein!
Ist es aus ihrer Sicht richtig, dass allein das RKI den Genesenen- oder Geimpftenstatus festlegt?
Sind die Impfstoffe sicher?
Ich habe im Internet eine Studie gefunden, die den Aussagen des RKI widerspricht, was sagen Sie denn zu dieser Studie?
Gibt es nicht auch viele Aspekte bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die unlogisch sind?
Ist jeder, der eine andere Meinung hat, ein Corona-Leugner?
Müssten dann nicht auch Alkohol und Zigaretten oder ungesunde Nahrungsmittel verboten werden, oder zumindest Menschen, die Risikosportarten ausüben, höhere Versicherungsbeiträge zahlen?
In der Pandemie ist viel von Solidarität die Rede, aber haben wir nicht ein Gesundheitssystem, von dem einige private Akteure sehr profitieren, während die Versorgung von Patient*innen oftmals auf der Strecke bleibt? Müsste sich DIE LINKE nicht darum mehr kümmern?
Widerspricht es nicht einer freiheitlichen Demokratie, wenn ich etwa als Infizierte meine Kontakte angeben muss oder als Ungeimpfter zu bestimmten Orten keinen Zugang habe?
Wird durch die Berichterstattung über Corona die Meinungsfreiheit bedroht?
Lenkt die Corona-Pandemie nicht von den eigentlichen Aufgaben einer linken Gesundheitspolitik ab?
Ist die Impfpflicht für Pflegekräfte sinnvoll?
Was halten Sie von Schadensersatzleistungen bei Impfschäden?
Stand der Therapieforschung bei Long-COVID bzw. Post-COVID

 

Wie groß ist die Gefahr, durch COVID-19 schwer zu erkranken?

Covid-19 ist eine für viele Menschen tödliche Krankheit, die durch ein neuartiges, hoch ansteckendes Virus übertragen wird. Insgesamt sind seit dem ersten bekannt gewordenen COVID-19-Fall vor gut zwei Jahren in Deutschland fast 36 Millionen Personen (Stand 9.11.2022) nachweislich infiziert gewesen und über 155.000 Menschen (Stand 9.11.2022) im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben. Die Todesfälle weltweit haben im November 2022 nach WHO-Angaben eine Zahl von über 6,6 Millionen erreicht.
Expert*innen gehen davon aus, dass bis zu 10 Prozent der von einer Infektion betroffenen Menschen langfristig unter gesundheitlichen Folgen der Erkrankung (Long-Covid) leiden (werden), das wären dann jetzt schon bis zu 3,6 Mio. Betroffene allein in Deutschland. Selbst sogenannte leichte Verläufe können bedeuten, dass Menschen tagelang schweres Fieber haben und im Krankenhaus behandelt werden müssen, schwere Verläufe gehen oftmals mit mehrwöchigen Aufenthalten auf Intensivstationen mit künstlicher Beatmung und künstlichem Koma einher. Wer das überlebt hat, ist auf eine lange Rehabilitation angewiesen, um wieder selbstständig leben zu können.

 

Sind die Impfungen wirksam?

Studien zeigen, dass vollständig Geimpfte, insbesondere die mit einer Auffrischungsimpfung, eine deutlich geringere Viruslast aufweisen und auch nur eine deutlich kürzere Zeit ansteckend sind. Deshalb kann es sinnvoll sein, abhängig von den Inzidenzen, den Zutritt zu Lokalen nur für Geimpfte freizugeben, insbesondere unter der Bedingung, dass aussagekräftige PCR-Tests aktuell knapp sind (wofür wir die Regierung kritisiert haben und kritisieren (Quelle1, Quelle2, Quelle3) und deshalb nicht für alle Zwecke zur Verfügung stehen.

 

Ist es nicht viel gefährlicher, sich impfen zu lassen, als Corona zu bekommen?

