Warum ich als Pazifistin Politik für die Partei DIE LINKE mache

Kathrin Vogler in "ZivilCourage"

Kathrin Vogler hat einen Artikel in der "ZivilCourage", der Zeitschrift der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) veröffentlicht. Den Beitrag gibt es hier zu lesen.


Eine starke LINKE ist ein deutliches Zeichen gegen Krieg

Von Kathrin Vogler

 

Inhaltliche Grundlage meiner friedenspolitischen Arbeit ist nach wie vor die pazifistische Grundsatzerklärung „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Das ist heute noch so richtig wie vor 34 Jahren, als ich die Beitrittserklärung der DFG-VK unterschrieben habe. Ich engagiere mich heute auch deshalb in der LINKEN, weil diese Partei die einzige relevante ist, in der ich als Pazifistin keine geduldete Randerscheinung bin, sondern das Bild der Partei mit prägen kann. Zum Beispiel wurden in NRW immerhin drei DFG-VK-Mitglieder auf die vorderen 10 Listenplätze zur Bundestagswahl gewählt.

DIE LINKE sieht sich selbst als Teil der Friedensbewegung. Sie fordert das Verbot aller Rüstungsexporte, die Beendigung der Auslandseinsätze und konkrete Abrüstung. Wer in den letzten Jahren an einer Friedensdemonstration teilgenommen hat, konnte die Präsenz der LINKEN nicht übersehen. Natürlich finde ich es richtig, dass die Bewegung sich nicht für einzelne Parteien instrumentalisieren lässt, aber ich würde mir eher wünschen, dass auch aus anderen Parteien wieder mehr Menschen an unseren gemeinsamen Aktionen teilnehmen, als Parteien allgemein ausgegrenzt werden. Es war immer eine Stärke der Friedensbewegung, dass wir uns um gesellschaftliche Mehrheiten quer zur Parteipolitik gekümmert haben. Meinungsumfragen ergeben immer wieder große Mehrheiten für Forderungen der Friedensbewegung. Wahlentscheidend scheinen diese Themen aber leider nicht zu sein, denn sonst hätte DIE LINKE eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und könnte das Rüstungsexportverbot ins Grundgesetz schreiben.  

DIE LINKE im Bundestag an der Seite der Friedensbewegung

Ich bin auch deshalb zur LINKEN gekommen, weil ich der Meinung bin, dass eine parlamentarische Vertretung links von der SPD notwendig ist, um der Stimme der Friedens- und Antikriegsbewegungen auch im Parlament Gehör zu verschaffen. Es wäre zu einfach, Parlamentsarbeit nur, wie Rosa Luxemburg das erklärt hat, als Ausnutzen der „Tribüne“ zu verstehen, aber es ist wichtig, dass wenigstens eine Fraktion im Bundestag gegen alle Kriegseinsätze stimmt und damit der auf Parlament und Regierung fixierten Medienöffentlichkeit immer wieder abnötigt, auch über friedenspolitische Positionen zu berichten.

Alle anderen Parteien stimmen darin überein, dass die Bundesrepublik ihre außenpolitischen Interessen auch mit militärischen Mitteln verfolgen soll. Differenzen gibt es zwischen ihnen nur über die konkrete Ausgestaltung. Das zeigt sich auch in den Abstimmungen, in denen alle Fraktionen gemeinsam gegen DIE LINKE Kriegseinsätze durchwinken. Dabei macht es einen deutlichen Unterschied, ob einzelne „Abweichler“ dagegen sind, oder ob es eine ganze Fraktion gibt, die geschlossen Nein sagt. Einzelne Gegenstimmen lassen sich immer als individuelle Entscheidungen umdeuten, die geschlossene Ablehnung einer Fraktion ist ein politisches Zeichen, das auch nach draußen Mut macht.

Ich glaube aber, dass unsere parlamentarische Wirkung noch darüber hinaus geht. Ein Beispiel ist die Arbeit im Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“, in dem ich unsere Fraktion vertrete. Auch hier sind sich alle anderen Fraktionen einig, dass das, was wir unter ziviler Konfliktbearbeitung verstehen, sich in eine vor allem militärgestützte Außenpolitik einfügen soll. Hier sehe ich meine Aufgabe darin, immer wieder deutlich zu machen, dass zivile Konfliktbearbeitung gerade nicht die Petersilie auf einer militärisch dominierten Außenpolitik sein darf.

In öffentlichen Anhörungen ist es durch die Präsenz der LINKEN im Parlament möglich, Vertreterinnen und Vertreter von Friedensorganisationen, etwa IMI, Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, Konsortium Ziviler Friedensdienst oder Persönlichkeiten wie Andreas Buro einzuladen, die diese Position verstärken.

Und in welcher Bundestagsfraktion sonst wäre es möglich, ein Treffen der DFG-VK-Mitglieder unter den Abgeordneten durchzuführen, so wie wir das in der Linksfraktion im letzten Jahr gemacht haben? Ich möchte diese Initiative auch in diesem Jahr fortsetzen und vielleicht wird das ja eine regelmäßige Institution.

