Kathrin Vogler, Grußwort zur Kundgebung der jesidischen Gemeinde

Rojbas, guten Tag!

 

Vorhin bei der Demonstration bin ich ein paarmal gefragt worden, ob ich Deutsche bin. Beim ersten Mal habe ich noch ja gesagt. Danach habe ich geantwortet: "Nein, heute sind wir alle Jesiden, irakische Christen oder Aramäer." Und deshalb danke ich euch, dass ihr heute mit so vielen Menschen hierher gekommen seid, um ein Zeichen für die Solidarität mit den Menschen in Singal zu setzen, die von den ISIS-Banden terrorisiert werden.

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Rojbas, guten Tag,

vorhin bei der Demonstration bin ich ein paarmal gefragt worden, ob ich Deutsche bin. Beim ersten Mal habe ich noch ja gesagt. Danach habe ich geantwortet: "Nein, heute sind wir alle Jesiden, irakische Christen oder Aramäer." Und deshalb danke ich euch, dass ihr heute mit so vielen Menschen hierher gekommen seid, um ein Zeichen für die Solidarität mit den Menschen in Singal zu setzen, die von den ISIS-Banden terrorisiert werden.

Ich überbringe euch die Grüße meiner Partei DIE LINKE und unserer Bundestagsfraktion. Wir sagen ganz klar: Da, wo Gewalt gegen Menschen aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Kultur ausgeübt wird, da darf man nicht schweigend abseits stehen. DIE LINKE ist solidarisch mit allen jesidischen Menschen, die von den Angriffen der IS-Terrorbanden betroffen sind. Und wir sind erschüttert darüber, dass es Angriffe nun auch in unserem Land gibt.

Meine Kollegin Ulla Jelpke macht sich gerade auf einer Erkundungsreise durch Kurdistan selbst ein Bild von der Situation der Minderheiten im Irak und in Syrien. Sie berichtet von kaum vorstellbaren Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, gegen Frauen, Männer und Kinder.

Hunderttausende sind derzeit in den kurdischen Regionen des Nordirak auf der Flucht vor den bewaffneten Mörderbanden des IS.

International scheint es große Einigkeit in der Verurteilung des IS-Terrors zu geben, aber man muss sich doch einmal fragen, woher diese Milizen ihre Waffen, ihre Ausrüstung und ihren Nachschub beziehen, wenn sie doch gar keine Unterstützung haben. Dabei ist es ein offenes Geheimnis: Der islamische Staat wurde zumindest bis vor Kurzem auch von Saudi-Arabien und Katar unterstützt, von Ländern also, mit denen Deutschland und die EU gute Beziehungen unterhalten, und in welche von Europa aus sogar Waffen geliefert werden. Und die Türkei dient wohl noch immer als Rückzugsgebiet für die Kämpfer.

Wenn es also Frau Merkel und Herr Steinmeier ernst meinen, dass sie den Terror der Djihadisten ablehnen, dann sollten sie zumindest alle Waffenlieferungen an diese Länder konsequent stoppen!

Dann brauchen wir dringend humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge. Wenn die Zahlen der Vereinten Nationen stimmen, dann wird dies nicht allein die US-Armee per Flugzeugabwurf bewältigen können. Man kann nicht Hunderttausende auf diesem Weg versorgen. Es wäre also an der Zeit, mit der türkischen Regierung über Landwege zur Flüchtlingsversorgung zu sprechen. Die Türkei muss endlich den Landweg über Rojava, also über Nordsyrien frei machen, damit die Menschen in Singal versorgt werden können.

Wir brauchen auch eine unbürokratische Möglichkeit zur Einreise von Angehörigen zu ihren Familien nach Deutschland, ähnlich wie das für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge vereinbart wurde. Nur sollten wir dieses Mal darauf achten, dass die Hürden für Aufnahmewillige nicht so hoch sind.

Und, das zeigen die Angriffe von Djihadisten in Herford: Wir brauchen mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt gegen diejenigen, die Hass und Intoleranz predigen und praktizieren. Dabei ist es ganz egal, ob diese sich hinter dem Deckmantel einer Religion verstecken oder ob sie rassistischen und faschistischen Vereinigungen angehören, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht - wenn jemand vor unseren Ohren bedroht oder vor unseren Augen angegriffen wird, dann müssen wir alle Zivilcourage zeigen und uns schützend vor unsere Nachbarinnen und Nachbarn stellen.

Jede Religion lässt sich missbrauchen zum Hass auf Andersgläubige. Aber jede Religion hat auch ebenso den Kern des Friedensgedankens in sich. Es sollte unser aller Anliegen sein, diesen Friedensgedanken stark zu machen und ihn vor allem auch den jungen Menschen zu vermitteln. Mir macht es große Sorgen, dass auch in Deutschland zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene mit Hass infiltriert und als Kämpfer für den Krieg in Syrien, im Irak oder in Afghanistan angeworben werden.

Diesen jungen Menschen müssen wir dringend humanistische Werte vermitteln und wirkliche Lebensperspektiven bieten. Und auch das ist nicht nur politische oder religiöse Aufgabe, sondern eine, in der sich die ganze Gesellschaft bewähren muss. Ich wünsche uns, dass wir damit alle gemeinsam erfolgreich sind.

Biji Singal! Es lebe der Frieden, das Menschenrecht und die internationale Solidarität!