Nein, ist es nicht. Tatsächlich ist das Risiko etwa 1:1000. Dieses Verhältnis von Todesfällen im zeitlichen (nicht ursächlichen) Zusammenhang mit der Impfung zu Todesfällen im Zusammenhang mit der COVID-19-Infektion zeigt, dass das Risiko der Erkrankung um den Faktor 1000 höher ist als das Risiko einer Impfung. Das Paul-Ehrlich-Institut hat im Zusammenhang mit den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen keine erhöhte Sterblichkeit feststellen können. Die Impfstoffe sind auch im Vergleich mit solchen, die in der DDR und der BRD einer Impfpflicht unterlagen, extrem sicher und gut verträglich. Die Pockenimpfung etwa hatte ein deutlich schlechteres Risikoprofil. Auch die Gelbfieberimpfung, die in vielen Ländern Bedingung für ein Visum ist, ist deutlich nebenwirkungsreicher. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass vielleicht nicht alle Impf-Nebenwirkungen der Überwachungsbehörde gemeldet werden, überzeugt Sie vielleicht der Vergleich der Sterblichkeit in verschiedenen Bundesländern: In Sachsen, das die schlechteste Impfquote hat, sind bisher 3,5 Promille der Bevölkerung mit einer COVID-19-Erkrankung verstorben, in Schleswig-Holstein mit einer hohen Impfquote nicht einmal ein Fünftel davon. Vielleicht interessiert Sie in diesem Zusammenhang auch ein Bericht aus Sachsen: Hier hat ein AfD-Abgeordneter die Landesregierung nach Entschädigungsverfahren wegen Impfnebenwirkungen gefragt. Das Sozialministerium berichtet von insgesamt 101 Anträgen auf 7 Millionen verimpfter Impfstoffdosen. Das sind 0,01 Promille. (Quelle)

 

Wenn auch Geboosterte erkranken können, spricht das nicht gegen die Impfung?

Tatsächlich können auch vollständig Geimpfte Corona bekommen. Solche „Impfdurchbrüche“ können unterschiedliche Ursachen haben, zum Beispiel, wenn Vorerkrankungen oder ein hohes Alter eine sehr gute Immunantwort verhindern. Dass mittlerweile häufiger Impfdurchbrüche auftreten, hängt zum einen mit der relativ hohen Zahl der Geimpften und zum anderen mit den hohen Infektionszahlen zusammen. Wichtig ist aber vor allem: Wer vollständig geimpft ist, hat ein deutlich geringeres Risiko, dass seine COVID-19-Infektion einen schweren Verlauf nimmt, als eine nicht geimpfte Person. Außerdem lässt sich bei vollständig Geimpften eine deutlich geringere Viruslast nachweisen und sie sind auch nur eine kürzere Zeit ‘ansteckend‘. Deshalb müssen frisch zweifach Geimpfte und Geboosterte als Kontaktpersonen auch nicht in Quarantäne. Das liegt daran, dass das Risiko für diese Personen, andere anzustecken und selbst zu erkranken, deutlich geringer ist als das ungeimpfter Personen.

 

Wie gut sind Genesene gegen Omikron geschützt?

Wie Sie der Website des Robert-Koch-Instituts entnehmen können, ist die Gefährdung durch die Omikron-Variante für Geboosterte am geringsten: "Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt."  (Quelle)

Zwar gibt es Hinweise auf insgesamt weniger schwere Verläufe bei Omikron, allerdings ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit auch viel höher. Wie der Blick nach Großbritannien zeigt, ist eine katastrophale Überlastung des Gesundheitssystems ohne weitere Maßnahmen auch in der Bundesrepublik wahrscheinlich. Deshalb ist es dringend angeraten, dass jede und jeder sich boostern lässt, um seinen oder ihren Beitrag dazu zu leisten, diese Überlastung geringer ausfallen zu lassen. Hier können Sie einen Impftermin vereinbaren

 

Warum werden die Maßnahmen aufrecht erhalten, obwohl durch Omikron zwar die Fallzahlen steigen, die Fälle selbst aber oft weniger schwer sind?