Auch in der LINKEN gibt es Debatten darum, ob wir immer und in jedem Fall einen Bundeswehreinsatz ablehnen sollen. Mir ist dabei wichtig, dass wir aus dem Beispiel der Grünen, wo unter dem Vorwand des Menschenrechtsschutzes die außenpolitische „Regierungsfähigkeit“ der Partei hergestellt wurde, Konsequenzen ziehen. Ich glaube keine Sekunde, dass es Joschka Fischer um die Menschenrechte in Jugoslawien ging. Der wollte Außenminister werden und Deutschland in den UN-Sicherheitsrat befördern. Dafür musste die Friedensposition der Grünen fallen. Nun gibt es auch in meiner Partei Leute, die sehr gerne MinisterInnen oder zumindest StaatssekretärInnen werden wollen und die dafür auch unsere außenpolitische Position verschieben würden. Aber das ist eine Minderheit, die ganz große Mehrheit der Mitglieder und auch der Abgeordneten steht für eine derartige Wende nicht zur Verfügung. Dass das so bleibt, dafür werde ich mich weiter stark machen.

In einem Papier für den Bund für Soziale Verteidigung bin ich der Frage nachgegangen, warum Abgeordnete in der Friedensfrage „umkippen“: http://www.kathrin-vogler.de/uploads/media/infoblatt_politische_fallen.pdf. Ich denke, dass es hier vier Fallen gibt: Erstens setzen PolitikerInnen die Bundeswehr ein, weil es sie gibt („Verfügbarkeitsfalle“). Zweitens stellt eine Ablehnung militärischen Eingreifens ein leichtes Opfer auf dem Altar der Regierungsfähigkeit dar („innere Bündnisfalle“) und es bestehen durch die bisherigen Bundesregierungen eingegangene Verpflichtungen gegenüber UN, EU oder NATO („äußere Bündnisfalle“). Drittens glauben Abgeordnete umso eher an die inhaltlichen Begründungen von Auslandseinsätzen, je häufiger sie sie selbst gegen ihre ursprüngliche Überzeugung wiederholen („Glaubensfalle“). Und viertens verlässt sich die gesamte Fraktion oft auf die inhaltlichen Vorgaben der jeweiligen FachpolitikerInnen in der Fraktion („Verlässlichkeitsfalle“). All das wirkt zusammen und kann dann dazu beitragen, dass auch Abgeordnete, die als PazifistInnen gestartet sind, Militäreinsätzen zustimmen. Ich finde es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, weil das mehr Ansatzpunkte für Gegenstrategien bietet, als wenn man davon ausgeht, dass die „Umfaller“ einfach nur opportunistisch sind.

Für mich habe ich daraus die Konsequenz gezogen, einerseits tragfähige und glaubwürdige Alternativkonzepte zu Militär und Krieg zu entwickeln und andererseits auf die Rückkopplung mit außerparlamentarischen Bewegungen zu achten, um das politische Immunsystem der LINKEN gegen den Jasager-Virus zu stärken.

Wenn die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen die beharrliche Ablehnung von Kriegseinsätzen als „langweilig“ beschimpfen wird und eine „Weiterentwicklung“ unserer Positionen (also die Zustimmung zu Kriegseinsätzen) fordern, dann bestärkt es mich, wenn ich auf Kongressen der Friedensbewegung oder bei Aktionen genau für diese konsequente Haltung Zustimmung erhalte.

An dieser Stelle würde ich mir manchmal wünschen, dass die außerparlamentarischen Kräfte diesen Hebel mehr nutzen. Ich freue mich zum Beispiel, wenn alle 620 Abgeordnete viele Mails und Briefe mit der Aufforderung bekommen, gegen das Afghanistan-Mandat zu stimmen. Aber es wäre auch hilfreich, sich nach einer solchen Abstimmung bei denen zu bedanken und sie zu unterstützen, die das tatsächlich getan haben.

Friedenspolitik im Programm der LINKEN

Der Friedensteil des Parteiprogramms gehört zu jenen, die am umstrittensten waren und sind. Deswegen bleibt er auch widersprüchlich. Zwar schließt DIE LINKE lediglich „Kampfeinsätze“ aus und fällt damit hinter die Beschlüsse der PDS zurück. Sie fordert, dass Deutschland lediglich aus den militärischen Strukturen der NATO austritt. Dennoch wird im Erfurter Programm der Ausstieg aus dem Militär als reale Vision erkennbar. Schon im ersten Satz des Kapitels bekennt sich DIE LINKE zur Gewaltfreiheit, sowohl zwischen Staaten als auch innerhalb der Gesellschaft. Im Weiteren beschreibt sie das Leitbild des gerechten Friedens, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg.