Es muss auch darum gehen, die Krankheitslast insgesamt zu verringern und damit schweres Leid und langfristige Beeinträchtigungen durch Post- oder Long-COVID zu vermeiden. Auch die Funktionsfähigkeit anderer Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge ist ein hochrangiges Ziel, an dem sich die Maßnahmen orientieren sollten. Durch die Omikron-Variante hat sich die Belastung in den Krankenhäusern mehr auf die Normalstationen verlagert, aber auch die Intensivbettenbelegung ist teilweise noch kritisch und der R-Wert, der die Entwicklung der Infektionszahlen am zuverlässigsten vorausschauend abbildet, ist zu hoch.

 

Wie läuft das parlamentarische Verfahren zur möglichen Einführung einer Impfpflicht?

Die Bundesregierung hat aus parteitaktischen Rücksichten auf die unverantwortliche Anbiederung der FDP an die Corona-Skeptiker auf eine eigene, gründlich ausgearbeitete Vorlage verzichtet und stattdessen Gruppen von Abgeordneten die Verantwortung für die Erarbeitung eines sachgerechten Vorschlags übergeholfen. Es wird deshalb Anträge und Gesetzentwürfe geben, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen, für eine Impfpflicht ab 50 Jahren und eine Impfpflicht für alle ab 18. Dazu gibt es einen Antrag der Unionsfraktion. Der Bundestag wird darüber im April entscheiden. Hier ist der Übersichtsartikel dazu auf der Website der Linksfraktion

 

Wie stehen Sie persönlich zur Einführung einer Impfpflicht?

Solidarität ist ein viel missbrauchtes Wort, aber ohne Solidarität werden wir als Gesellschaft den Weg aus dieser Pandemie nicht finden. Eine Impfpflicht, die ja ein Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung ist, kann da immer nur ultima ratio sein. Eine letzte Möglichkeit, wenn anders der Schutz der Gesundheit und die Wiedererlangung unserer Freiheiten nicht erreicht werden kann.

Aber dann halte ich eine Impfpflicht nicht nur für verfassungsgemäß, sondern unter Umständen sogar für zwingend geboten, um andere hohe Rechtsgüter zu schützen: Das Recht auf Leben, die persönlichen Freiheiten und die Funktionsfähigkeit von Bildung, Gesundheitswesen und öffentlicher Daseinsvorsorge. Die Voraussetzung wäre aber auch, es den Bürger*innen so leicht wie möglich zu machen, ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen: durch niedrigschwellige Impfangebote, aktive Einladungen und verständliche, zielgruppengerechte Informationen. Und sie entbindet die Politik nicht von der Pflicht, unser Gesundheitswesen so zu gestalten, dass die dort Arbeitenden nicht täglich über ihr Limit gehen müssen.

 

Das ist jetzt aber eine ziemlich allgemeine Antwort, das geht ja gar nicht auf meine konkrete Frage ein!

Bitte schauen Sie sich hier auf meiner Homepage um, ich habe mich schon häufiger detailliert zur Impfpflicht geäußert, vielleicht fangen Sie hier an.

 

Ist es aus ihrer Sicht richtig, dass allein das RKI den Genesenen- oder Geimpftenstatus festlegt?

Es ist nicht das RKI, sondern das PEI im Benehmen mit dem RKI, das die Dauer des Genesenen- und Geimpftenstatus festlegt. Wir haben, wie alle demokratischen Fraktionen, vor dem Hintergrund der heranrollenden Omikronwelle dieser Regelung zugestimmt. Die Dauer des Genesenenstatus muss an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet werden. Aber der Ablauf bei der jüngsten Verkürzung auf drei Monate ohne vernünftige Kommunikation und ohne Übergangsfristen war eine schwere Zumutung für alle Betroffenen und das darf so nicht wieder geschehen. Wir setzen uns dafür ein, die Frage, wer unter welchen Bedingungen als vollständig geimpft oder genesen gilt, wieder in einer Verordnung zu regeln, der Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen. Das sorgt auch für den notwendigen Vorlauf und eine öffentliche Debatte, die es den Menschen ermöglich, sich auf bevorstehende Veränderungen einzustellen.

 

Sind die Impfstoffe sicher?

Die wissenschaftliche Forschung zur Pandemie im Allgemeinen und zum Impfgeschehen im Besonderen ist inzwischen ausreichend dokumentiert und durch das Internet für jede*n Interessierte*n problemlos auch in allgemeinverständlicher Form zugänglich. Deshalb bitte ich Sie eindringlich: Lassen Sie sich vollständig impfen. Wir verfügen über qualitativ hochwertige, sichere Impfstoffe. 62,9 Mio. Deutsche und 4,45 Mrd. Menschen weltweit haben sich bereits unter diesen Schutzschirm begeben.

Einzelne Beispiele: Die bisher umfangreichste Studie zur Sicherheit von COVID-19-mRNA-Impfstoff wurde vom israelischen Clalit Research Institute in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Harvard University durchgeführt und im August 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Dort heißt es u.a., der mRNA-Impfstoff (hier Pfizer/BioNTech) ist sicher, schützt vor schweren Erkrankungen und verursacht nur sehr selten schwere Nebenwirkungen. Ich verstehe unter einem "qualitativ hochwertigen Impfstoff", dass er genau diese Voraussetzungen erfüllt. Vielleicht noch zwei Zitate zur Studie: 

* Prof. Ran Balicer, Hauptautor der Studie, Direktor des Clalit Research Institute und Chief Innovation Officer bei Clalit: "Diese Ergebnisse zeigen überzeugend, dass dieser mRNA-Impfstoff sehr sicher ist und dass die Alternative der 'natürlichen' Morbidität, die durch das Coronavirus verursacht wird, eine Person einem signifikanten, höheren und viel häufigeren Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aussetzt. Diese Daten sollten eine fundierte individuelle Risiko-Nutzen-Entscheidung erleichtern und sind unserer Ansicht nach ein starkes Argument für eine Impfung, insbesondere in Ländern, in denen das Virus derzeit weit verbreitet ist" 

* Prof. Ben Reis, Direktor der Predictive Medicine Group am Boston Children's Hospital Computational Health Informatics Program und an der Harvard Medical School: "Diejenigen, die bisher gezögert haben, sich impfen zu lassen, weil sie Bedenken wegen sehr seltener Nebenwirkungen - wie Myokarditis - hatten, sollten sich bewusst sein, dass das Risiko für eben diese Nebenwirkungen bei nicht geimpften Infizierten tatsächlich höher ist."

Quellen:

 

Ich habe im Internet eine Studie gefunden, die den Aussagen des RKI widerspricht, was sagen Sie denn zu dieser Studie?

Für die Aufarbeitung des wissenschaftlichen Forschungsstands zu Corona und den Maßnahmen dagegen ist das Robert-Koch-Institut zuständig. Auf dessen wissenschaftlich fundierten Informationen beruht auch unsere Arbeit im Bundestag. Auf der Seite des RKI können Sie sich über den aktuellen Forschungsstand informieren. Die Bewertung einzelner Studien aus der inzwischen unüberschaubar gewordenen Menge an Forschungsberichten übersteigt aber die Ressourcen einzelner Abgeordneter.

 

Gibt es nicht auch viele Aspekte bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die unlogisch sind?

Ja, bei den Pandemiemaßnahmen ist nicht alles immer nachvollziehbar. Wie auch bei anderen politischen Entscheidungen kommt es hier zu Abwägungsprozessen und Interessenkollisionen, die manchmal wirklich skurrile Ergebnisse bringen, etwa als im ersten Lockdown die Kinderspielplätze geschlossen, aber die Großraumbüros in Betrieb waren. Die Differenzen, die es über die sinnvolle Abwägung zwischen verschiedenen Maßnahmen und den anderenfalls steigenden Krankheits- und Todesfällen gibt, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Impfen, Masketragen, Abstandhalten, Lüften und Kontaktbeschränkungen effektive Maßnahmen sind gegen die Risiken der Pandemie.