Damit greift DIE LINKE ein Friedensverständnis auf, wie es die Kirchen, die Friedensbewegung und Teile der Friedensforschung in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. Das Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ und die zivilmilitärische Zusammenarbeit werden unmissverständlich abgelehnt. Folgerichtig ist die Idee eines „Willy-Brandt-Korps“ für internationale Katastrophenhilfe. Dieses ist ausbaubar zu einer pazifistischen Alternative zu Militäreinsätzen. Es gibt weltweit keine zivile Institution, die über die notwendige Logistik verfügt, um Hilfsgüter und spezialisierte Fachkräfte schnell in entlegene oder umkämpfte Gebiete zu bringen. Eine vollständig zivile Organisation zu schaffen, die dies bewältigen kann, könnte Militäreinsätzen einen Großteil ihrer Legitimation in der Öffentlichkeit nehmen. Der Slogan „helfen statt schießen“ bekommt damit eine reale Gestalt.

Die ausdrückliche Ablehnung von Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta (so genannte „friedenschaffende“ oder „friedenserzwingende“ Einsätze) ist eine klare Positionierung gegen den Weg, den die Grünen gegangen sind. Alle UN-mandatierten Militäreinsätze der letzten Jahre gingen weit über die Blauhelm-Definition nach Kapitel VI hinaus. Es gibt also im Programm der LINKEN praktisch kein Einfallstor für eine Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen im Ausland.

Dass DIE LINKE trotz ihres Bekenntnisses zu Gewaltfreiheit und ziviler Konfliktbearbeitung keine ausschließlich pazifistische Partei ist liegt auf der Hand. Sie ist aber mit diesem Programm eine, in der PazifistInnen und AntimilitaristInnen eine wichtige Rolle spielen – bis in den Parteivorstand hinein. Diese gilt es zu verteidigen und auszubauen.

Auch wenn es derzeit nicht sehr wahrscheinlich ist: Mit Blick auf Regierungsbeteiligungen im Bund wird der Druck auf DIE LINKE zunehmen, ihre friedenspolitischen Positionen aufzugeben. Hier kommt es einerseits darauf an, realistische Konzepte für eine radikal friedliche Außenpolitik zu entwickeln. Der andere und sehr viel wichtigere Aspekt ist aber der: Ohne massive außerparlamentarische Unterstützung wird eine solche, grundlegend andere Außenpolitik nicht durchsetzbar sein. Ein kleiner Koalitionspartner könnte sicherlich in Koalitionsverhandlungen das Thema setzen, durchsetzen kann er sich aber nur, wenn diese Position durch starken Druck von außen unterstützt wird.

Angesichts der realen Verhältnisse in den anderen Parteien stellt sich für mich die Koalitionsfrage im Moment so ohnehin nicht. Die Sozialdemokraten, gerade auch „SPD-Linke“ fordern von uns, unsere friedenspolitischen Positionen aufzugeben, bevor eine Zusammenarbeit infrage kommt. Was die Kriege in Libyen und aktuell in Mali anbetrifft, sind es vor allem PolitikerInnen von SPD und Grünen, die nach einer stärkeren Beteiligung der Bundeswehr, also nach mehr Krieg rufen. Den Patriot-Einsatz in der Türkei bezeichnete der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, gar als Maßnahme zur „Deeskalation“. In den letzten Konflikten scheint es so, als sei die Kriegsbegeisterung bei SPD und Grünen noch größer als bei Schwarz-Gelb. Für eine solche Politik kann und wird sich DIE LINKE nicht hergeben. Deswegen ist jede Stimme für DIE LINKE bei der Bundestagswahl eine Stimme gegen den Krieg.

Die wahlarithmetischen Spielereien können wir getrost anderen überlassen. Aus meiner Perspektive gibt es tatsächlich zwei Lager in der Bundespolitik: Das große Lager der Militärbefürworter in CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen, die glauben, dass die Bereitschaft zum Einsatz von Militär eine Bedingung der „Politikfähigkeit“ ist, auf der einen Seite und DIE LINKE als einzige Opposition auf der anderen Seite. Ob Merkel oder Steinbrück die nächste Bundesregierung führen, ist dabei weniger relevant als die Frage, wie stark diese linke Opposition im Bundestag sein wird. Deswegen werbe ich ausdrücklich dafür, bei dieser Bundestagswahl nicht nur DIE LINKE zu wählen, sondern sie auch mit außerparlamentarischem Rückenwind zu versehen, etwa durch Wahlaufrufe, friedenspolitische Veranstaltungen oder durch aktive Unterstützung im Wahlkampf.

Nur friedlich zu denken reicht nicht aus. Es geht auch darum, eine andere Politik möglich zu machen. Und dafür bleibt DIE LINKE eine wichtige Bündnispartnerin der Friedensbewegung und aller KriegsgegnerInnen.

 

Die Autorin ist Mitglied des Bundestags für DIE LINKE, Obfrau im Unterausschuss Zivile Krisenprävention und seit 1979 Mitglied der DFG-VK. Sie war in den 1990er Jahren Landesgeschäftsführerin in Nordrhein-Westfalen und Bundesprecherin der DFG-VK.