 

Ist jeder, der eine andere Meinung hat, ein Corona-Leugner?

Ich bemühe mich stets, deutlich zu machen, dass viele Menschen in diesem Land eine verzerrte Risikowahrnehmung haben und die Risiken der Erkrankung unterschätzen, während sie diejenigen der Impfung überschätzen. Das belegen auch die Ergebnisse der verschiedenen Befragungen der COSMO-Studie der Uni Erfurt — Langzeitstudie zum Erleben und Verhalten von Geimpften und Ungeimpften in Deutschland und Österreich". Die Studie belegt, dass Ungeimpfte die Gefahren durch COVID-19 unter- und die Risiken der Impfung überschätzen. Das ist aber ein allgemein menschliches Verhalten, das auch in anderen Bereichen zutage tritt. In diesem Fall wird es aber tatsächlich durch bestimmte Medien verstärkt, deren Geschäftsmodell darin besteht, Emotionen zu schüren, um möglichst große Reichweite zu erzielen ('klickbaiting').

 

Müssten dann nicht auch Alkohol und Zigaretten oder ungesunde Nahrungsmittel verboten werden, oder zumindest Menschen, die Risikosportarten ausüben, höhere Versicherungsbeiträge zahlen?

Nein, das wäre falsch. Unser Gesundheitssystem ist auf den Gedanken gegründet, dass die Gemeinschaft solidarisch für die Gesundheitsrisiken der Einzelnen aufkommen soll. (Dort, wo dieses Prinzip nicht gilt, kritisieren wir das. Dazu weiter unten mehr.) Die Analogie in Bezug auf die Corona-Pandemie wäre übrigens, dass Nichtgeimpfte bei der Behandlung in Krankenhäusern benachteiligt oder gar davon ausgeschlossen würden. Das lehne ich ab. Aber ich finde es nach wie vor richtig, dass Menschen nicht in geschlossenen Räumen rauchen dürfen, in denen auch Nichtraucher sind und dass man nicht betrunken Auto fahren und damit andere Menschen gefährden darf.

 

In der Pandemie ist viel von Solidarität die Rede, aber haben wir nicht ein Gesundheitssystem, von dem einige private Akteure sehr profitieren, während die Versorgung von Patient*innen oftmals auf der Strecke bleibt? Müsste sich DIE LINKE nicht darum mehr kümmern?

Erst kürzlich habe ich mich zu dieser Frage geäußert, und zwar in einem kritischen Beitrag über den Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Dort schreibe ich: "Grüne und SPD hatten in ihren Wahlprogrammen richtigerweise die Einführung einer Bürgerversicherung gefordert, die dazu beitragen würde, die starken Schultern in größerem Maße an der Finanzierung des Gesundheitswesens zu beteiligen. In dieser zentralen Frage trägt der Koalitionsvertrag einmal mehr die Handschrift der FDP. Die Finanzierung des Gesundheitswesens wird nicht auf breitere Füße gestellt, und deshalb bleibt der Ampel wie in den vergangenen Legislaturperioden nur das Herumpfriemeln an verschiedenen Stellschrauben. Von einer Überwindung der Zwei-Klassen-Medizin ist keine Rede mehr. Stattdessen sollen die absehbaren Kassendefizite über Steuerzuschüsse ausgeglichen werden. Trotz erwartbarer Kostensteigerungen will man ab 2023 die „Schuldenbremse“ wieder einhalten, ohne die Steuern und Abgaben für Reiche und Superreiche zu erhöhen. [Bundesgesundheitsminister] Lauterbach hatte zwar bei der Vorstellung der SPD-Minister*innen im Willy-Brandt-Haus angekündigt, dass es keine Kürzungen geben werde, aber angesichts der erwartbaren Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich sind Beitragserhöhungen, Leistungskürzungen und Kassenpleiten kaum abwendbar. Einige gesetzliche Krankenkassen haben schon jetzt eine Erhöhung ihrer Zusatzbeitragssätze angekündigt." (Quelle)

 

Widerspricht es nicht einer freiheitlichen Demokratie, wenn ich etwa als Infizierte meine Kontakte angeben muss oder als Ungeimpfter zu bestimmten Orten keinen Zugang habe?

Auch in einer Demokratie und in einem Rechtstaat gelten Regeln, an die sich alle halten müssen. Das hat mit Diktatur nichts zu tun. Zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ist es schon lange üblich, dass einige davon meldepflichtig sind, damit Maßnahmen ergriffen werden können, um ihre Verbreitung zu verhindern. Um Infektionskrankheiten einzudämmen, ist es erforderlich, Kontakte nachzuverfolgen. Dies ist nur möglich, wenn den Gesundheitsämtern die Kontakte bekannt sind.

 

Wird durch die Berichterstattung über Corona die Meinungsfreiheit bedroht?

Die Corona-Pandemie ist ein idealer Nährboden für Verschwörungserzählungen und Falschinformationen. Dass es Medien gibt, zu deren Geschäftsmodell es gehört, mit genau solchen Sachen Geld zu verdienen, ist offensichtlich. Gegen die Drangsalierung kritischer Journalist*innen habe ich mich immer ausgesprochen. Das darf aber kein Argument dafür sein, dass ungeprüft Falschinformationen und längst widerlegte Gerüchte verbreitet werden. Natürlich ist nicht jedes Medium gleichermaßen an seriöser Berichterstattung und demokratischer Streitkultur interessiert. Und nicht alle, die sich als Journalist*innen bezeichnen, arbeiten nach den journalistischen Standards, wie zum Beispiel die Trennung von Nachricht und Kommentar, Gegenrecherche und korrektes Zitieren.

 

Lenkt die Corona-Pandemie nicht von den eigentlichen Aufgaben einer linken Gesundheitspolitik ab?

In meinem oben schon zitierten Text habe ich etwas zum Ausblick auf die Arbeit der LINKEN im Gesundheitsbereich in dieser Legislaturperiode geschrieben. Ich hoffe, dass das Pandemiethema bald etwas zurücktreten kann (dazu würde übrigens eine hohe Impfquote einen Beitrag leisten) und wir uns dann noch engagierter diesen Schwerpunkten in der Gesundheitspolitik widmen können: "Auch wenn es an einigen Stellen [im Gesundheitsbereich] Verbesserungen geben wird, fehlen insgesamt Spielräume für grundlegende Reformen, die die Probleme an den Wurzeln packen. Diese wird es erst geben können, wenn eine Regierung zu einer Umverteilungspolitik auch im Gesundheitsbereich bereit ist. Am Widerspruch zwischen den Forderungen in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen und der vereinbarten Regierungspolitik muss linke Gesundheitspolitik in den nächsten vier Jahren ansetzen. Den gesamten Koalitionsvertrag durchzieht der Gedanke, Geld von privaten Investoren für öffentliche Aufgaben einzuwerben. Dass sich der Gesundheitsminister in der Vergangenheit offen für neoliberale Vorschläge zur Strukturierung des Gesundheitswesens gezeigt hat, ist vor diesem Hintergrund besonders besorgniserregend. Deswegen sind auch die gut klingenden Vorhaben genauestens darauf abzuklopfen, ob sie nicht am Ende nur einen weiteren Privatisierungsschub im Gesundheitswesen vorbereiten. Die LINKE muss dem die Perspektive eines Gesundheitssystems gegenüberstellen, das an der Versorgung der Bevölkerung ausgerichtet ist statt an den Gewinnen von Marktakteuren. Dabei ist es wichtig, uns mit den Interessenvertretungen von Beschäftigten, mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und Patient*innenorganisationen zu vernetzen und deren Sichtweisen aufzunehmen." (Quelle)

 

Ist die Impfpflicht für Pflegekräfte sinnvoll?

Wer mit besonders vulnerablen Gruppen arbeitet und bis heute nicht geimpft ist, handelt verantwortungslos. Schon als wir von der Omikron-Variante noch nichts ahnten, gab es immer wieder von Beschäftigten, teilweise auch leitenden Angestellten, in Einrichtungen der Pflege und Behindertenbetreuung eingetragene Corona-Infektionen, die die Gesundheit und das Leben der dort betreuten Menschen gefährdet haben.
In meiner Heimatstadt haben wir zum  Beispiel einen Ausbruch in einem Pflegeheim erlebt, dem innerhalb von zwei Wochen 14 alte Menschen zum Opfer gefallen sind. Das war noch vor der Zulassung der Impfstoffe, aber für die Pflegekräfte, die dieses grausame Sterben miterlebt haben, stellt sich die Frage überhaupt nicht, ob eine Impfung sinnvoll ist. Wer aber weder in der Alpha- noch in der Delta-Welle genug Verantwortungsgefühl aufgebracht hat, sich impfen zu lassen und damit sich selbst und die ihm oder ihr anvertrauten Menschen zu schützen, kann sich jetzt auch nicht mit Omikron herausreden, denn weder ist der "mildere" Verlauf total ungefährlich, noch ist die Impfung völlig nutzlos, was die Weiterverbreitung angeht. Sie ersetzt kein Test- oder Hygienekonzept, sondern ergänzt es sinnvoll.
Die Impfpflicht für Pflegekräfte ist sinnvoll und schafft mehr Sicherheit. Niemand würde etwa einer Frau mit Kinderwunsch eine Frauenarztpraxis empfehlen, in der das Personal nicht gegen Röteln immunisiert ist, obwohl bekannt ist, dass Röteln bei Schwangeren schwere Missbildungen des Kindes verursachen können. Die Linksfraktion hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht zwar kritisiert, aber nur, weil sie es ungerecht fand, eine Berufsgruppe gesondert zum Impfen zu verpflichten.

 

Was halten Sie von Schadensersatzleistungen bei Impfschäden?

Unabhängig davon, ob allgemeine Impfpflicht oder nicht, fordert DIE LINKE seit Langem, die Rechte von Patientinnen und Patienten bei möglichen Impfschäden zu stärken und ihnen den Zugang zu Schadenersatzleistungen zu erleichtern, denn nach der geltenden Rechtslage liegt die Beweislast allein bei der Person, die Schadenersatz möchte. Was die Höhe von Schadenersatzleistungen betrifft, muss das auch weiterhin fallspezifisch entschieden werden, pauschale Entschädigungen sind nicht sachgerecht. Es gibt staatliche Entschädigungsleistungen und bei Einkommenseinbußen durch einen Impfschaden ist auch ein Berufsschadensausgleich möglich, wobei die bisherigen Erfahrungen mit solchen Einzelfällen darauf schließen lassen, dass diese Leistungen in der Regel zu niedrig ausfallen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das Risiko, durch die zugelassenen COVID-19-Impfstoffe akute oder auch Langzeitschäden davon zu tragen, deutlich geringer ist, als die Risiken, die eine schwere COVID-19-Infektion mit sich bringt, wobei es auch hier den Betroffenen durch die Beweislast unnötig erschwert wird, beispielsweise eine am Arbeitsplatz erworbene Infektion als Berufserkrankung geltend zu machen.

 

Stand der Therapieforschung bei Long-COVID bzw. Post-COVID

Die vor einigen Monaten bekannt gewordenen Erfolge der Uni Erlangen mit BC 007 geben Grund zur Hoffnung, dass in der Behandlung von Long-COVID und auch von ME/CFS endlich eine Therapie entdeckt werden könnte. Die Versuche an nur vier Proband*innen lassen allerdings noch keine validen Aussagen zu Wirkungen und Nebenwirkungen dieses Wirkstoffes zu.
Der Wirkstoff BC 007 der Schweizer Firma "Berlin Cures Holding AG" ist patentiert und die Firma hat großes Interesse daran, dass das Mittel möglichst schnell auf den Markt kommt, denn im Prinzip ist jeder Tag, an dem das Mittel noch nicht zugelassen ist, ein wirtschaftlich verlorener Tag für das Unternehmen. Dementsprechend hat das Unternehmen auch einen ambitionierten Zeitplan für eine Notfallzulassung bzw. bedingte Zulassung veröffentlicht. Danach sollen Anfang 2023 die randomisierten und verblindeten Phase-II-Studien beginnen und bis etwa Mitte 2024 abgeschlossen sein. Falls sich darin herausgestellt haben wird, dass das Medikament sicher ist und einen Nutzen hat, dann steht einer sehr raschen Zulassung nichts im Weg.
Auch das beschleunigte Zulassungsverfahren bedeutet jedoch für die Betroffenen, die auf Heilung hoffen, dennoch lange Zeiträume. Der Hintergrund ist aber, dass zurecht nur ausreichend erprobte Arzneimittel, sowohl was die erwünschten als auch die unerwünschten Wirkungen anbetrifft, zugelassen werden.
Das Bundesforschungsministerium fördert die Erforschung der molekularen Mechanismen, die mit diesen Heilungsversuchen einhergehen, vom 1. März 2022 bis 31. August 2023 mit 1,2 Mio. Euro (Forschungsprojekt „reCOVer“). Dies ist eine Grundlagenforschung, an der das Unternehmen weniger Interesse hat, so dass hier der Weg der öffentlich finanzierten Förderung gewählt wird.
So, wie derzeit gewinnorientierte Arzneimittelforschung rechtlich organisiert ist, ist es kaum vertretbar oder durchführbar, die Zulassungsstudien mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Denn die im Falle einer Zulassung erwartbaren - und in diesem Fall obendrein sehr hohen - Gewinne macht alleine das Unternehmen. Die Kosten zu vergesellschaften, aber die Gewinne zu privatisieren, das ist kein Vorgehen, das DIE LINKE unterstützt. Dies ist im Übrigen bei den COVID-19-Impfstoffen auch zurecht kritisiert worden.
Die Politik hat hier derzeit also nur sehr begrenzte Eingriffsmöglichkeiten. Was wir aber schon seit vielen Jahren jedes Jahr in den Haushaltsberatungen des Bundes vorschlagen, um die Entwicklung benötigter Medikamente oder auch anderer Heilverfahren zu unterstützen und schnell zu realisieren, ist die Förderung der nicht-kommerziellen Pharma- und Methodenforschung mit 2 Mrd. Euro jährlich. Damit hätten die staatlichen Stellen eine Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass beforscht wird, was für die öffentliche Gesundheit wirklich notwendig ist. Wir fordern in diesem Sinne einen Paradigmenwechsel und den Einstieg in eine staatliche Gesundheitsforschung, die pharmazeutische und auch nicht-pharmazeutische Therapie-Optionen in den Blick nimmt und die geistigen Eigentumsrechte in öffentlicher Hand behält. Dies ist übrigens auch wichtig für die Versorgung im globalen Süden, da hier neue patentgeschützte Medikamente oft unerreichbar teuer sind.
Was die Verbesserung der medizinischen und sozialen Unterstützung von Long COVID-Patient*innen betrifft, so fordert die Fraktion DIE LINKE im Bundestag in ihrem Antrag "Auf sich verändernden Pandemieverlauf vorbereiten – Maßnahmenplan vorlegen", auch die "Auswirkungen von Long-COVID auf die Arbeitswelt, die Zahl von Frühverrentungen etc.," stärker zu berücksichtigen, "einen Pandemie-Fonds einzurichten, aus dem [...] Hilfen für Long-COVID-Betroffene etc. finanziert werden" und - "ausreichend finanzielle Mittel zur Stärkung der Gesundheitswissenschaften bereitzustellen, insbesondere für Projekte der Public-Health-Forschung und der nicht-kommerziellen klinischen Forschung und dabei insbesondere auch die Erforschung von Langzeit- und Folgesymptomen einer COVID-19-Infektion sowie von Therapieansätzen zur Behandlung von Long COVID bedarfsdeckend auszufinanzieren".